Vor neun Jahren scheiterte Ben Affleck mit „Batman vs Superman“ in der Rolle des trübsinnigen Fledermausmannes auf geradezu epische Weise. Aber noch im selben Jahr konnte er sein Comeback als Action-Star feiern. In Gavin O'Connors „The Accountant“ spielte er den Buchhalter Christian Wolff, der die Bilanzen von Drogenkartellen, terroristischen Netzwerken und Mafiaorganisationen frisierte, um die schlimmsten Missetäter durch Insider-Tipps an die Steuerbehörde auffliegen zu lassen. Seine ungerührte Batman-Mimik konnte Affleck gleich beibehalten. Denn die Figur des begnadeten Geldwäschers war im autistischen Spektrum angesiedelt. Rückblenden berichteten von einer qualvollen Kindheit, in welcher der knallharte Army-Vater den am Asperger-Syndrom leidenden Sohn traktierte und zum schlagkräftigen Nahkämpfer ausbilden ließ. Von „Rain Man“ (1988) über „A Beautiful Mind“ (2001) bis zu „I am Sam“ (2001) hatte Hollywood das Thema Autismus nach Kräften verkitscht. „The Accountant“ lieferte nun den Brückenschlag zum Action-Genre, indem er Zahlengenie und Kampfmaschine miteinander verschmelzen ließ.
In „The Accountant 2“ gerät eine Familie in die Fänge von Menschenhändlern
Beim Kramen in der hauseigenen intellektuellen Schatzkiste sind die Warner-Studios wieder auf den schlagkräftigen Buchhalter gestoßen, der dort geduldig auf sein überfälliges Sequel wartete. Statt sich mit Bösewichten herumzuprügeln, widmet sich Wolff zu Beginn von „The Accountant 2“ einer weitaus beängstigenderen Tätigkeit: Beim Speed-Dating stehen die Frauen vor dem Tisch des gut aussehenden Finanzberaters Schlange. Aber mit seinen strikt objektiven Antworten auf emotionale Fragen vergrault er eine Bewerberin nach der anderen. Ohnehin hat er mehr Spaß daran, den Algorithmus der Dating-App des Veranstalters zu knacken. Ein Anruf der Steuerfahnderin Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson) erlöst ihn von seinen zwischenmenschlichen Anstrengungen. Ihr früherer Chef Ray King (JK Simmons) wurde ermordet und als Vermächtnis hat er einen undurchsichtigen Fall um eine Familie aus El Salvador hinterlasssen, die in die Fänge von Menschenhändlern geraten ist.
Als Titelheld beschafft sich Ben Affleck seine Informationen illegal
Als Staatsdienerin ist Medina dem Gesetz verpflichtet und schockiert über Wolffs illegale Methoden der Informationsbeschaffung, die von gewalttätigen Zeugenvernehmungen bis zum Hacken privater Nutzerdaten reichen. Zur digitalen Recherche hat Wolff tatkräftige Unterstützung von einer Schule für autistische Jugendliche, deren Campus deutlich an Xaviers „Institut für begabte Kinder“ aus den X-Men-Filmen erinnert. In Windeseile finden die hochbegabten Computer-Nerds per Gesichtserkennung eine Zielperson und setzen deren Smarthome-Software zur Ablenkung ein, um auf ihrem Notebook das gesuchte Beweisfoto heimlich herunterzuladen. Wolff ist in diesem Sequel kein einsamer Einzelkämpfer mehr, sondern kann sowohl auf die Hilfe der Autisten-Community als auch seines Bruders Brax (Jon Bernthal) zurückgreifen.
Im ersten Film sind die beiden im Finale aufeinandergestoßen und nun wird die Beziehung der Brüder zum Kern von „The Accountant 2". Aus der Dysfunktionalität der eigenen Familie und dem traumatischen Abhärtungstraining des Vaters haben sie sich in diametral entgegengesetzte Richtungen entwickelt. Während Christian sich in eine Festung eingemauert hat, die er nur punktuell verlässt, ist Brax ein extrovertierter Macho und Berufskiller mit soziopathischen Zügen. Mit Verve und Selbstironie wirft sich Bernthal in die toxische Männlichkeit seiner Figur, zu der Afflecks No-Nonsense-Performance den idealen Kontrast bietet. Aus dem Clash der konträren, maskulinen Temperamente bezieht „The Accountant 2“ sowohl seine oftmals schwarzhumorige Komik als auch einige glaubwürdig emotionale Momente. Die unterhaltsamen Szenen, in denen die beiden Brüder zusammen abhängen und darum ringen, sich ihre gegenseitige Zuneigung einzugestehen, wiegen den mageren Krimiplot auf, der erneut aus einem unübersichtlichen Konvolut aus Genre-Versatzstücken zusammengesetzt ist.
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