Arthur und Lucas, Pianisten gelten ja eigentlich als Einzelkämpfer an den Tasten. Sie beide könnten auch genauso gut als Solisten durch die Welt reisen. Warum sind Sie trotzdem so oft gemeinsam unterwegs, als Duo am Konzertflügel?
LUCAS: Wir sind einfach sehr froh, dass wir die vielen Reisen und die ganze Karriere nicht allein bewältigen müssen. Ja, auf der Bühne ist es immer schön und man ist auch als Solist im Moment des Konzerts nie allein. Aber drumherum gibt es viele Aufgaben, die man normalerweise für sich selbst lösen muss.
Stimmt es, dass Sie beide im selben Haus wohnen, in Amsterdam? Hilft das bei der Arbeit zu zweit?
ARTHUR: Das stimmt nicht ganz, aber wir wohnen sehr nah beieinander, gleich gegenüber. Wenn wir die Fenster öffnen, können wir fast zusammen spielen. Wir beide haben jeweils ein Klavier in unseren kleinen Appartements in Amsterdam. Und dann stehen da noch zwei Klavieren bei unseren Eltern. Dort treffen wir uns auch noch oft, um zu proben, aber auch, um unsere Eltern zu besuchen. Und dann bringen wir die Wäsche mit, damit Mama alles schön für uns wäscht (lacht). Nein, das war nur ein Spaß.
Zeit für ein Kompliment: Lucas, was schätzen Sie an Arthur als Musiker? Arthur, was schätzen Sie an Lucas als Musiker?
ARTHUR: Oh, ich schätze sehr viel an Lucas als Musiker, und in jedem Konzert inspiriert er mich durch seine Art. Lucas‘ Spiel ist sehr natürlich für mich, seit meiner Kindheit habe ich es fast jeden Tag gehört. Seine Sprache ist mir sehr vertraut, sie ist für mich natürlich und ich lerne trotzdem viel von ihm. Wir sagen einander auch vor jedem Konzert: Spiel‘ mit sehr viel Risiko! Such‘ die Extreme! Was uns musikalisch verbindet, ist aber schwer in Worten zu erklären. Oft kommen Zuschauer nach einem Konzert zu uns und sagen dann: „Lucas, du bist der romantische Spieler, und Arthur, du bist der rationale von euch beiden.“ Aber schon beim nächsten Konzert sagt ein anderer Zuhörer genau das Gleiche – nur exakt andersherum, Lucas der Rationale, Arthur der Romantische. Das ist uns schon so oft passiert und das zeigt nur, wie schwierig es ist, in Worten zu erklären, wie ein Mensch musiziert. So, und jetzt musst du etwas über mich sagen. (lacht)
LUCAS: Es ist ja nicht so, dass wir in jeder Minute eines Konzerts denken, ach, was spielt der andere doch schön, was spielt der andere doch gut. Ich weiß, dass es gut ist, weil es so gut funktioniert. Und weil wir das auch im Publikum spüren, weil es uns das spiegelt. Arthur hat in seinem Spiel aber vor allem eine unglaubliche Beständigkeit und eine sehr große Disziplin, er erwartet immer viel von sich. Das beginnt schon beim Proben, beim Einspielen und auch in anderen Aspekten, die wichtig sind, um so ein hohes Niveau immer zu erreichen. Die Konstanz in Arthurs Niveau ist unglaublich, das bewundere ich sehr. Es wäre ganz natürlich, wenn es auch mal schwanken würde, aber das ist bei ihm nie so. Da ist nur ein Prozent Unterschied von einem Tag zum anderen. Das motiviert und inspiriert mich.
Kleiner Bruder Arthur, großer Bruder Lucas, meistens zu zweit – gab es Phasen in Ihrem Leben, in denen Sie bewusst Abstand voneinander gesucht haben?
