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Sollte man eine Affäre beichten oder lieber verschweigen? Was eine Paartherapeutin rät

Beziehungsfragen

Sollte man eine Affäre beichten oder lieber schweigen?

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    Eine Affäre kann das Vertrauen in den Partner unwiederbringlich zerstören.
    Eine Affäre kann das Vertrauen in den Partner unwiederbringlich zerstören. Foto: Stock Adobe

    „Schatz, ich muss dir was sagen …“ – so fangen oft die Gespräche an, die eine Beziehung für immer verändern. Die Frage, ob man eine Affäre beichten sollte oder nicht, gehört zu den Klassikern der Paarberatung. Laut einer Studie von 2024 hatten 20 Prozent der Deutschen schon mal ein One-Night-Stand trotz Partnerschaft, 31 Prozent haben fremd geknutscht - und 20 bis 30 Prozent lügen in Umfragen bei solch sensiblen Themen.

    Wenn Menschen anonym schon nicht gern die Wahrheit sagen, wie schwer muss dann die Entscheidung sein, eine Affäre zu beichten? Es ist ein Dilemma: Einerseits gibt es die Sehnsucht nach Ehrlichkeit und Absolution, andererseits die Angst, das Gegenüber zu verletzten und das Vertrauen unwiederbringlich zu zerstören. Also: Soll man oder soll man nicht?

    Therapeutin sagt: Nicht selten ist eine Affäre das Resultat unerfüllter Bedürfnisse

    Aus paartherapeutischer Sicht spricht einiges für das Offenlegen einer Affäre, denn oft ist sie nicht nur ein zufälliger Ausrutscher, sondern das Symptom für eine Schieflage: emotionale Distanz, Langeweile, Frust oder Sehnsucht nach Bestätigung, Nähe und Lebendigkeit. Nicht selten ist eine Affäre das Resultat unerfüllter Bedürfnisse, und manchmal ist der oder die Betrogene selbst schon emotional oder körperlich aus der Beziehung ausgestiegen.

    So auch bei Anna und Daniel. Die beiden kamen zu mir, weil Anna gerade die Affäre ihres Mannes aufgedeckt hatte, doch beide waren sich einig, dass sie ihre Ehe retten wollen. Daniel hatte furchtbare Schuldgefühle und Anna war zu Recht enttäuscht - aber durch die Gespräche über die Beziehungsdynamik, die zu der Affäre beitrug, konnte Anna erkennen, dass sie sich in ihre Mutterschaft gestürzt und schon viele Jahre von ihrem Mann zurückgezogen hatte. Sie waren gemeinsam einsam.

    Rechtfertigt das Daniels Affäre? Selbstverständlich nicht. Aber es macht sie verstehbarer und weniger willkürlich. Beide erkannten ihre Anteile, und nutzten ihre Erkenntnisse für die notwendige Veränderung. Für Anna und Daniel war die Außenbeziehung ein Reset-Knopf. Es musste erst richtig schlimm werden, bevor es besser werden konnte. Studien zeigen, dass Paare, die nach einem Seitensprung konstruktiv miteinander sprechen, langfristig oft eine höhere Beziehungsqualität erreichen – weil sie die Konflikte angehen, die zur Affäre geführt haben.

    Viele Menschen gehen fremd, obwohl sie ihren Partner oder ihre Partnerin lieben

    Aber ist ein Geständnis immer die beste Lösung? Nicht unbedingt, denn auf der anderen Seite steht das Risiko, dass es alles zerstört. Eine Frage, die man sich stellen sollte: Für wen ist das Geständnis wirklich? Einige meiner Kollegen sagen, ein Seitensprung sei egoistisch, aber ein Geständnis dazu noch selbstgerecht. Denn manchmal dient es nur dazu, das eigene Gewissen zu erleichtern. Der betrogene Partner bekommt die Wahrheit auf den Tisch geknallt, ohne je gefragt worden zu sein, ob er das überhaupt will.

    Ehrlichkeit ist wichtig, definitiv. Aber die Frage, was diese Ehrlichkeit mit dem Gegenüber macht, ist genauso wichtig. Denn die Offenlegung eines Seitensprungs kann beim betrogenen Partner zu depressiven Symptomen führen. So haben Frauen, die von der Untreue ihres Partners erfahren, ein sechsmal höheres Risiko, an einer depressiven Episode zu erkranken. Selbstwert, Selbstbewusstsein und Vertrauen erholen sich nur schwer von solchen Ereignissen.

    Fakt ist auch, viele Menschen gehen fremd, obwohl sie ihren Partner lieben. Insbesondere bei einem einmaligen Seitensprung kann ein Geständnis auch mehr schaden als reparieren. Ob man eine Affäre beichten sollte, hängt also von vielen Faktoren ab: dem Ausmaß der Affäre, der Kommunikationsfähigkeit beider Betroffenen, den gemeinsamen Werten und Vereinbarungen, der Beziehungsperspektive sowie der eigenen Motivation. Ist das Geständnis ein Schritt zur Weiterentwicklung? Oder nur ein Weg, das eigene Gewissen zu entlasten? Und welche Konsequenzen hätte das Beichten oder Schweigen?

    Studien zeigen, dass Offenheit nach einem Seitensprung die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, diesen zu überwinden. 60 Prozent aller betroffenen Paare schaffen es, ihre Beziehung zu retten. Entscheidend dafür ist, dass beide bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, zu vergeben und sich gemeinsam weiterzuentwickeln. Denn ein Zurück zum Status Quo ist keine Option. Bestenfalls spürt man die Gefahr, bevor etwas passiert und redet miteinander. Denn eine Affäre ist - im Gegensatz zu einem einmaligen Ausrutscher – meist ein sicheres Zeichen dafür, dass etwas fehlt. Und das bekommt man in der Regel nicht durch Schweigen zurück. Mit oder ohne Beichte.

    Zur Person

    Romy Winter arbeitet seit 2018 als Paar- und Familientherapeutin, hat mehrere Bücher geschrieben, darunter „Das Herz der Familie - Mehr Paar und nicht nur Eltern sein.“ In unserer Partnerschaftskolumne schreibt die 41-Jährige jetzt alle zwei Wochen über Beziehungsthemen.

    Familientherapeutin Romy Winter
    Familientherapeutin Romy Winter Foto: Stefanie Auer
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