Bitterer Streit um die süße Heimat? Die Geschichte hinter "Sweet Home Alabama"
Vor 50 Jahren provozierte Neil Young die US-Südstaatler – und Lynyrd Skynyrd konterte mit "Sweet Home Alabama". War das alles nur ein Missverständnis?
Wer kann schon von sich behaupten, dass nach einem seiner Lieder ein Raumschiff benannt wurde? Neil Young gebührt die Ehre: Der Schriftsteller Douglas Adams hat in seinem extrem unsterblichen Werk „Per Anhalter durch die Galaxis“ einem All-Kreuzer die Bezeichnung „Heart Of Gold“ verpasst, als Verneigung vor Youngs größtem Hit. Vor nunmehr 50 Jahren wurde er auf dessen Album „Harvest“ veröffentlicht. Der etwas rumpelige, urwüchsig-hölzerne Country-Rock verkaufte sich bestens und etablierte den knorrigen Sänger und Gitarristen endgültig als Solo-Star. Doch es war ein anderes Lied der Platte, das zu einer der bekanntesten Auseinandersetzungen der Popgeschichte führte, der angeblichen Fehde zwischen dem edlen Neil Young und den bornierten Südstaatlern von Lynyrd Skynyrd. Die war zwar eigentlich ein Witz, doch das haben immer noch nicht alle mitbekommen und pflegen weiter liebevoll ihre Feindbilder.
Lynyrd Skynyrd fühlten sich von Neil Young verunglimpft
Schon 1970 hatte sich Young den Süden zur Brust genommen. In „Southern Man“ beklagt er die Ausbeutung und Misshandlung der Afroamerikaner, den verbreiteten Rassismus, und auch der KuKluxKlan mit seinen brennenden Kreuzen bleibt nicht unerwähnt. Auf dem Album „Harvest“ legte Young mit dem Südstaaten-kritischen Lied „Alabama“ nach. Das blieb zwar textlich etwas unspezifisch – Young sagte später, er habe nicht speziell den Staat gemeint – aber es drückte ein gewisses Unbehagen aus.
Und es zeigte Wirkung: Die Anfang der 70er Jahre aufstrebende Southern-Rock-Band Lynyrd Skynyrd fühlte sich von diesem Lied und von „Southern Man“ als Südstaatler pauschal verunglimpft und in den Redneck-Topf geworfen. Sänger Ronni Van Zant drückte es später in einem Interview so aus: „Wir meinten, Neil erschoss alle Enten, um eigentlich nur eine oder zwei zu töten. Wir sind Südstaaten-Rebellen, aber darüber hinaus kennen wir den Unterschied zwischen richtig und falsch.“
Wie "Sweet Home Alabama" einen vermeintlichen Zoff auslöste
Und weil Van Zant nicht zimperlich war – mit Whiskey im Blut verwandelte er sich in einen gefürchteten Raufbold – textete er 1974 für den Song „Sweet Home Alabama“ ein paar Zeilen, die seinen frühen Tod noch lange überdauern werden: „Well, I heard Mister Young sing about her, well, I heard ol’ Neil put her down. Well, I hope Neil Young will remember, a Southern Man don’t need him around anyhow.“ Kurz gefasst heißt das, Neil hat uns runtergemacht, er soll sich merken, dass Südstaatler ihn hier nicht brauchen. Und dann preist er den schönen blauen Himmel über Alabama, dieser „süßen Heimat“ und bescherte damit der Popwelt einen ihrer langlebigsten Mitgröl-Songs.
Doch haben Lynyrd Skynyrd sich dadurch mit Rassisten gemein gemacht und sich als unbelehrbare Rechte gezeigt? Mitnichten. Schon allein die Tatsache, dass die Band nicht aus Alabama, sondern aus Jacksonville, Florida, stammte, gab damals bereits einen ersten Hinweis darauf, dass da was nicht stimmen konnte. Das tat es auch nicht, denn so harsch wie die Zeilen gegen Neil Young rüberkamen, waren sie gar nicht gemeint, das beteuerte die Band immer wieder. Van Zant sagte in einem Interview: „Wir haben Sweet Home Alabama als Witz geschrieben. Wir haben nicht mal drüber nachgedacht, die Worte kamen einfach so raus. Wir lieben Neil Young, wir lieben seine Musik.“
Neil Young trat sogar schon im Lynyrd-Skynyrd-Shirt auf
Der wiederum fühlte sich geschmeichelt, dass er in einem Lied mit seinem Namen verewigt wurde, das sagt er immer mal wieder. Er trat sogar mit einem Lynyrd Skynyrd T-Shirt auf – und Ronnie Van Zant streifte sich bei Konzerten seinerseits gerne ein Neil-Young-Leibchen über. Damit ist er sogar auf dem Plattencover des Albums „Street Survivers“ zu sehen.
Das war sein letztes großes öffentliches Statement in Sachen Neil Young: Die Platte erschien am 17. Oktober 1977, drei Tage später stürzte die Band mit dem Flugzeug ab – dem Flieger war der Treibstoff ausgegangen. Dabei kamen unter anderem Gitarrist Steve Gaines, die Hintergrundsängerin Cassie Gaines und eben Ronnie Van Zant ums Leben, andere Band- und Crewmitglieder wurden schwer verletzt.
Neil Young erwies den Toten die Ehre, indem er Wochen nach dem Unglück bei einem Wohltätigkeitskonzert in Miami seinen Song „Alabama“ spielte und ihn gegen Ende mit den markanten Akkorden und dem Refrain von „Sweet Home Alabama“ mischte. Davon existiert eine ziemlich schlechte, aber dennoch ergreifende Aufnahme. Young hat sich später für den Text von „Alabama“ entschuldigt, weil er verurteilend, unreflektiert und herablassend gewesen sei. Er habe den Schuss von Lynyrd Skynyrd verdient, fand er. Denen trug er nichts nach, er bot ihnen sogar einige seiner Songs an, die sie aufnehmen sollten. Wegen des Flugzeugunglücks kam es nicht mehr dazu.
Lynyrd Skynyrd sind und waren keine bornierten Rednecks
Lynyrd Skynyrd sind, oder besser waren – von der Originalbesetzung leben nur noch zwei Mitglieder – eben alles andere als bornierte Rednecks, denn mit „Saturday Night Special“ schrieben sie ein Stück gegen Handfeuerwaffen, in „Sweet Home Alabama“ riefen sie dem rassistischen Gouverneur George Wallace ein „Boo, Boo, Boo“ hinterher und distanzierten sich 2012 von der Südstaatenfahne, die sie stets im Bühnenhintergrund aufhängten. Doch weil die Fans darauf extrem negativ reagierten, wurde sie für „Sweet Home Alabama“ stets wieder hervorgeholt.
Übrigens: Dass Ronnie Van Zant tatsächlich in einem Neil Young-T-Shirt zu Grabe getragen wurde, ist wohl ein Gerücht.
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