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Neue Ausstellung im Lenbachhaus: Wie Künstler den Wandel der Natur festhalten

Malerei

Nichts bleibt, wie es ist, schon gar nicht in der Natur

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    Eine der zahlreichen Wolkenstudien von Johann Georg von Dillis.
    Eine der zahlreichen Wolkenstudien von Johann Georg von Dillis. Foto: Lenbachhaus/Historischer Verein von Oberbayern

    Ein solcher Titel verfängt natürlich in unseren alarmierten Köpfen. „Was zu verschwinden droht, wird Bild.“ Ob aber dieser Titel – entlehnt wurde er von dem Schriftsteller Klaus Modick – auch klug gewählt ist für die jüngst eröffnete neue Ausstellung im Münchner Lenbachhaus, darf angezweifelt werden. Denn auch wenn die Schau mit den drei zusätzlich beigegebenen Worten „Mensch – Natur – Kunst“ das Thema noch ein wenig enger steckt, so bleibt doch erst einmal die Erwartungshaltung, hier würde das „Verschwinden“ zur Bedrohung und diese wiederum bildinhaltlich präsentiert. Das aber ist mitnichten der Fall. Was allerdings, das muss gleich gesagt sein, die Ausstellung nicht weniger sehenswert macht.

    Nein, keine Schwundstufen der Natur, die da eingangs der Ausstellung zu sehen sind, statt dessen Thomas Theodor Heines „Angler“ vor herrlich frisch sich kräuselndem Gewässer oder eine Frauengestalt, die hinblickt über eine sommerlich atmende Wiese in Richard Riemerschmids „In freier Natur“. Explizites „Verschwinden“ auch nicht im weiteren Verlauf. Die tiefgrünen Gärten von Johann Sperl und Wilhelm Leibl, Lovis Corinth mit dem unterm Blätterdach sitzenden „Pianist Conrad Ansorge“ oder mit dem „Walchensee bei Mondschein“, sie alle sind Bild gewordene Feiern der Natur.

    Von heute aus gesehen stellt sich Natur als bedrohtes Ökosystem dar

    Aber Karin Althaus, die Kuratorin der Ausstellung, hat es ja auch anders gemeint mit der Zeile „Was zu verschwinden droht, wird Bild“. Alles, was das Auge sieht und was Künstlers Zeichenstift oder Farbpinsel festzuhalten sucht, ist flüchtig. Natur wandelt sich – nicht zuletzt und in jüngerer Zeit bedenklich unter dem Einfluss des Menschen –, und dieser wiederum ist als Teil der Natur dem Kreislauf von Werden und Vergehen ebenso unterworfen. Corinth thematisiert es im „Selbstbildnis mit Skelett“ von 1896. Uns heutigen Betrachtern befällt beim Betrachten von Natur freilich rasch der Gedanke vom bedrohten Ökosystem. Davon jedoch waren die Maler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts noch ein gutes Stück entfernt, auch wenn bereits ihnen – und ihrem zumeist bürgerlichen Publikum – der Gang ins Freie als erholsamer Kontrast zum Dickicht der rasant wachsenden Städte galt.

    1892 schuf Thomas Theodor Heine das Gemälde „Der Angler“.
    1892 schuf Thomas Theodor Heine das Gemälde „Der Angler“. Foto: Lenbachhaus

    Dass im 19. Jahrhundert die Kunst hinauszog aus den Akademiesälen und Ateliers, gehört zu den maßgeblichen Errungenschaften der Malerei dieses Zeitalters. Keineswegs nur in deutschen Landen, im Gegenteil, Frankreich ging voran mit jenen Künstlern der sogenannten Schule von Barbizon, die sich aufmachten in den Wald von Fontainebleau unweit von Paris. Nicht nur fanden hier Maler wie Théodore Rousseau, Camille Corot, Antoine-Louis Barya und zahlreiche weitere Künstler lohnenswerte Motive in alten Bäumen, verwunschenen Lichtungen und pittoresken Felsformationen. Hier schlugen sie, ausgerüstet mit Tubenfarben und wandertauglichen Malutensilien, ihre Freiluft-Ateliers auf und schufen dunkeltonige Gemälde, die doch zugleich von der Bewegtheit der freien Natur durchpulst sind.

    Der Maler interveniert bei Napoleon III. gegen die Abholzung

    Der Begleittext zur Ausstellung schlägt zudem den Bogen zu der Tatsache, dass just damals der Wald von Fonatinebleau, einst bestimmt zum Jagdvergnügen für den Hochadel, touristisch erschlossen wurde. Ebenso aber auch, dass dem Forst schon damals zunehmend die Abholzung zusetzte – und dass neben Anderen der Maler Rousseau es war, der Napoleon III. davon überzeugte, ein tausend Hektar großes Gebiet des Waldes unter Naturschutz zu stellen, wohl mit das erste seiner Art.

    Profitiert die Schau, die ausschließlich aus den Sammlungen des Lenbachhauses schöpft, bei den Barbizon-Malern erheblich von den Dauerleihgaben der Christoph Heilmann Stiftung, so ist es an anderer Stelle der Bestand in Sachen Gabriele Münter, mit dem sich das Ausstellungsthema weiterverfolgt wird. Münter, die in ihrer frühen Zeit mit dem Malwerkzeug das Voralpenland durchstreifte: Ein Foto zeigt die Malerin von hinten, wie sie ein Fahrrad durch Wiesen schiebt, gekleidet in eines jener luftigen Reformkleider, in denen sich die Natur überhaupt erst recht erkunden ließ – und wie es auch die Frau auf dem erwähnten Riemerschmid-Bild trägt. Die Münter aber genoss nicht nur mit Blicken, sie arbeitete eifrig „plein air“, suchte das Erfasste gleich unmittelbar festzuhalten wie jene „Baumblüte in Lana“ in Südtirol: Eine Ölstudie, die in ihrem raschen Pinselduktus den nur kurzzeitigen Moment der in weißer Pracht aufschießenden Blüten zu bannen vermag.

    Dillis und seine Leidenschaft für Wolken

    Bevor die Ausstellung ans Ende gelangt mit Fritz Winters Serie „Am Wehr“ – eine Bilderreihe, die 1936 in Dießen am Ammersee entstand und wohl zum ersten Mal in einer Ausstellung gezeigt wird –, davor hat noch ein anderer Künstler einen großen Auftritt: Johann Georg von Dillis. War der Name schon zuvor angerissen als einer derjenigen, die in königlichem Auftrag das bajuwarische Seenland malerisch zu erfassen hatten, so sind dem Zeichner Dillis gleich mehrere dicht bestückte Wände gewidmet. Eine davon ist den Wolken vorbehalten: Mit Kreide vorzugsweise und vielfach auf blauem oder blaugrauem Papier fertigte der Künstler merklich fasziniert immer wieder Skizzen der unterschiedlichsten Formationen am Himmel an. Und das keineswegs immer in freier Luft, sondern gerne auch vor Wind und Wetter geschützt von seiner Dienstwohnung im Münchner Hofgarten aus – weshalb neben Wolken sich auch ab und an die Turmspitzen der Theatinerkirche mit ins Bild schieben. Hier löst sich das Diktum „Was zu verschwinden droht, wird Bild“ dann doch aufs Allerschönste ein. Denn was wäre stärker von permanenter Auflösung bedroht als ein lediglich für einen Augenblick feststehendes Wolkengebilde?

    Was zu verschwinden droht, wird Bild. Mensch – Natur – Kunst. Im Lenbachhaus München bis Ende 2026, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Donnerstag bis 20 Uhr. Kein Katalog.

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