Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Kirchenhistoriker zum Konklave in Rom: Kardinäle geben ihre Stimme vor dem „Jüngsten Gericht“ Michelangelos ab

Konklave in Rom

Kirchenhistoriker Claus Arnold: „Das Konklave ist großes Welttheater“

    • |
    • |
    • |
    Großes Welttheater: Kardinäle kommen vor dem Konklave zu einer Messe in den Petersdom.
    Großes Welttheater: Kardinäle kommen vor dem Konklave zu einer Messe in den Petersdom. Foto: Andrew Medichini, AP/dpa

    Herr Professor Arnold, heute beginnt das Konklave in Rom, 130 Männer gehen in die Sixtinische Kapelle, nichts dringt nach draußen und am Ende gibt es schwarzen oder weißen Rauch, der darüber Auskunft gibt, wie die Wahl gelaufen ist. Eine große Inszenierung. Sie haben sich mit der Inszenierungskunst der Katholischen Kirche näher beschäftigt. Wie kam es dazu?
    PROF. CLAUS ARNOLD: Dieses Thema hat sich mit dem Pontifikatsbeginn von Franziskus aufgedrängt, weil er die symbolische Kommunikation bewusst gewählt hat. Da hat man sich noch einmal verstärkt gefragt, wie sich das in der Geschichte des Papsttums entwickelt hat. Wie haben Päpste an diesen Inszenierungen gearbeitet, wie hat sich die Inszenierung durch die moderne Medialisierung verändert? Man hat gerade auch in der Abfolge von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus gesehen, dass Päpste tatsächlich bewusst auf diese Momente der Inszenierung setzen, um die Menschen zu mobilisieren und ihre Botschaft zu vermitteln.

    Sie haben einen deutlichen Stilwandel während des Pontifikats von Franziskus festgestellt. Woran machen sie den fest?
    ARNOLD: Er hat im Grunde genommen mit bestehenden Konventionen gebrochen. Das begann mit seinem ersten Auftritt auf dem Balkon ohne Stola und Mozetta. Er sagte einfach „Buonasera“, er beugte sich und bat das Volk, für ihn zu beten, das waren starke Akte symbolischer Kommunikation. Das setzte sich fort mit seinem Auto, mit der Wahl seines Wohnortes und betraf auch liturgische Elemente wie die Fußwaschung am Gründonnerstag, die er nicht nur an Männern, sondern auch an Frauen und Menschen anderer Konfessionen vorgenommen hat. Er hat die letzten Reste des höfischen Zeremoniells, die noch aus der Tradition des Papstkönigs stammten, weitgehend beseitigt und dafür seine charismatische Autorität viel stärker betont als die traditionellen und zeremoniellen Elemente des Amtes.

    Wird sich dies erhalten?
    ARNOLD: Man muss abwarten, wie nun die Wahl ausgeht, aber ein Papst, der nicht über ein so starkes persönliches Charisma verfügt wie Franziskus, der eher ein Verwalter und Bewahrer ist, wird wohl wieder die zeremoniellen Elemente seines Auftritts verstärken. Man wird es gleich am Anfang sehen: Kommt er auf den Balkon heraus in Weiß oder mit Mozetta und Stola. Schon dieser Akt auf dem Balkon setzt einen Marker. Das ist das Erbe von Franziskus.

    Aber davor steht nun das Konklave, das ja auch ein Teil der Inszenierung des Papsttums ist.
    ARNOLD: Was uns damit vorgeführt wird, ist ein geregelter Herrschaftswechsel. Die Regeln dafür sind von Johannes Paul II. in einem langen Dokument festgehalten worden und von Benedikt XVI. ergänzt worden. Die Kirche ist eine sehr alte Institution und hat, auch aus schmerzhafter Erfahrung, einen bis ins Kleinste geregelten Übergang von einem Papst zum anderen festgelegt, damit nichts schiefgeht.

