Versteckt im Hochland der Anden liegt es, das weiße Gold. Eine Schotterstraße führt hinab zu den Salzterrassen, die sich wie Waben in die Bergschlucht zwängen. Dort, auf 3000 Metern Höhe, ernten peruanische Bauern seit Jahrhunderten das Salz von Maras. „Es ist harte Arbeit, aber wir können davon leben“, sagt Rosaria. Die junge Frau sitzt in einer Hütte oberhalb der Terrassen, schon ihre Großeltern waren Salzbauern. Momentan ist nicht viel los, aber in der Trockenzeit von März bis November, wenn das Wasser unter der Höhensonne verdunstet, schleppen Landwirte das Salz in 50-Kilosäcken die Terrassen hinauf.
Maras liegt im „Heiligen Tal der Inkas“ unweit der weltberühmten Ruinenstadt Machu Picchu im Süden Perus. Schon die Inkas sollen ihre Speisen mit Maras-Salz verfeinert haben, heute wird es in Gourmetküchen weltweit verwendet, denn es gilt als kostbar. Nicht nur das Salz aus den peruanischen Anden ist angesagt, auch aus anderen Gegenden der Welt wird Salz mit einer Prise Extravaganz vermarktet. Französisches Fleur de Sel, Rosensalz aus Bolivien, Schwarzsalz aus Pakistan, die Auswahl ist groß und Salz ist nicht gleich Salz. Wer kulinarisch etwas auf sich hält, greift nicht zum einfachen Tafelsalz. Aber sind die Gourmetsalze wirklich hochwertiger?
Expertin sagt: „Bei der Raffination gehen sämtliche Mineralstoffe verloren“
Anruf bei Manuela Mahn. Die Gewürz-Sommelière lehrt an der Genussakademie Bayern und berät Profis aus der Gastronomie in Sachen Gewürze. Da darf Salz nicht fehlen, auch wenn es streng genommen gar kein Gewürz ist, wie Mahn erklärt, sondern ein Mineral. Denn Salz ist nicht pflanzlichen Ursprungs, sondern besteht hauptsächlich aus Natriumchlorid – egal ob es aus dem Berg, Meer oder einer salzhaltigen Quelle kommt.

Der wichtigste Unterschied liegt Mahn zufolge deshalb auch nicht in der Herkunft, sondern in der Aufbereitung. Raffiniert oder unraffiniert, darauf sollte man beim Kauf achten, sagt die Gewürzexpertin und rät zu unraffiniertem Salz. Denn das werde in seiner natürlichen Zusammensetzung verkauft. Das klassische Speisesalz hingegen, auch Tafelsalz oder Kochsalz genannt, wird raffiniert, also gewaschen, erhitzt und chemisch behandelt – für mehr Reinheit und ein makelloses Weiß. Rieselhilfe dazu, damit es nicht klumpt - fertig ist das Tafelsalz. „Bei der Raffination gehen sämtliche Mineralstoffe wie Magnesium, Kalium und Kalzium verloren“, sagt Mahn. Um Mangelerscheinungen vorzubeugen, würden Jod oder Fluorid künstlich dazugegeben. „Jod lässt das Salz aber metallisch schmecken“, sagt die Expertin. Und ob es gesundheitlich notwendig ist, darüber lasse sich streiten.
Ein Unterschied aber ist unstrittig: „Beim raffinierten Salz formen sich die Kristalle zu kompakten Würfelchen, sie haben ein dichtes Volumen und schmecken salziger“, sagt Mahn. Ein Vorteil, weil man dann weniger salzt? Leider nein, sagt die Expertin. Tendenziell landet weniger Salz im Teller, wenn es grobkörnig ist und sich nicht so gut verteilt. Dann schmeckt es punktuell intensiver und wirkt länger nach. „Ich salze meistens mit den Fingern“, sagt Mahn. Aber auch mit einer Mühle lasse sich der Mahlgrad einstellen und das Salz gut dosieren. Kleiner Tipp: Wer Kräutersalz verwendet, hat gleich weniger Salz auf dem Teller, denn auf dieselbe Menge Salz kommen etwa zwei Drittel Gewürze.
Kleiner Gewürztrick: Schärfe lenkt vom Bedürfnis nach Salz ab
Weniger ist mehr, aber wie viel ist eigentlich gesund? Fünf Gramm pro Tag empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, das entspricht einem gestrichenen Teelöffel. Doch die meisten Deutschen essen mehr, Frauen bis zu 8,4 Gramm, Männer bis zu 10 Gramm. Oft kommt Salz versteckt daher, in Wurst, Brot, Fertiggerichten oder Süßigkeiten, denn es wirkt es wie ein Geschmacksträger, verstärkt die Süße und reduziert Bitterkeit.
Der menschliche Körper braucht Salz, um den Wasserhaushalt und die Verdauung zu regulieren und Nervenimpulse weiterzuleiten. Aber mit zu viel Salz steigt das Risiko für Bluthochdruck und die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Schlaganfall. Also erst mal probieren, dann nachsalzen, rät Mahn. Salzarmes Essen muss auch nicht fad schmecken. „Mit Gewürzen lässt sich viel auffangen, sie geben dem Essen eine eigene Aroma-Dynamik“, sagt die Expertin. Mit Schärfe lässt sich der Gaumen zusätzlich überlisten, denn sie verursacht einen intensiven Reiz, der vom Bedürfnis nach Salz ablenkt.
Im Meersalz werden immer wieder Spuren von Mikroplastik nachgewiesen
Wie aber unterscheiden sich die einzelnen Salzsorten? Da gibt es zum einen Steinsalz, das aus Stollen geschlagen wird. Weil es oft Millionen Jahre eingeschlossen war und kaum Umweltbelastungen ausgesetzt war, ist es sehr rein, sagt Mahn. Außerdem ist es trocken und eignet sich gut zum Backen. Siedesalz wird mithilfe von Wasser aus dem Berg gelöst und die sogenannte Sole anschließend ausgekocht. So werden etwa das Berchtesgadener oder Bad Reichenhaller Salz hergestellt.

Meersalz hingegen wird in flachen Becken geerntet, sobald das Wasser unter der Sonne verdunstet. „Es hat eine höhere Restfeuchte, löst sich beim Kochen gut auf und hat eine leicht algige Note, was nicht jedem schmeckt“, sagt Mahn. Die teurere Variante ist das Fleur de Sel, das aus der oberen, hauchdünnen Salzschicht gewonnen wird. Die Salzblüten werden von Hand abgeschöpft, sind flockig, haben einen leichten Crunch und zergehen schön im Mund. Allerdings: Im Meersalz werden immer wieder Spuren von Mikroplastik nachgewiesen.
Auch die als Gourmetsalze beworbenen Produkte haben meist keine gute Umweltbilanz, wenn sie aus Pakistan oder Südamerika importiert werden. Übrigens, das rosafarbene Himalayasalz stammt selten aus dem Himalaya, sondern aus dem Salzgebirge in Pakistan. Eine Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher, findet Mahn.
Expertin sagt: „Mit einem besonderen Salz gewinnen Speisen an Exklusivität“
Daneben wird Quellwassersalz aus salzhaltigen Solequellen gewonnen. So entsteht auch das Maras-Salz in den peruanischen Anden. Aus einer winzigen Quelle plätschert salzhaltiges Wasser und wird über ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem in die rund 4000 Becken geleitet. Wenn das Wasser verdunstet, kratzen die Bauern das Salz in mühsamer Handarbeit aus den Becken. Alle helfen mit, alle erhalten denselben Lohn. Bis zu 200 Kilo Salz können sie pro Becken ernten und weltweit vermarkten.
Eingeschweißt in Plastiksäckchen verkaufen sie es auch direkt vor Ort. Fünf Sol, also etwa 1,30 Euro verlangt die junge Salzbäuerin Rosaria für ein Kilo. In Deutschland kostet es schon mal das 20-fache. Auch beim Maras-Salz gibt es Qualitätsunterschiede. Rosaria nimmt drei verschiedenfarbige Tütchen in die Hand und stapelt sie übereinander. „So liegt das Salz im Becken“, sagt sie. Drei Schichten, drei Qualitätsstufen. Das Salz am Beckenboden wird zu Badesalz verarbeitet, das in der Mitte eignet sich gut zum Kochen. Und die Kruste ganz oben, die ist am edelsten, sagt Rosaria und deutet auf das orangefarbene Päckchen.

