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Mit dem Fahrrad durch München: Woher kommen all die Luxusräder?

Gravelbikes werden auch im Stadtverkehr immer beliebter.
Foto: Zacharie Scheurer, dpa
Freizeit

Mit dem Fahrrad durch München: Woher kommen all die Luxusräder?

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    München, Schellingstraße. Ein Pulk von Radlern wartet an der Ampel. Zwei Damen auf E-Bikes, ein Essenslieferant mit Fatbike, ein Mann mit Mountainbike. Oder ist es ein Gravelbike? An der Spitze, zwei Rennradfahrer in hautengen Lycra-Trikots, schnelle Brillen, schnittige Helme, einer fährt Bianchi, der andere Canyon. Ob sie kurz Zeit hätten für ein Gesprä....? Grüne Ampel, schon sind sie weg.

    Setzt sich da gerade ein kleines Vermögen in Gang? Das Rad ist ja nicht mehr nur ein Rad, sondern ein Statussymbol. Wer etwas auf sich hält, rüstet hoch. Da geht es um Motorstärke, Akkuleistung, Reifenbreite. Aluminium, Carbon, Stahl, Titan. Manche Räder sind mehr wert als ein Jahresurlaub, oft steht nicht eins in der Garage, sondern zwei oder drei. Das Fahrrad als neuer Kleinwagen. Woher kommt die Leidenschaft fürs Luxusvelo? Eine Erkundungsfahrt in der bayerischen Landeshauptstadt.

    Rennrad, Hollandrad, Gravelbike, E-Bike, Fatbike, Citybike, Mountainbike, Klapprad, Liegerad, für jedes Bedürfnis gibt es das passende Modell.
    Rennrad, Hollandrad, Gravelbike, E-Bike, Fatbike, Citybike, Mountainbike, Klapprad, Liegerad, für jedes Bedürfnis gibt es das passende Modell. Foto: Felicitas Lachmayr

    Rund 89 Millionen Fahrräder gibt es in Deutschland

    Zurück in der Schellingstraße. Strecke machen in Schwabing, schwierig. Hupen, Gedrängel, die Straßenbahn schellt, eine Radlerin weicht gerade noch aus. Hinter ihr eine Familie. „Das ist mir alles zu stressig“, ruft die Mutter. „Ich möcht’ ein Eis“, ruft der Bub im Lastenrad. „Jetzt fahren wir erst mal an die Isar“, plärrt der Papa und tritt in die Pedale. Also ab Richtung Isar.

    Eine Straße, dutzende Fahrräder. Manche sehen klapprig aus, andere edel, aber die Optik allein verrät noch nicht viel, also mal den Experten fragen: Werden Räder wirklich immer teurer? „Ja“, sagt David Koßmann vom Pressedienst-Fahrrad. „Die Branche hat sich in den letzten Jahren professionalisiert.“ Der Grund: Das E-Bike. Boomt seit zwölf Jahren, hat das Radeln bequemer und die Branche innovativer gemacht. Dazu ein paar Zahlen: Rund 89 Millionen Fahrräder gibt es in Deutschland, das sind 20 Millionen mehr als noch vor zehn Jahren. Knapp 16 Millionen davon sind E-Bikes. Zum Vergleich, vor fünf Jahren waren es halb so viele. Nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands waren allein im letzten Jahr 53 Prozent der verkauften Räder motorisiert.

    Eine Straße, dutzende Fahrräder und Parkplatzprobleme in Schwabing.
    Eine Straße, dutzende Fahrräder und Parkplatzprobleme in Schwabing. Foto: Felicitas Lachmayr

    Koßmann nennt es die Kfz-tisierung des Fahrrads. Hochwertigere Bauteile, höhere Auflagen und Testnormen, ein Ansporn für die Hersteller. Corona gab der Branche zusätzlichen Antrieb. „Viele Leute dachten sich, wenn schon nicht auf die Malediven fliegen, dann wenigstens ein E-Bike kaufen“, sagt Koßmann. Fahrrad statt Jahresurlaub, dann darf es auch kosten. „Man geht nicht mehr einfach in den Laden und kauft ein Fahrrad“, sagt Koßmann. Da stehe eine andere Psychologie dahinter als früher. Wer ein Rad will, recherchiert, testet, lässt sich individuell eins zusammenstellen oder hat vielleicht schon eine Marke im Blick.

