Nach der Diagnose hat sie erst mal geweint. Weil sie erleichtert war und endlich einen Namen hatte für das, was sie ein Leben lang belastete. Alice hat AD(H)S, genauer ADS. Sie ist 42 Jahre alt, hat vier Kinder, die Diagnose bekam sie erst vor einem Jahr. Auf Instagram hatte sie ein Video gesehen, in dem sie sich und ihr alltägliches Chaos wiedererkannte. Die Frau im Video wollte aufräumen, warf ihren Krempel auf einen Haufen, wurde abgelenkt und der Haufen blieb liegen. Nichts Aufregendes, eigentlich. Doch Alice hat die Szene aufgewühlt, weil sie sie schon so oft selbst erlebt hat.
Lesetipp
Doch, es ist schon eine Erleichterung, wenn man erfährt, warum bei einem so vieles anders ist als bei den anderen. Warum man beispielsweise nach einer 5stündigen Klausur dermaßen erledigt ist, dass man keinen klaren Gedanken mehr fassen kann, während Kommilitonen locker noch mal eine schreiben könnten. Warum man sich extra in die erste Reihe setzt und den Lehrer fixiert, um ja kein Wort seines Vortrages zu verpassen und nach 5 Minuten merkt, dass man mit seinen Gedanken ganz woanders ist. Warum einen Situationen stressen, die andere offenbar als erfreulich wahrnehmen (Menschenmassen, fröhliches Freibadgeplärre, vielstimmiges Gerede am Tisch) warum man kränkbarer ist als das persönliche Umfeld und vor allem, warum man impulsiver reagiert, ohne das zu wollen. Ausformungen bei ADS sind sehr vielschichtig. Nachgewiesen ist die erhöhte Unfallgefahr und Gefahr straffällig zu werden. Natürlich ist es gut, wenn diese Neurodiversität bekannter wird, weil es zum einen Leidensdruck von ...
Fortsetzung: ...weil es zum einen Leidensdruck von den Betroffenen nimmt zum anderen Außenstehende vllt. ein wenig mehr Verständnis aufbringen lässt. Wie bei allen Erkrankungen/Besonderheiten (Depression, Burnout ...) wird heute aber leider alles zu Tode geritten, bis es als Modediagnose abgetan werden kann. Es hängen sich halt auch zu viele dran, die davon Scoialmedia-mäßig profitieren wollen. Wichtig ist aber vor allem, dass betroffenen Kindern medikamentöse Unterstützung nicht mit dem scheinheiligen Abwehrreflex, man wolle die Kinder nicht ruhigstellen bzw. ihre Besonderheit nicht nivellieren, versagt wird. Das betrachte ich als unterlassene Hilfeleistung. Und die gab es in den vergangenen Jahrzehnten mehr als genug.
Ein sehr guter Artikel. Ich finde sehr viel davon in unserer Verwandtschaft in der es eine Betroffene gibt, wieder. Und ja, Modediagnosen und ein Exkulpativ für alles darf diese Erkrankung nicht sein. Leider werden und wurden die Betroffenen auch nicht einem Arzt vorgeführt bzw. kann man, wenn das Kind 18 geworden ist, als Eltern gar nichts mehr machen. Vielfach werden die Kinder verzogen, durch alle Schulen geschickt(damit das Kind von der Strasse ist..) und somit bleibt im Erwachsenenalter ein Scherbenhaufen übrig. Allerdings halte ich grade die sozialen Medien für schädlich für die Betroffenen, meiner Ansicht nach entwickelt sich sogar noch eine Mediensucht dazu. Richtig genannt ist auch die Eigenverantwortung des Betroffenen, ein jeder hat die Pflicht sich selbst soweit zu bringen das er ein normales Leben führen kann.
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