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Malerin mit beeindruckendem Gespür für Farben: Olga Meerson im Schlossmuseum Murnau

Schlossmuseum Murnau

Fulminanter Auftritt einer Malerin: Schlossmuseum Murnau widmet Olga Meerson eine überwältigende Ausstellung

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    Das Porträt mit grüner Schärpe, entstanden um 1905, begleitete die Malerin Olga Meerson ein Leben lang.
    Das Porträt mit grüner Schärpe, entstanden um 1905, begleitete die Malerin Olga Meerson ein Leben lang. Foto: Nikolaus Steglich,Starnberg

    Man kommt diesem Blick nicht aus. Das ganze Bild zieht einen magisch an, und es ist nur zu verständlich, dass Olga Meerson dieses Selbstporträt immer um sich hatte. Vielleicht wollte die Malerin ja genau so sein? Selbstbewusst, mondän und doch auch nachdenklich, den himbeerrot geschminkten Mund zu einem kaum wahrnehmbaren Lächeln geformt. Da ist alles drin, ein Anflug von Koketterie sogar, aber vor allem der Wunsch, beachtet zu werden. Wieder gesehen zu werden, muss man sagen – fast 100 Jahre nach ihrem Tod hat man sich am Schloßmuseum Murnau dafür mächtig ins Zeug gelegt.

    Die Malerin Olga Meerson beeindruckt mit ihrem Gespür für Farben

    Und nun ist man verblüfft von einer fabelhaften Künstlerin aus dem Umkreis des „Blauen Reiters“, verblüfft von einer Frau, die ihren Kollegen manchmal voraus war, die den strengen Wassily Kandinsky und selbst den professoralen Henri Matisse beeindrucken konnte, und die ein untrügliches Gespür für Farben besaß. Egal, ob sie nun in Südfrankreich Fischerboote auf die Leinwand brachte oder ein Stillleben mit frech vor sich hin schimmelnden Zitronen – das Gros kommt übrigens aus England, wo Meersons überschaubare Hinterlassenschaft von den Nachfahren aufbewahrt wird.

    Der Freitod 1930 mit 47 Jahren mochte dazu beitragen, dass sich niemand so recht mit dem Werk der russischen Urgroßmutter beschäftigen wollte. Sowieso hatte der Kampf der Nationalsozialisten gegen die Moderne reihenweise Künstler aus dem kollektiven Gedächtnis fallen lassen. Erst recht eine Jüdin aus Moskau. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen.

    Die Kunstakademie besuchte Meerson bereits mit zehn Jahren

    Olga wurde 1882 in eine kulturaffine Kaufmannsfamilie geboren, die ihr Talent förderte – ein früh gezeichnetes Selbstporträt spricht Bände. Ohne Vertun kam die Jüngste auf die Kunstakademie, freilich mit gefälschten Dokumenten, denn bei der Aufnahme dürfte sie erst zehn Jahre alt gewesen sein. Mit 16 zog Olga für ihre weitere Ausbildung nach München, wo sie auch Kandinskys Phalanx-Schule besucht hat, und das zeitgleich mit Gabriele Münter. Man zeichnet sich gegenseitig ins Skizzenbuch, macht Malausflüge nach Kochel.

    Olga taucht ein in die Schwabinger Bohème und die russisch-ukrainischen Künstlerzirkel um Marianne Werefkin und Elisabeth Epstein. Auch die Pringsheims laden sie in ihre Villa, man begegnet sich freundschaftlich, und von Katia entsteht 1905, im Jahr der Hochzeit mit Thomas Mann, ein hinreißendes kleines Miniaturporträt auf Elfenbein. Doch Meerson will weiterkommen, zieht nach Paris, und wieder sind es die Experimentierfreudigen und die Umstürzler, die sie ansteuert. Im Herbstsalon 1905 etwa faszinieren sie die Fauvisten, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr Anführer Henri Matisse Mademoiselle Meerson als Schülerin akzeptiert.

    Olga Meerson: Segelboote in Collioure, um 1911
    Olga Meerson: Segelboote in Collioure, um 1911 Foto: Nikolaus Steglich, Starnberg

    Das neue Umfeld tut gut, und der wilde Umgang mit der Palette, auch das nervöse Stricheln wirken sich auf ihre Malerei aus. Dabei entwickelt sie ihren durchaus eigenen Stil, das lässt sich beim Blick durch ein Fenster im okzitanischen Collioure schön vergleichen: Henri Matisse lässt 1905 kühle Rosa- und Grüntöne aufeinandertreffen, die Boote hören nicht auf zu flirren, während Meerson fünf Jahre später zu einer beruhigteren, aber farblich nicht weniger ambitionierten Version findet. Sie kombiniert das Zinnoberrot der Brüstung sowie das Blau von Himmel und Meer mit dem Türkis der Innenwände, setzt dazu braune und gelbe Akzente und schafft eine anziehende Atmosphäre.

    Die Nähe zu Matisse wird für die sensible Malerin zum Problem

    Meerson ist längst schon die Lieblingsschülerin, hat Anschluss an die Familie, die in den zunehmenden seelischen Krisen Halt gibt, und malt den Maître auf seinem Ateliersofa liegend. Das gewährt man nur Vertrauten, und diese Nähe wird schließlich zum Problem. Denn Olga bringt Matisse mehr als Bewunderung entgegen, und es kommt Anfang 1912 zum Abbruch sämtlicher Beziehungen.

    Wassily Kandinsky (links) mit seiner Phalanx-Klasse in Kochel am See, neben ihm Olga Meerson
    Wassily Kandinsky (links) mit seiner Phalanx-Klasse in Kochel am See, neben ihm Olga Meerson Foto: Gabriele Münter

    In dieser Biografie gibt es einige solcher abrupten Schnitte, oft sind sie mit stationären Behandlungen verbunden, doch die junge Frau rafft sich immer wieder auf – und schlittert auch gleich ins nächste Dilemma. Dass sich Heinz Pringsheim Hals über Kopf in Olga verliebt und die beiden heimlich heiraten, führt zum Zerwürfnis mit Schwiegermutter Hedwig Pringsheim, die der Künstlerin früher so zugetan war. Das enterbte Paar ist auf sich gestellt, dann wird die kleine Tamara geboren, und mit der Kriegserklärung an Frankreich erhält Heinz Pringsheim auch schon den Einberufungsbefehl.

    Ihre Depressionen kann Olga Meerson nie überwinden

    Wäre dieses Leben mit all den psychischen Zusammenbrüchen nicht so besonders tragisch, könnte man einen schillernden Gesellschaftsroman daraus stricken. Denn da kommt Beträchtliches zusammen, und doch findet Meerson regelmäßig zur Kunst zurück. Doch die Depressionen sind nicht überwunden. Im Gegenteil. Als ihr Mann die Scheidung ankündigt, ist auch die Kunst keine Anker mehr und Olga stürzt sich am 29. Juni 1930 aus dem Fenster des Berliner Luxushotels Kaiserhof.

    Auf den Fotografien aus dem Nachlass meint man, eine tieftraurige Frau zu erkennen. Vielleicht hat Olga Meerson sich an den Farben hochgehangelt, am Drang zu malen und am eingangs erwähnten Porträt mit den roten Lippen. Dieser fulminante Auftritt in Murnau ist erst der Anfang, wer weiß, was er noch alles zutage fördert.

    Info: Die Malerin Olga Meerson“ bis 9. November im Schloßmuseum Murnau, Di bis So 10 bis 17, ab Mai Sa/So bis 18 Uhr, Katalog (Langemann & Langemann, 140 Seiten, 25 Euro).

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