    Apropos, davon gibt es inzwischen viele, aber welche sind gut, welche gehören zu den besten? Anruf bei Pablo Ziller vom Zweirad-Industrie-Verband. Selbst er sagt, es sei schwer, den Überblick zu behalten, doch dann zählt er auf: Canyon aus Koblenz. Kalkhoff aus Emstek, Schwergewicht für E-Bikes. Cube aus Bayern, einer der größten, deutschen Player, baut hochwertige Räder im mittleren Preissegment. Bedeutet? Immer eine Frage des Blickwinkels, sagt Ziller, aber 1000 bis 6000 Euro, alles darüber sei Premiumklasse. Wie Riese & Müller, der Mercedes unter den Radherstellern. Oder Rotwild, produziert E-Mountainbikes, die schon mal 12.000 Euro kosten.

    Gerade vom Baden zurück: Das Fahrrad als Handtuchhalter.
    Gerade vom Baden zurück: Das Fahrrad als Handtuchhalter. Foto: Felicitas Lachmayr

    „Die Radindustrie hat in Deutschland Tradition“, sagt Ziller. Bis zu 300.000 Arbeitsplätze hingen an ihr. Einige Autobauer produzierten erst Räder, bevor sie aufs Auto umsattelten. Opel gehörte bis in die 1930er-Jahre zu den größten Fahrradproduzenten weltweit. Peugeot baute Pfeffermühlen, dann Räder, dann Autos. Und heute? Scheint sich das Rad zurückzudrehen, Mercedes, BMW, VW, Porsche, haben alle E-Bikes auf den Markt gebracht. Denn im Rad steckt Potenzial.

    Citybike, Mountainbike, Stadtrad - für jedes Bedürfnis gibt es ein Modell

    Englischer Garten. E-Bikes unter jedem Baum. Am Wegesrand steht eine Dame, Helm, Radhandschuhe, E-Bike, und blickt sich suchend um. „Ich habe nur ein Foto gemacht, jetzt habe ich meinen Mann verloren“, sagt sie. „Er ist bestimmt schon wieder vorgefahren.“ Aus Plattling sei sie mit dem Zug angereist. Sohn besuchen, Olympiastadion besichtigen, Abstecher in den Biergarten, alles mit dem E-Bike. „Ich fahre so gern damit“, sagt Magdalena, 77. „Aber nur im Eco, der Turbo ist mir zu schnell, da fühle ich mich nicht wohl.“

    Vor zehn Jahren hat sie sich das erste E-Bike gekauft, inzwischen fährt sie das zweite Modell. 3500 Euro hat sie bezahlt, nutzt es für Einkäufe, Tagesausflüge und Touren im Bayerischen Wald. „Es ist super, man kommt weit und hat Unterstützung, wenn es steiler wird“, sagt sie. „Aber man muss auch viel fahren, um das Radl im Griff zu haben.“ Und hier im Englischen Garten? „Is scho’ viel los, ich schieb’ besser“, sagt sie und rollt los. „Meistens steige ich aufs E-Bike“, sagt sie noch im Gehen. Aber das alte Stadtrad stehe noch in der Garage, für die Runde zum Bäcker.

    Lieb und teuer: Das Fahrrad kostet heute schon mal so viel wie ein Jahresurlaub.
    Lieb und teuer: Das Fahrrad kostet heute schon mal so viel wie ein Jahresurlaub. Foto: Stock Adobe

    E-Bike kaufen und das alte Rad behalten? Machen viele, sagt David Koßmann vom Pressedienst-Fahrrad. Das Konzept der Vielrädrigkeit setze sich immer mehr durch. Rennrad, Hollandrad, Gravelbike, E-Bike, Fatbike, Citybike, Mountainbike, Klapprad, Liegerad, für jedes Bedürfnis gibt es das passende Modell. „Früher hatten die Leute ein Fahrrad, heute schaffen sich viele ein zweites oder drittes an“, sagt Koßmann. Er selbst? Hat siebzehn, sagt er und zählt auf. Mountainbike, Tandem, Stadtrad, Faltrad, Schön-Wetter-Rad, Gravelbike... „Ich nutze nicht alle, aber ich kann mich schwer trennen“, sagt er. Bei ihm dreht sich alles ums Rad, schon als Jugendlicher machte er Touren, heute fährt er am liebsten Mountainbike. „Wenn ich auf dem Rad sitze, fühle ich mich frei“, sagt Koßmann.

