Der Golfstrom wird bis zum Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich nicht zusammenbrechen, aber deutlich schwächer werden. Das folgern Wissenschaftler aus Simulationen unter extremen Klimabedingungen, wie sie in der Fachzeitschrift Nature schreiben. Keines der Modelle zeigte einen Kollaps der sogenannten Atlantischen Umwälzbewegung (abgekürzt Amoc für Atlantic Meridional Overturning Circulation), zu der auch der Golfstrom gehört.
Nord- und Westeuropa haben es vor allem dem Golfstrom zu verdanken, dass dort mildere Temperaturen herrschen als in Sibirien oder Kanada, die auf vergleichbaren Breitengraden liegen. Denn als Teil eines globalen Systems von gewaltigen Meeresströmungen bringt der Golfstrom viel Wärme aus den Tropen in den Nordatlantik. Auch auf das Weltklima insgesamt und die globale Niederschlagsverteilung hat die Atlantische Umwälzbewegung große Auswirkungen.
Süßwasser vom schmelzenden Eisschild Grönlands wirkt sich aus
Zahlreiche Studien zeigten bereits, dass die Amoc schwächer werden wird: Zum einen erwärmt sich der Nordatlantik stärker als die tropischen Meere, sodass das Wasser aus dem Süden nicht so stark abkühlen kann. Zum anderen sorgt Süßwasser vom schmelzenden Eisschild Grönlands dafür, dass der Nordatlantik weniger salzhaltig ist. Beides verringert das Absinken großer Wassermassen in tiefere Schichten – was als wichtiger Antrieb für die Umwälzzirkulation gilt.
Die Gruppe um Jonathan Baker vom Met Office in Exeter in Großbritannien kommt in ihrer Studie nun zu dem Schluss, dass die Amoc aber trotzdem weiter zirkulieren wird – und zwar, weil das Strömungssystem maßgeblich auch durch starke Winde im Südlichen Ozean (Südpolarmeer) angetrieben wird.
Baker und Kollegen nutzten 34 Computermodelle aus dem Klimamodell-Vergleichsprojekt CMIP6. Mit ihnen simulierten sie zwei extreme Szenarien bis 2100: einerseits eine Vervierfachung der Kohlendioxidmenge in der Atmosphäre gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter, andererseits große Mengen Süßwasser, die als Schmelzwasser in den Nordatlantik fließen. Zudem konzentrierten sie sich auf die Orte, an denen das Wasser der kalten Tiefenströmung wieder an die Oberfläche gelangt.
„Wir haben gezeigt, dass der durch den Wind angetriebene Auftrieb im Südlichen Ozean einen Amoc-Zusammenbruch unter extremen Klimabeeinflussungen in CMIP6-Klimamodellen verhindert“, schreiben die Studienautoren.
Die starken Westwinde im Südpolarmeer, die im Zuge des Klimawandels voraussichtlich stärker werden, treiben demnach das Oberflächenwasser, sodass Tiefenwasser nachströmt. Die Forscher identifizierten durch die Simulationen diesen Teil der Amoc als wichtigen Antrieb der Umwälzzirkulation.
In einem Kommentar, der ebenfalls in Nature erschienen ist, schreibt Aixue Hu vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado, dass die Studie einen plausiblen Mechanismus darstellt. Dennoch könnten auch weitere Faktoren eine Rolle spielen, die in den Simulationen nicht berücksichtigt worden seien.
Eine starke Abschwächung wäre ähnlich schlimm wie ein Kollaps
Außerdem gebe die Studie keine Entwarnung für die Amoc, meint Hu: „Selbst eine Verringerung der Stärke um nur 50 Prozent würde zu einem starken Rückgang des Wärmetransports führen, der das regionale und globale Klima verändern würde.“ Eine Amco-Schwächung in dieser Größenordnung zeigen viele der Simulationen.
Niklas Boers von der TU München hält die Studie für „methodisch und technisch sehr gut“ gemacht. Er weist darauf hin, dass sich bei einer starken Abschwächung der Amoc nicht nur Europa stark abkühlen würde. Es dürften sich auch die Niederschlagsmuster in den Tropen ändern und die Monsunsysteme in Südamerika, Afrika und Asien verschieben. „Praktisch – also aus Perspektive der Folgen – wäre eine starke Abschwächung ähnlich schlimm (wie ein Kollaps)“, meint Boers, der Professor für Erdsystemmodellierung ist.
Ähnlich sieht es Jonathan Bamber von der University of Bristol in Großbritannien: „Ein Zusammenbruch der Amoc wäre verheerend für die Zivilisation, daher ist es verständlich, dass viel Aufmerksamkeit darauf gerichtet wurde, ob dies in naher Zukunft passieren könnte, aber eine Schwächung der Amoc sollte ebenfalls Anlass zur Sorge geben.“ (Stefan Parsch, dpa)
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