ARTHUR: Wir beiden haben sehr viel Glück, dass wir sehr gut miteinander können. Wir haben Spaß am Klavier, aber auch am Leben zusammen, nach einem Konzert trinken wir oft noch ein Bier in einer Bar, gucken Fußball. Das lieben wir, weil wir uns mögen. Und das nimmt auch nichts davon weg, dass wir uns individuell entwickelt haben. Die wichtigste Zeit, was das betrifft, war nach dem Studium. Lucas ist damals für vier Jahre ins Ausland gezogen, zwei Jahre Amerika, dann Madrid, Spanien. Viele haben da gesagt: Uiuiui, jetzt geht er und ihr seid nicht mehr „24/7“ beieinander, oh, das wird schwierig. Aber wenn wir jetzt zurückblicken, war das eine der besten Zeiten für uns, da wir uns damals super entwickelt haben, jeder für sich und auch unterschiedlich. Als wir danach wieder gemeinsam gespielt haben, hatten wir so viele frische Ideen, so viel Freude.
Jetzt treten Sie als Duo beim Augsburger Mozartfest auf und spielen dort auch die Sonate KV 381 von Wolfgang Amadeus. Die hatte er einst für seine Schwester Nannerl und sich selbst geschrieben. Welche Gefühle verbinden Sie mit Mozart?
LUCAS: Wir bewundern Mozart unglaublich. Auch seine Familie fasziniert uns, die Schwester Nannerl und Vater Leopold. Wir wissen, dass wir natürlich nicht genau so sind wie Wolfgang und Nannerl, vor allem weniger talentiert und intelligent (lacht). Aber manchmal, wenn wir Mozart-Werke zu zweit üben, dann denken wir: So haben die beiden auch beieinander gesessen. Ich hoffe, dass der Spaß, den wir in dieser Musik suchen, auch Mozarts Intention war. Das Schöne ist, dass fast jedes Werk von ihm – obwohl er später in seinem Leben auch dramatischer geschrieben hat und ernster – eine klare, fröhliche Energie ausstrahlt. So wie oft auch sein Charakter beschrieben wird. Das Niveau der Musik muss gut sein, wir üben natürlich alles sehr seriös und wollen im Konzert das Beste geben. Aber im Hinterkopf haben wir auch Mozarts fröhliches Wesen. Wir sehen ihn und seine Schwester Nannerl zusammen am Klavier, mit einem Lachen im Gesicht.
Ihr weiteres Programm in Augsburg klingt tänzerisch: Maurice Ravels „La Valse“ und Igor Strawinskys „Sacre du printemps“. Vor allem „Sacre“ gilt als gigantisches, bahnbrechendes Ballett-Werk. Wie haben Sie sich diesem Koloss genähert?
ARTHUR: Das sind zwei geniale Stücke! Es sind ursprünglich Orchesterwerke, aber beide Komponisten haben daraus selbst eine Fassung für zwei Klaviere verfasst. Das zeigt, dass sie auch an diese Fassung geglaubt haben, und das ist uns wichtig. Natürlich haben wir den Orchesterklang im Ohr, aber letztendlich wollen wir kein Orchester imitieren. Wir wollen die Schönheit zeigen, die das Klavier zeigen kann. Beide Stücke sind bis heute so unglaublich modern. Wenn man diese Musik hört, klingt sie eigentlich noch immer progressiv, erneuernd, erstaunlich. Was uns bei „Sacre“ wichtig ist: Dass diese animalistische Rhythmik wie ein Tanz klingt, also ganz natürlich. Die großen Ballette, die zu der Musik inszeniert wurden, diese unglaublich wichtigen Choreografien behalten wir als Bild im Hinterkopf. Wir müssen im Konzert sitzen bleiben, aber wir versuchen, den Tanz zu fühlen.
Zu den Personen
Lucas (geboren 1993) und Arthur Jussen (geboren 1996) stammen aus Hilversum in den Niederlanden. Sie spielten schon als junge Talente mit Orchestern wie dem Koninklijk Concertgebouworkest sowie mit weltbekannten Solisten wie Starpianist Lang Lang. Zudem haben sie Konzerte auf Einladung der ehemaligen niederländischen Königin Beatrix gegeben. Jetzt treten sie beim Augsburger Mozartfest auf, in einem Konzert am Samstag, 24. Mai, um 19.30 Uhr in der Kirche ev. St. Ulrich. Infos unter www.mozartstadt.de/mozartfest.
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