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Konstantin Wecker in Gersthofen: Er präsentiert die Lieder seines Lebens

Konzert

Der Rebell und die späte Liebe: Konstantin Wecker präsentiert die Lieder seines Lebens

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    Sprechen geht, Singen auch, nur Klavierspielen nicht: Konstantin Wecker in der Stadthalle Gersthofen mit seinem Klavierpartner Jo Barnikel.
    Sprechen geht, Singen auch, nur Klavierspielen nicht: Konstantin Wecker in der Stadthalle Gersthofen mit seinem Klavierpartner Jo Barnikel. Foto: Marcus Merk

    Es herrscht andächtige Stille im großen Saal der Gersthofener Stadthalle. Konstantin Wecker sitzt an einem kleinen Tisch und liest neue Texte. Und er erzählt von sich, seiner Frau, seinen Kindern und dem Verhältnis zum geliebten Vater, letzteres unterlegt mit Puccinis „Nessum Dorma“. Es klingt wie eine Art Lebensbilanz. Die Stimmung ist intimer als bei früheren Auftritten. Fans, die ihn länger nicht mehr gesehen haben, wundern sich über die Wandlung des Künstlers.

    Der barocke, vor Kraft strotzende Macho früherer Jahre, der sich stundenlang, oft auch aufgeputscht und schweißüberströmt durch sein Programm trieb, hat sich in einen weisen 77-Jährigen verwandelt, bei dem man das Gefühl hat, er singt nicht nur fein Gereimtes, sondern er ist auch erfüllt davon. Es geht ums Tun und nicht ums Siegen - und es geht um die Liebe, und dass Hass und Wut keine Lösungen im Leben sind. Kurz und gut: Es geht bei Wecker ums große Ganze. Und seine Botschaften waren vielleicht noch nie so wichtig wie heute, wo sein Traum von einer herrschaftsfreien Welt wie eine Laterne in dunkler Zeit wirkt.

    Die Finger gehorchen Konstantin Wecker nicht mehr wie früher

    Es ist erst das zweite Konzert nach einer gesundheitlich bedingten Auszeit. Wecker musste im vergangenen Jahr eine Operation am Rücken über sich ergehen lassen, begab sich in Reha und – das ist tragisch: Er kann aktuell nicht Klavierspielen. Denn die Finger gehorchen ihm nicht mehr wie früher. Wecker ohne Flügel, das ist wie ein Baum ohne Borke oder ein Meer ohne Strand. Wie es den großen Liedermacher schmerzen muss, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Klavier begleiten kann, das kann man nur erahnen. Auf der Bühne stellt der Münchner diese Befindlichkeit nicht zur Schau, erwähnt das Thema nur am Rande, um dem Publikum die Situation zu erklären, warum nur ein Instrument auf der Bühne steht, an dem Jo Barnikel sitzt.

    Wecker konzentriert sich auf seinen Gesang und die Texte, und das ist im Paket mit dem wundervollen Pianisten Barnikel dann immer noch eine ganze Menge Leben auf der Bühne. Barnikel hat in den energiegetriebenen Stücken zwar nicht die Wucht Weckers, in den leisen Passagen aber schweben die Töne wie kleine Sterne durch den Raum. Wecker selbst setzt sich nur bei zwei Stücken zu Barnikel und spielt die Melodie.

    Konzert in Gersthofen: Poetische Glanzstücke des Liedermachers

    Das Programm trägt wie im vergangenen Jahr den Titel „Lieder meines Lebens“, doch es ist in weiten Bereichen neu zusammengestellt. Und Konstantin Wecker gibt in diesem Konzert sehr persönliche Einblicke in sein Leben und Schaffen. Über 600 Lieder hat er in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben. Mit dem neuen kammermusikalischen Programm präsentiert er seine persönlichen poetischen Highlights, von den Anfängen bis heute.

    Und es ist fast verstörend, wie jahrzehntealte politische Lieder wie „Questa nuova realtà“, „Sag Nein“ oder auch über die „Weiße Rose“ an Aktualität gewonnen haben. In einer Zeit, in der die Demokratien dieser Welt von neofaschistischen und autokratischen Herrschaftsfantasien bedroht sind, setzt er seine anarchischen Träume im besten Sinn dagegen: „Wir brauchen eine neue Bewegung der Menschlichkeit!“

    Der „Willy“ gehört nicht zu Weckers Programm

    Wecker erzählt von seinen lyrischen Vorbildern, vom Schriftsteller Erich Mühsam, der Dichterin Mascha Kaléko oder dem italienischen Filmregisseur Pier Paolo Pasolini. Er singt Hannes Waders Antikriegslied „Es ist an der Zeit.“ Sein ältestes Antifaschistenlied, die „Ballade vom Willy“ über einen Freund, der von einem Rechtsradikalen erschlagen wird, spielt er nicht mehr. Bei dem Stück müsse er selbst am Klavier sitzen, hat er in einem Interview erklärt.

    Die gereifte Wecker trägt auf dieser Tournee erstmals seine wunderschönen Elegien aus dem Jahr 1980 vor, die er, wie er erzählt, im Rausch geschrieben hat, und von denen er bis heute nicht weiß, wie das geschah. „Ich bin aufgewacht, erinnerte mich an nichts mehr und da lagen die Zettel mit meiner Handschrift.“ Er singt Liebeslieder, nicht seine bekannten, sondern vergleichsweise neue wie „Eins mit deinem Traum“. Es sind Zeilen wie „Es duftet nach Akazien und dein Lächeln duftet auch“, mit denen er sich in die Herzen von Tausenden Frauen gesungen hat. Und mit dem Herzen will er auch das Böse in der Welt überwinden: „Besiegen wir den Hass mit Zärtlichkeit!“

    Ausklang in Gersthofen mit „Caruso“

    Am Ende der über zweieinhalb Stunden verabschiedet sich das Duo Wecker/Barnikel mit „Caruso“, dem grandiosen Welthit von Lucio Dalla, den Wecker deutsch betextet hat, sowie dem zauberhaften „Buonanotte Fiorellino“. Und vielleicht übersetzt ja irgendjemand Typen wie Trump oder Putin Weckers abschließenden Text „Wia a Tropferl im Meer“, in dem es heißt: „Und i werd ganz kloa, kumm ma winzig vor, fast als gabat´s mi nimmer mehr. Und i schenk mi her,/ bin ois und neamands mehr, nur a Tropferl im Meer.“

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