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Musical „Die Weiße Rose“ wird bei der Premiere am Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen gefeiert.

Premiere

Mit den Scholls beim Abendessen: Ein Musical in Füssen erzählt die Geschichte der „Weißen Rose“ hautnah

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    Worte sind ihre Waffen. Von links: Sophie Scholl (Friederike Zeidler), Hans Scholl (Jonathan Guth) und Alexander Schmorell (Adam Demetz).
    Worte sind ihre Waffen. Von links: Sophie Scholl (Friederike Zeidler), Hans Scholl (Jonathan Guth) und Alexander Schmorell (Adam Demetz). Foto: Benedikt Siegert

    Ein Musical über „Die Weiße Rose“, die Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl in Nazi-Deutschland, kann man das machen? Soll man das machen? Eine klare Antwort darauf hat die Premiere im Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen gegeben: Unbedingt – wenn man es richtig macht. Wie das Team um Autorin und Regisseurin Vera Bolten und ihren Mann Alex Melcher (Musik, Songtexte) das Thema umsetzte, erntete beim Premierenpublikum minutenlange Standing Ovations. Das bewusst dezent und komplett in Schwarz gehaltene Bühnenbild, eine Liveband mitten im Geschehen, Projektionen als Hintergrund sowie Originalzitate und Zeitdokumente als Grundlagen der Texte lassen die Zuschauerinnen und Zuschauer ungefiltert eintauchen in das Geschehen in den 1930er und 40er Jahren, an dessen Ende sechs Menschen im Kampf gegen die Diktatur ihr Leben verlieren.

    Auch wenn Autorin Bolten ihr Stück diesen „wunderbaren Menschen“ widmet, verzichtet sie auf Glorifizierungen. Sie zeichnet ein Bild von Menschen aus Leib und Blut, die mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren jeden zur Identifikation einladen sollen. Sechs Jahre lang hatte Bolten für das Stück „über Umdenken, Verantwortung und Mut“ alles studiert, was sie über die Geschwister Scholl und die Weiße Rose finden konnte. Dass alle Texte authentisch sind, bestätigte ihr die Geschwister-Scholl-Stiftung, die die Musical-Aufführungen zudem mit einer Ausstellung begleitet.

    Von der Aufbruchstimmung zu ersten Zweifeln

    Die Geschwister Scholl, so erfahren es Zuschauerinnen und Zuschauer, waren anfangs durchaus angetan von der Idee der Nazis, ein neues, besseres Deutschland aufzubauen. So gab es 1934 am Familientisch in Ulm heftige Diskussionen mit ihrem Vater Robert Scholl, der ahnte, wohin das alles führte. Er warnte seine Kinder, die sich begeistert beim „Bund Deutscher Mädel“ und der „Hitlerjugend“ einbrachten. Bis sie der Zwang zur Uniformität nachdenklich stimmt.

    Friederike Zeidler spielt Sophie Scholl mit einer starken Ausstrahlung. Als noch unbeschwertes Mädchen, das sich über einen Frühlingstag auf einer Wiese freut, während im Hintergrund Joseph Goebbels Adolf Hitler der Treue ganz Deutschlands versichert. Dann mit Sophies künstlerischem Talent, dessen Zeichnungen im Bühnenhintergrund zu sehen sind und das allen Warnungen zum Trotz in die Ausstellung „Entartete Kunst“ will. Es sei schließlich vielleicht die letzte Gelegenheit, diese von ihr bewunderten Bilder zu sehen. Schließlich zeigt sie sich als unbeugsame Widerstandskämpferin, die den Tiraden des geifernden Richters Roland Freisler zum Trotz erhobenen Hauptes in den Tod geht. Es sei ihr ein großes Anliegen, diese Geschichte zu erzählen, sagt Zeidler und blickt gespannt den ausverkauften Schulvorstellungen entgegen. Denn auch wenn es ausdrücklich nicht thematisiert wird, sind die Parallelen des Geschehens vor 90 Jahren zu Entwicklungen der jüngsten Zeit kaum zu übersehen.

    Die Darsteller wollen die ganze Geschichte gemeinsam erzählen

    Dass er mit seinen 22 Jahren gerade mal ein Jahr älter ist als Sophie Scholl bei ihrer Ermordung, schafft für den Darsteller des Hans Scholl, Jonathan Guth, eine große Nähe zum Geschehen von damals. „Wir wollen zeigen, dass unser Beruf und Genre nicht nur Unterhaltung ist, sondern auch tiefe Themen behandeln kann“, betont er. Wie die anderen ist er zur Vorbereitung tief in die Geschichte der Weißen Rose eingetaucht und macht es sich zu einem persönlichen Anliegen, sie zu erzählen. Anstrengend ist das für die Darsteller auch, weil ständig alle von ihnen auf der Bühne stehen. „Wir erzählen die Geschichte alle zusammen“, erklärt Guth. Wer gerade nicht agiert, spricht oder singt oder die beiden mobilen Treppen über die ansonsten nur mit schwarzen Holzwürfeln und einer Tribüne ausgestatteten Bühne schiebt, ist im Hintergrund Teil einer ausgefeilten Choreografie, die das Geschehen unterstreicht.

    Ebenso wie die Musik, bei der ein Cello und eine Violine die klassische Rockband-Besetzung mit Schlagzeug, Bass, Gitarren und Keyboard ergänzt. Zarte Klänge im Hintergrund sind so ebenso möglich, wie mitreißende Rockriffs, Walzerklänge zum Briefwechsel Sophie Scholls mit ihrem Verlobten Fritz Hartnagel oder satte Beats, zu denen die Texte der Weiße-Rose-Flugblätter gerappt werden. „Vergesst nicht, dass ein jedes Volk diejenige Regierung verdient, die es erträgt!“, ist nur einer der zahlreichen enthaltenen zeitlosen Aphorismen. „Es braucht einen harten Geist und ein weiches Herz“ von Sophie Scholl ein weiterer.

    Für eine Woche ist das Stück am Deutschen Theater in München zu Gast

    Die Präzision, die die Texte ebenso auszeichnet wie die Choreografie, die Einsätze der Musik, die Beleuchtung und die Projektionen im Hintergrund war es auch, die die Füssener Delegation bei der Musicalmesse „Oberfringe“ im vergangenen Jahr überzeugte, als sie das Stück bei einem Workshop in Hof kennenlernte. „Das ist so auf den Punkt gebracht“, sagt Projektleiter Dirk Schattner und schwärmt noch immer von den Texten, den Beteiligten und der wunderbar unprätentiösen Darstellung und Musik: „Das hat uns regelrecht geflasht.“ Mit Theaterleiter Benjamin Sahler war er sich deshalb schnell einig, das Stück nach Füssen zu holen. Auf Kritik im Vorfeld, ein Musical sei für so einen schweren Stoff nicht geeignet, erklärte Sahler bei der Premiere, das Musical sei die moderne Form des Musiktheaters im 20. und 21. Jahrhundert – und das für jedes Thema. Man hoffe, das Stück noch in vielen anderen Häusern zeigen zu können.

    Zu sehen ist es auf jeden Fall in der ersten Juli-Woche am Deutschen Theater in München. Nach einer Preview und einer Schulvorstellung hat es dort am 4. Juli Premiere. In der darauffolgenden Woche kehrt es nach Füssen zurück, wo es bis Ende Juli zu sehen ist. Weitere Infos und Karten für Füssen gibt es unter www.das-festspielhaus.de, Tickets für München unter www.deutsches-theater.de.

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