    Aber so ein Zweit-Rad, braucht es das? Hängt von den Bedürfnissen ab, sagt er. Ein Stadtrad ist für die Berge ungeeignet, auf dem Rennrad lässt sich kein Gepäck transportieren. Ein Modell, das vieles zu vereinen versucht: Das Gravelbike, ein Hybrid aus Rennrad, Mountainbike und Trekkingrad, schnittig und geländegängig zugleich. Oder wie Koßmann sagt: Nicht umsonst das Modell ohne Motor, das am häufigsten verkauft wird.

    Knapp zwei Millionen Räder waren 2023 geleast, auch das kurbelt den Markt an

    Drei junge Frauen sitzen auf der Wiese im Englischen Garten, neben ihnen drei schicke Räder, Marke Cube. „Das da ist meins“, sagt Esra und deutet auf das schwarze Gravelbike. Rennradlenker, Gepäckträger, kompakte Reifen. „Mein Stadtrad war mir zu klapprig, ich wollte was Schnelleres“, sagt die 30-Jährige. 1900 Euro hat sie für das Gravelbike bezahlt. „Ich leide bis heute“, sagt sie, lacht und winkt ab. „Ich hätte auch mehr ausgegeben, aber mehr war nicht drin.“

    Ihre Freundin Güzide schüttelt den Kopf: „Mir wäre es das nicht wert. Ich nutze mein Rad auch jeden Tag, aber ich würde nicht so viel dafür bezahlen.“ Ihr olivgrünes Touring-Bike hat sie über den Arbeitgeber geleast – und für ihre Freundin Tuğçe gleich ein Gravelbike mit. 24 Euro zahlen sie im Monat. „Ich hätte ein teureres Rad oder ein E-Bike leasen können, aber das wollte ich nicht“, sagt sie. Tuğçe nickt. „Ich nutze das Rad im Alltag, komme schnell überall hin, das ist Lebensqualität“, sagt sie. „Aber im Herzen bin ich Autofahrerin. Wenn es regnet, setzte ich mich sicher nicht aufs Rad.“

    Keine Gravelbikes, aber auch hübsch: Hollandräder mit Blümchen und Korb.
    Keine Gravelbikes, aber auch hübsch: Hollandräder mit Blümchen und Korb. Foto: Felicitas Lachmayr

    Dann lieber leasen. Machen inzwischen viele, wie eine Studie des Branchenverbands Zukunft Fahrrad zeigt. Rund 37 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben die Möglichkeit, ein Dienstrad zu leasen und immer mehr nutzen das Angebot. Knapp zwei Millionen Räder waren 2023 geleast, fünfmal so viele wie vor fünf Jahren. Auch das kurbelt den Markt an. Dienstradleasing sei einer der wichtigsten Faktoren für das Wachstum des Fahrradsektors, heißt es in der Studie.

    Da wird auch mal das teure Velo gewählt, das man sich selbst nicht kaufen würde. „Leasing macht Luxusfahrräder erschwinglich“, sagt Radexperte David Koßmann. Der Preis wird in 36 Raten gezahlt, bei Übernahme fällt der Restwert an – und kommt meist deutlich günstiger weg als beim Direktkauf, sagt Koßmann. Ein weiterer Vorteil: Oft ist das Rad gegen Diebstahl versichert. Lohnenswert, allein in München werden jedes Jahr mehr als 6.500 Fahrräder gestohlen. Je teurer das Rad, desto größer die Verlustangst. Der Luxus zeigt sich oft schon am Schloss. Mit einer simplen Kette ist es nicht getan, da werden GPS-Sensoren und Alarmanlagen installiert, um das edle Gefährt zu schützen. Wer will schon ohne Rad dastehen? Das Auto wird ja auch verriegelt.

    Experte sagt: „Das Fahrrad ist ein Statussymbol.“

    Aber mal offen gefragt, entwickelt sich das Fahrrad gerade zum neuen Kleinwagen? „Da ist schon was dran“, sagt Koßmann. „Das Rad ist ein Statussymbol. Menschen identifizieren sich darüber und übernehmen damit verbundene Bewertungskategorien.“ Anders gesagt, der Adrenalinjunkie steigt aufs Mountainbike, der Ehrgeizling aufs Rennrad, der Trendsetter aufs Gravelbike und wer mit dem alten Schrottrad durch die Stadt klappert, scheint auf all das nichts zu geben – oder kann es sich nicht leisten, so das Klischee. „Das ist wie beim Auto“, sagt Koßmann. „Wer im Opel Astra sitzt, hat einen anderen Habitus als ein Audifahrer.“ Das Rad, mehr Ausdrucksmittel als Fortbewegungsmittel?

