Akamus führt vor, wie man Mozart unter Spannung setzt
Beim jüngsten Augsburger Auftritt zeigte die Akademie für Alte Musik Berlin einmal mehr, weshalb sie zu den aufregendsten Originalklang-Ensembles gehört.
Gott sei Dank sah der musikalische Geschmack im vorrevolutionären Paris nicht auch noch zwingend Posaunen vor für eine gestandene Sinfonie, sonst wäre die Kapazitätsgrenze überschritten worden auf der Bühne des Kleinen Goldenen Saals. War so schon eng genug für die Akademie für Alte Musik Berlin, die mit rund drei Dutzend Musikerinnen und Musikern die Fläche füllte. Aber was will man machen, wenn Mozarts D-Dur-Sinfonie KV 297, für Paris 1778 geschrieben, nun mal keine salzburgisch-schmale, sondern eine üppig-weltstädtische Besetzung erfordert mit Trompeten, Pauken und ein um Klarinetten erweitertes Holzbläser-Register? Und nebenbei: Ein wenig Klangpracht darf auch als angebracht erscheinen in diesem laufenden Jahr, in dem die Akademie für Alte Musik ihr 40-jähriges Bestehen feiert.
Ein dialektisches Musizieren, wie es Mozart gut zu Gesicht steht
Akamus, wie sich das auf Originalinstrumenten spielende Orchester kürzelt, ist eines der herausragenden Ensembles der historisch informierten Aufführungspraxis, das wird durch das Konzert in Augsburg, wo die Berliner seit ein paar Jahren regelmäßig zu Gast sind, einmal mehr unterstrichen. Orchesterkultur beschränkt sich hier nicht nur auf technische Brillanz, die sich zum Akamus-typischen Vorwärtsdrang bündelt, sondern geht Hand in Hand mit einer musikalisch so spannungsreichen wie schlüssigen Gestaltung. Der eröffnende Satz von Mozarts Pariser Sinfonie führt das beispielhaft vor. Monumental geschmettert das Hauptthema, wie Mozart es bewusst kalkulierte – aber eben doch nicht ins rein Pompöse abgleitend. Denn in Sekundenbruchteilen wird die rauschhafte Gebärde zurückgenommen, folgt auf die Forte-Akklamation das dynamisch abgedämpfte Hinterfragen: Ein dialektisches Musizieren, das Mozart, womöglich der Komponist des aufgeklärten Zeitalters, bestens zu Gesicht steht.
Von solchen Interpretationsqualitäten der Akademie profitiert auch ein Werk wie Mozarts Oboenkonzert. Schon gar, wenn die Solistin Xenia Löffler heißt, selbst Akamus-Mitglied, aber eben auch anerkannte Spezialistin fürs virtuose Spiel auf der klappenlosen historischen Oboe. Auch bei Mozart ist Löffler ein Souverän ihres Instruments, makellos die Intonation, farbenreich die Tonpalette, voll musikantischer Formulierungslust in den Solo-Eingängen des finalen Rondos. Bezeichnend aber auch, dass Löffler nicht die abgehobene Virtuosin gibt, sondern sich als Bestandteil eines Kollegiums versteht, durch Blick und Geste bewusst den Kontakt mit dem Orchester sucht und so Impulse setzt und reflektiert.
Eine Polonaise mitten in der Sinfonie
Großes Orchestertheater dann wieder mit der Sinfonie op. 36 von Paul Wranitzky. Nicht nur die Tonart D-Dur hat diese Sinfonie mit Mozarts „Pariser“ gemein, auch die Pauken- und Trompeten-Grandeur und die auffahrenden Streicher im ersten Satz. Wranitzky, wie Mozart vom Jahrgang 1756 und in Wien bestens bekannt mit Wolfgang Amadé, geht in den beiden Binnensätzen allerdings andere sinfonische Wege, gibt stärker volkstänzerischen Einflüssen Raum, im dritten Satz seiner Sinfonie etwa einer (am Ende auch für zugabenwürdig befundenen) Polonaise, die Akamus-Konzertmeister Bernhard Forck und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter als derb-gewitztes Kabinettstück präsentieren.
Überhaupt muss hier noch ein Satz über diesen Konzertmeister gesagt werden, der einen Dirigenten mehr als ersetzt. Denn mit seiner Geige, die er gar nicht selten als regelrechtes Vorführ-Instrument gebraucht, hat Forck maßgeblichen Anteil an der niemals langweilenden Klangrede seiner Akademisten. Nie kommt bei Forck eine Wiederholung innerhalb eines Satzes, ob nun im duftigen Andante der finalen „Haffner“-Sinfonie oder ebendort im Dreiklang-geprägten Menuett, in völlig gleicher Ausführung daher, das wäre diesem Primus inter Pares zu platt. Mozarts Musik dankt es. Die hingerissene Hörerschaft tut es ebenfalls.
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