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Verhaltensforschung: Sind jüngere Geschwister besonders kooperativ?

Verhaltensforschung

Sind jüngere Geschwister besonders kooperativ?

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    Einer neuen Studie zufolge sind Sandwich-Kinder besonders kooperativ.
    Einer neuen Studie zufolge sind Sandwich-Kinder besonders kooperativ. Foto: Adobe Stock

    Sandwich-Kinder haben besonders kooperative Persönlichkeiten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie kanadischer Forschender, deren Ergebnisse im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurden. Die Arbeit liefert neue Erkenntnisse zur umstrittenen Frage, ob die Geburtenreihenfolge das Verhalten prägt.

    Ältere Geschwister sind verantwortungsbewusster und zuverlässiger, jüngere hingegen kreativer und risikofreudiger: Über Vorurteile wie diese wird seit Jahrzehnten diskutiert und das auch in der Wissenschaft. Während manche Studien zu dem Schluss kommen, dass die Position in der Geschwisterfolge keinen Einfluss auf die Persönlichkeit hat, sehen andere Effekte der Geburtenreihenfolge.

    Forschende analysieren Daten von mehr als 700.000 Teilnehmenden

    Ins zweite Lager gehört die aktuelle Studie. Michael Ashton von der Brock University in St. Catharines und Kibeom Lee von der University of Calgary untersuchten die Effekte der Geburtenreihenfolge anhand von Menschen, die online einen 100 Fragen umfassenden Fragebogen im Rahmen des sogenannten Hexaco-Persönlichkeitsmodells ausgefüllt hatten.

    Dieses Modell wurde vor Jahren von Ashton und Lee entwickelt zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, die sechs Faktoren umfassen: Ehrlichkeit/Bescheidenheit, Emotionalität, Extraversion/nach außen Gewandtheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen.

    Für ihre erste Analyse bezogen die beiden Wissenschaftler die Daten von mehr als 700.000 Teilnehmenden ein, von denen die meisten aus den USA, Großbritannien, Kanada und Australien stammten. In dieser ersten Stichprobe hatten Sandwich-Kinder – also solche in der Mitte zwischen älteren und jüngeren Geschwistern – im Mittel die höchsten Werte bei Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit, gefolgt von Letztgeborenen, Erstgeborenen und Einzelkindern.

    Viele Geschwister fördern die Entwicklung von kooperativen Tendenzen

    Die Kategorie Ehrlichkeit-Bescheidenheit wird auf der Hexaco-Website wie folgt beschrieben: „Personen mit sehr hohen Werten auf der Ehrlichkeit-Bescheidenheit-Skala vermeiden es, andere zu ihrem persönlichen Vorteil zu manipulieren, fühlen sich wenig dazu verleitet, Regeln zu brechen, sind nicht an verschwenderischem Reichtum und Luxus interessiert und haben keinen besonderen Anspruch auf einen höheren sozialen Status.“

    Studie legt nahe: Die Reihenfolge der Geschwister scheint das Verhalten zu prägen.
    Studie legt nahe: Die Reihenfolge der Geschwister scheint das Verhalten zu prägen. Foto: Stock Adobe

    In einer zweiten kleineren Stichprobe mit knapp 75.000 Teilnehmern konzentrierten sich Ashton und Lee auf die Frage, ob sich die Zahl der Geschwister auf das Persönlichkeitsprofil auswirkt. In dieser Analyse wiesen Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit höhere Mittelwerte in größeren Geschwisterschaften auf. Mit anderen Worten: Auch das Aufwachsen mit vielen Geschwistern scheint ein kooperatives Verhalten zu fördern, und das – angesichts der Analysewerte – noch stärker als die Position in der Geburtenreihenfolge.

    In dieser kleineren Stichprobengruppe schnitten Erstgeborene in den entsprechenden Persönlichkeitsdimensionen etwas schlechter ab als Sandwich-Kinder und Letztgeborene. All diese Differenzen waren bei Personen, deren Erziehung sehr religiös war oder die sich zum Zeitpunkt der Befragung als religiös bezeichneten, allerdings deutlich geringer.

    Studie widerlegt bisherige Untersuchungen zur Geburtenreihenfolge

    Weniger klar, aber doch signifikant waren zudem in beiden Stichproben Unterschiede bei Offenheit für Erfahrungen – hier zeigten sich bei Einzelkindern und den ältesten Geschwistern etwas höhere Mittelwerte. Sandwich-Kinder und Erstgeborene hatten hingegen im Schnitt geringfügig höhere Werte bei Extraversion.

    Ashton und Lee spekulieren in ihrer Studie über die Ursachen für die beobachteten Unterschiede: „Es liegt nahe, dass man, wenn man mehr Geschwister hat, häufiger kooperieren muss, anstatt egoistischen Präferenzen zu folgen.“ Dies könnte dann die Entwicklung von kooperativen Tendenzen im Allgemeinen fördern. „In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Ehrlichkeit-Bescheidenheit als auch Verträglichkeit positiv mit der Größe der Geschwisterschaft zusammenhängen, beinhaltet eine solche Entwicklung kooperativer Tendenzen offenbar sowohl die Tendenz, andere nicht auszubeuten (Ehrlichkeit-Bescheidenheit), als auch die Tendenz, auf wahrgenommene Ausbeutung durch andere nicht übermäßig zu reagieren (Verträglichkeit)“, heißt es weiter.

    Insgesamt widerlege die Studie bisherige Untersuchungen, die keinen Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Geburtenreihenfolge gezeigt hatten: Ihre Daten deuteten darauf hin, „dass sich die Ausprägung von Persönlichkeitsmerkmalen in Abhängigkeit von der Reihenfolge der Geburt und der Größe der Geschwisterschaft unterscheidet“. (Alice Lanzke, dpa)

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