Gourmets weltweit schätzen das grobkörnige Natursalz aus den Anden wie auch Produkte aus anderen Regionen. Ist ja auch fein, so ein Scheibchen Brot mit Olivenöl und Salzflocken als Appetizer. „Salz hat einen Trendcharakter“, sagt Mahn. „Mit einem besonderen Salz gewinnen Speisen an Exklusivität. Aber letztlich ist und bleibt es Natriumchlorid.“ Rotes Salz aus Hawaii, schwarzes Lavasalz, persisches Blausalz - nette Spielerein, aber nicht hochwertiger oder gesünder als Ursalz aus den Alpen. Der neueste Hype? Salz am Stück, das ähnlich wie Parmesan gerieben wird. „Man kann sich da verlustieren, aber mir ist natürliches Meersalz im Keramikschälchen immer noch am liebsten“, sagt Mahn.
Apropos, wie lässt sich Salz eigentlich am besten aufbewahren? Solange es dicht verschlossen ist und keine Feuchtigkeit ziehen kann, bleibt es frisch, sagt die Expertin. Anders als Olivenöl oder Schokolade ist Salz auch nicht lichtempfindlich. Auf der Packung muss zwar ein Mindesthaltbarkeitsdatum angegeben sein, aber bei richtiger Lagerung ist es nahezu unbeschränkt haltbar.
Wichtige Frage noch: Wann sollte das Salz ans Essen? Die Expertin seufzt. Eigenes Kapitel, ganze Listen könnte sie führen, wann welche Zutat Salz verträgt. Nur so viel: Der Spruch, Fleisch erst nach dem Braten zu salzen, ist alter Hut. Lieber vorher salzen und ziehen lassen, rät Mahn, dann bleibt es saftig, aber auch nicht zu lange, sonst wird es ledrig. Eigenes Kapitel eben. Ein Steak vom Rind darf auch mal einen Tag vor dem Braten gesalzen werden, Fisch am besten 15 bis 20 Minuten vorher, auch Gemüse sollte vor dem Garen gesalzen werden. Nur eben nicht zu viel.
Pikantes Kräutersalz
5 EL unraffiniertes, feines Steinsalz 1 TL gerebeltes Bohnenkraut 1 TL gerebelter Majoran 1 TL Schnittlauch in Röllchen (falls möglich gefriergetrocknet) 1 TL gerebeltes Liebstöckel 1 TL gerebelter Bärlauch Das Salz gut mit den getrockneten Kräutern vermischen.
Safransalz
0,5 g Safranfäden im Mörser grob zerstoßen und mit 50 g unraffiniertem, feinerem Steinsalz mischen. Danach nochmals miteinander im Mörser fein zerstoßen. Das Gewürzsalz eignet sich bestens für Jakobsmuscheln, Edelfisch oder mit Honig gratiniertem Ziegenkäse.
Kreuzkümmelsalz
2 EL ganze Kreuzkümmelfrüchte in einer Pfanne vorsichtig trocken anrösten, bis sich deren Duft entfaltet. Nach dem Abkühlen in einem Mörser grob anstoßen. Mit 2 EL grobem Natursalz vermischen und nochmals im Mörser anstoßen bis die erwünschte Struktur erreicht ist. Die ideale Fingerwürze für Brathähnchen, Hummus, Avocados und geröstete Kartoffeln.

Quelle: „144 Gewürze: Warenkunde. Küchenpraxis. Gewürzkompositionen“ von Manuela Mahn, 240 Seiten, Christian Verlag, 2024
Nicht zu vergessen: Himalayasalz wurde mir auf Nachfrage als jodfrei bestaetigt. Nicht umsonst gibt es hierzulande extra jodiertes Salz. Man muss wohl genau hinschauen, wenn man plastikfreies jodhaltiges Salz sucht.
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