    Koßmann findet das nicht verkehrt, denn es lenkt die Aufmerksamkeit aufs Rad und kann vielleicht auch politisch etwas bewegen. Klimawandel, Verkehrswende und so. Aber ein Statussymbol, räumt der Experte ein, bedeutet auch, etwas zu kaufen, was man eigentlich nicht braucht. Beispiel E-Mountainbike, wird häufig gekauft, aber selten voll ausgenutzt. „Die Jack-Wolfskin-Jacke unter den E-Bikes“, sagt Koßman. „Menschen fahren durch die Stadt, weil es sportlich aussieht, aber sie nutzen das Rad nicht, wofür es gebaut wurde.“ Luxus eben.

    Zwei Touristen sitzen in einer motorisierten Rikscha und blicken auf die Badenden im Eisbach.
    Zwei Touristen sitzen in einer motorisierten Rikscha und blicken auf die Badenden im Eisbach. Foto: Felicitas Lachmayr

    Eisbachbrücke. Zwei Touristen sitzen in einer motorisierten Rikscha und blicken auf die Badenden. Daneben eine Reihe an Rädern. Cube, KTM, Kettler, Kalkhoff, Canyon, ein Markensammelsurium. Ein Mountainbike von Cannondale, ein Lastenrad von Gazelle mit gepolstertem Vorbau, die Kutsche fürs Kleinkind. Und was glänzt da auf dem Lenker? Eine goldene Klingel.

    Leidenschaft fürs Luxusvelo, hier eins mit goldener Klingel.
    Leidenschaft fürs Luxusvelo, hier eins mit goldener Klingel. Foto: Felicitas Lachmayr

    Hochwertige Räder, präzise verarbeitet, robust, langlebig. Aber was ist eigentlich mit den Billig-Rädern aus dem Baumarkt oder Discounter? „Der Verkauf von günstigen, unmotorisierte Rädern sinkt jedes Jahr“, sagt Koßmann. Einige Firmen würden nur noch Fahrräder mit Motor anbieten, Velos unter 1000 Euro suche man teils vergeblich. Selbst gebrauchte Räder kosten inzwischen einiges. Eine Entwicklung, die der Experten kritisch sieht, denn nicht alle können oder wollen sich ein teures Rad leisten. Koßmann sagt aber auch: „Echte Schrotträder gibt es kaum noch, beim Discounter stehen zwar furchtbare Gurken rum, aber selbst die sind nicht mehr so schlimm wie vor 20 Jahren.“

    Auch Pablo Ziller vom Zweirad-Industrie-Verband beobachtet den Trend mit Sorge. „Radfahren sollte sich nicht zur elitären Freizeitbeschäftigung entwickeln, aber wir sehen genau solche Tendenzen.“ In vermögenden Schichten ersetze das Fahrrad schon mal das Zweitauto, in sozial schwächeren Familien hingegen spiele es eine immer geringere Rolle, auch bei Kindern.

    Kutsche fürs Kleinkind: Ein Lastenrad von Gazelle mit gepolstertem Vorbau.
    Kutsche fürs Kleinkind: Ein Lastenrad von Gazelle mit gepolstertem Vorbau. Foto: Felicitas Lachmayr

    Das Fahrrad, auch eine Frage der Klasse. Wer es sich leisten kann, investiert in teure Modelle und Motorisiertes. Schneller, weiter, bequemer, doch mit der Zahl der E-Bikes steigt das Unfallrisiko. Knapp 19.300 Fahrradunfälle registrierte die Polizei in Bayern im vergangenen Jahr. 94 Radler kamen ums Leben, fast drei Viertel von ihnen waren über 65 Jahre alt, knapp die Hälfte war mit E-Bike unterwegs. Angesichts der Zahlen raten Experten zu Fahrtrainings für mehr Balance und sicheres Bremsen.

    Kopenhagen ist und bleibt die fahrradfreundlichste Stadt der Welt

    Eisbachwelle. Zwei junge Leute stehen neben ihren E-Bikes und blicken aufs Wasser. „Wir sind wahrscheinlich noch zu jung für E-Bikes“, sagt Inessa, lacht und zuckt mit den Schultern. „Aber es macht Spaß.“ Einziger Nachteil: Taschen, Akku, Licht, Display, die 24-Jährige macht alles ab, bevor sie das Rad abstellt, sicher ist sicher. Ihr Begleiter nickt. „Wir wussten nicht, ob wir die Räder wirklich nutzen“, sagt Silvan, 25. „Aber wir wollen längere Strecken fahren, auch mal mit Gepäck.“ Vor drei Wochen haben sie die Räder von den Eltern übernommen, für ein paar hundert Euro. Schnäppchen, neu kosteten sie über tausend Euro. „Wenn ich es nicht so günstig bekommen hätte, hätte ich es nicht gekauft“, sagt Silvan. Mehr als 1500 Euro würde er für ein Rad nicht bezahlen. Und, wie fährt es sich so? „Gestern bin ich in die Arbeit geradelt, vom Münchner Osten zum Hauptbahnhof“, sagt Silvan. Seine Bilanz: Halbe Stunde für zehn Kilometer, acht Minuten an Ampeln rumstehen. „Es macht Spaß, in den Turbo zu schalten, aber die Radwege sind teilweise echt schlecht ausgebaut.“

    Altbekanntes Problem. David Koßmann sagt: „Je sicherer sich die Menschen fühlen, desto mehr radeln sie.“ Die Zukunft des Rads hänge nicht an neuen Hightech-Gefährten, sondern am Ausbau der Infrastruktur. „Fahrräder haben sich technisch rasant verbessert“, sagt der Experte. Leistungsstarke Motoren, Automatikschaltung, hydraulische Scheibenbremsen, gefederte Sattelstützen, Fernlicht für Nachtfahrten, alles da. „Aber das Wegenetz in Deutschland ist immer noch rückschrittlich“, sagt er. Der Verkehrsraum müsse gerechter aufgeteilt werden.

    Isarradweg. Baustelle auf Höhe Volksbad! Fußgänger auf der Fahrbahn, die Fahrt verzögert sich bis Zeppelinstraße. Dann aber: Freie Fahrt auf der Radlautobahn! Zwei Spuren, viereinhalb Meter breit, 400 Meter lang. Da ist sie, die Freiheit auf zwei Rädern. Rennradfahrer zischen vorbei, drei Touristen strampeln auf Mieträdern Richtung Friedensengel, eine Dame mit weißem Lastenrad zieht vorbei, darin... ein weißer Husky? Kurzer Schlenkerer, schnell wieder nach vorne schauen. Eine Familie mit Anhänger trödelt, Schulterblick, schnell noch überholen, die Radlautobahn endet gleich.

    Freie Fahrt auf der Radlautobahn! Vor einem halben Jahr eröffnete die Stadt einen zweispurigen Radweg an der Zeppelinstraße.
    Freie Fahrt auf der Radlautobahn! Vor einem halben Jahr eröffnete die Stadt einen zweispurigen Radweg an der Zeppelinstraße. Foto: Felicitas Lachmayr

    Dabei könnte die Fahrt wunderbar so weitergehen. Nur woanders halt, in Wien vielleicht. Da hat die Stadt kürzlich 30 Millionen Euro investiert, um einen Radhighway zwischen Donaukanal und Praterstern zu bauen. Oder in Paris, soll ja mit tausend Kilometer neuen Radwegen ein Paradies für Radler sein. Oder zumindest die Vorstufe, denn nirgends radelt es sich so schön wie in Kopenhagen. Dafür investiert die Stadt auch einiges, 40 Euro pro Einwohner und Jahr. Das zahlt sich aus, 62 Prozent der Arbeits- und Schulwege werden auf dem Rad zurückgelegt.

    Praktisch, aber teuer: Lastenräder kosten zwischen 5000 und 10.000 Euro

    Abstecher in den Isarpark. Menschen, Decken, Handtücher und dazwischen Fahrräder. In der Wiese, am Wegesrand, unterm Baum. Eine junge Frau kommt mit dem Lastenrad angefahren, überdachte Kiste, darin... eine junge Frau. „Sieht unbequemer aus als es ist“, ruft sie heraus. Die Fahrerin hält an. Teresa, 28, seit zwei Jahren Lastenrad-Besitzerin. Früher war sie mit Auto unterwegs, bis sie nach Haidhausen zog. Dort einen Parkplatz finden, Katastrophe, sagt sie. Dazu die hohen Unterhaltskosten, dann lieber ein Lastenrad. 5000 Euro hat sie gezahlt. „Klingt viel, aber ich habe einmal investiert und bin jetzt unabhängig“, sagt sie. „Ich nutze das Rad jeden Tag und habe schon alles damit transportiert.“ Möbel, Fernseher, Freunde. Sie bringt ihren Sohn damit in die Kita, fährt in die Arbeit.

    Möbel, Fernseher oder die Freundin - mit dem Lastenrad lässt sich vieles transportieren.
    Möbel, Fernseher oder die Freundin - mit dem Lastenrad lässt sich vieles transportieren. Foto: Felicitas Lachmayr

    85 Kilo, motorisiert, wie fährt sich so ein Kleinlaster? „Schon anders“, sagt Teresa. Zwei Tage habe sie gebraucht, um sich an das Fahrgefühl zu gewöhnen. „Aber dann hat es richtig Spaß gemacht“, sagt sie. Klar, manchmal sei es gefährlich in der Stadt, der viele Verkehr, die schmalen Radwege. Außerdem habe das Lastenrad keinen besonders guten Ruf. Ein Vehikel für Yuppies und Ökomuttis, das nur stört und Platz wegnimmt, so das Klischee. Teresa ist das egal: „Ich bin draußen, bewege mich, komme schnell durch die Stadt und kann alles transportieren. Das ist besser als jedes Auto.“

    Lastenräder sind angesagt, das am stärksten wachsende Segment, sagt Koßmann. In der Stadt sind sie besonders beliebt, für kommerzielle wie private Zwecke. Essen ausliefern, Post verteilen, Kinder in die Kita bringen, alles möglich, aber teuer. Zwischen 5000 und 10.000 Euro kosten die Gefährte, sagt Koßmann. Hoher Energieverbrauch, Motor, doppelter Akku. Doch vielen ist es das Geld wert und die Auswahl ist groß: Zwei oder drei Räder, mit doppeltem Gepäckträger, überdacht, schlichte Kiste vorne oder hinten. In manchem Vorbau thront das Kind (oder der Hund) auf Polstersitzen. Die Liebe zum Fahrrad beginnt im Lastenrad. Mit zwei Jahren stehen die Kleinen dann auf dem Laufrad – und nähern sich dem Ursprung des Fahrradfahrens.

    Schattenparkplatz: Unterm Baum im Isarpark stapeln sich die Fahrräder.
    Schattenparkplatz: Unterm Baum im Isarpark stapeln sich die Fahrräder. Foto: Felicitas Lachmayr

    Das erste Rad holperte auch ohne Pedale über die Straße. 1817 vom Tüftler Karl von Drais entwickelt, bestand es aus zwei Wagenrädern, die mit einem Holzrahmen samt Sitzfläche und Lenkstange verbunden waren. Eine Laufmaschine, auf der man aus eigenem Antrieb dahinsausen konnte oder wie der Arzt und Drogenforscher Paolo Mantegazza Ende des 19. Jahrhunderts schrieb: „Zwei Räder, welche kaum den Boden berühren, die wie auf Flügeln dich weit forttragen mit einer schwindelerregenden, trunken machenden Geschwindigkeit.“ Der Radelrausch wirkt bis heute.

    Sendlinger Tor. Zwei Jugendliche queren die Straße, er radelt, sie kichert, sitzt vorne auf dem Lenker und balanciert mit den Beinen. Wackelige Angelegenheit, aber sie schaffen es an die Ampel. Neben ihnen Bub mit Tretroller, ein Paar im Partnerlook auf Rennrädern, eine Frau mit Hollandrad und jede Menge Krempel im Korb. Lampenschirme, Bilderrahmen. Fahrradumzug? „Ich war auf dem Flohmarkt“, sagt sie. „Aber jetzt erst mal raus, an die I...“ Grüne Ampel, gute Fahrt!

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    2 Kommentare
    Alexander Görbing

    ich stelle mir die Frage, warum in der AUGSBURGER Allgemeinen Zeitung eine Reportage über Radler in München erscheint? Ich glaube, dass wir hier in AUX eine ausreichend große "Szene" haben - die passenden innovativen Bike-Händler und -Experten sowie sicher auch ein paar interessante und frequentierte Radwege. Schade

    Peter Zimmermann

    Hier zeigt sich, wie in anderen Bereichen auch, lediglich die "Sucht" nach Anerkennung.

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