    Teil dieser Festlegung ist auch die Sixtinische Kapelle. Welche Bedeutung hat es, dass die Papstwahl genau dort stattfindet?
    ARNOLD: Das ist richtig, Johannes Paul II. hat die Sixtinische Kapelle in seinem Dokument noch einmal ausdrücklich als exklusiven Ort für die Papstwahl festgeschrieben. Man gibt dort praktisch den Stimmzettel vor dem „Jüngsten Gericht“ von Michelangelo ab, damit wird noch einmal die Bedeutungsschwere dieses Aktes bewusst gemacht. Tatsächlich sollen kirchliche Wahlen den Willen Gottes zum Ausdruck bringen. Nun ist der Wille Gottes schwer zu ermitteln, deshalb wird gesagt, dieser drücke sich in der Übereinstimmung aus. Dieser Gedanke des Konsenses, der den Willen Gottes erahnen lässt, drückt sich in der Minimalanforderung einer Zweidrittelmehrheit aus. Und durch die Sixtinische Kapelle als Wahlort wird dies unterstrichen: eine Wahl in einem sakralen Raum, weil die Papstwahl auch ein sakraler Vorgang ist.

    Das Konklave ist in jüngerer Zeit auch einem größeren Publikum nahegebracht worden durch Ewald Bergers Film „Konklave“. Was tragen denn die Medien zur Inszenierung des Papsttums bei?
    ARNOLD: Die Inszenierungen der Kirche haben durch die Medien eine viel größere Reichweite erlangt. Früher hat es nur in die Schar der Teilnehmer gewirkt, heute sind Ereignisse wie Reisen des Papstes, sein Tod oder eben das Konklave zum Weltevent geworden. Das Konklave ist ein großes Welttheater, eines dieser raren, nur alle zehn oder zwanzig Jahre stattfindenden Events, die auch über die Gläubigen hinaus Interesse finden.

    Die Inszenierungskunst der Katholischen Kirche lässt sich ja nicht nur am Papsttum festmachen. Gehört sie, salopp gesagt, zum Markenkern der Katholischen Kirche?
    ARNOLD: Als Theologe geht mir das Wort Markenkern nicht so leicht über die Lippen, obwohl es mittlerweile einen religiösen Markt gibt, auf dem man sich behaupten muss. Aber das Papsttum lässt sich eben sehr gut inszenieren durch diese einsame Spitze, die weltweit als universaler Hirte auftreten kann. Eine hierarchisch strukturierte Kirche, die auf diese Spitze mit universalem Anspruch zugeschnitten ist, lässt sich leichter inszenieren und symbolisch darstellen als die reformatorischen Kirchen ohne dieses Element. Da lässt sich eine einzelne Person stark aufladen mit Bedeutung und das kann Dynamik in eine Veranstaltung bringen. Natürlich kann man auch sehr schöne liturgische Feiern erleben ohne den Papst, aber verbunden mit der großen liturgischen Tradition ist dieses Potenzial eben da. Die Massenmobilisierung ist andererseits ein Signum des 20. und 21. Jahrhunderts, da halten auch die anderen Konfessionen mit, denken sie nur an den vergangenen Kirchentag in Hannover.

    Aber warum braucht es die Inszenierung und Massenveranstaltungen für die Glaubenserfahrung überhaupt?
    ARNOLD: Natürlich bleiben bloße Inszenierungen ohne einen spirituellen Kern wirkungslos. Der Mensch ist aber ein Sinneswesen, wir sind nicht nur vom Verstand gesteuert, sondern auch vom Gefühl. Man kann auch mit den Sinnen den Boden für eine Botschaft bereiten. Man sieht das ja z. b. auch an den bayerischen Barockkirchen, wenn sich da der Himmel über einem öffnet und man quasi in die Herrlichkeit Gottes blickt. Diese Inszenierungen sprechen aber nicht nur die Sinne an, sondern auch den Glauben als Gemeinschaftserlebnis, denken Sie nur auch an die Veranstaltungen auf dem Petersplatz, wo Massen von Menschen zusammenkommen, etwa bei den Audienzen, die mit Liturgie gar nichts zu tun haben. Die liturgische Feier ist zwar kein Theater, aber doch ein heiliges Spiel, an das man anknüpfen kann. Ich würde sagen, durch die liturgische Tradition der Katholischen Kirche ist das Bewusstsein geschärft für die Möglichkeiten, wie durch Ritual, Farbe, Gesang und Zeremonien Inhalte transportiert werden können. Insofern ist die Inszenierung der Katholischen Kirche mit ihrer großen liturgischen Tradition eher in die Wiege gelegt als den reformatorischen Kirchen.

    Der Kirchenhistoriker Claus Arnold, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Der Kirchenhistoriker Claus Arnold, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Foto: Peter Pulkowski/JGU

    Zur Person

    Claus Arnold, geboren 1965 in Ravensburg, studierte Theologie an der Universität Tübingen. Seit 2014 ist er Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte/Religiöse Volkskunde an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden