
Jürgen Flimm, die Allzweckwaffe des Theaters


Regisseur fürs Schauspiel wie für die Oper, Intendant bedeutender Bühnen und Festivals: Der Theaterlöwe Flimm war allseits gefragt. Jetzt ist der 81-Jährige gestorben.
In seinen umtriebigsten Jahren überlappten sich geradezu seine Tätigkeitsfelder an den ersten und größten Bühnen im deutschsprachigen Raum. Da riss man sich um ihn, weil er doch als Intendant und Schauspielregisseur das Thalia-Theater in Hamburg zu einem Publikumsmagneten gemacht hatte. Dies war zwischen 1985 und 2000 geschehen und darauf konnte er immer weiter steigend aufbauen, als sich Hauptstadtbühnen und Festivalzentren bei ihm meldeten, seine Regiekunst anforderten, seine Leitungskompetenz vertraglich zu binden suchten. Als Theaterlöwe war er auf allen Ebenen gefragt: als Schauspieler, als Sprechtheater-, Opern- und Filmregisseur, als Intendant mit Neigung zum Impresario und auch als Hochschuldozent.
Jetzt aber tragen einige renommierte Bühnen Trauer. In Salzburg gar ist Trauerbeflaggung angeordnet: Jürgen Flimm, diese gewitzte, durchaus in das Publikum verliebte Allzweckwaffe des Schauspiels und des Musiktheaters, ist am 4. Februar gestorben. Der einstige Intendant nicht nur der Ruhrtriennale (2005 bis 2007), der Salzburger Festspiele (2006 bis 2010) und der Staatsoper Berlin Unter den Linden (2010 bis 2018) starb 81-jährig in Hamelwörden hinter Hamburg, nahe der Elbmündung.
Kortner und Peymann entwickelten das Pflänzchen
Wie kommt man zum Theater und davon nicht mehr los? Bei Flimm war es wie bei Alexander Kluge: Der Vater war Theaterarzt, schob dort also regelmäßig abendlichen Präsenzdienst, und der Sohn wurde gelegentlicher Nutznießer davon. Ein Samen war gesetzt. Im Falle von Flimm ging er spätestens während des Kölner Studiums sowohl wissenschaftlich-theoretisch als auch bühnenpraktisch auf. Das Assistenten-Pflänzchen zur Regie-Pflanze entwickelten dann Fritz Kortner und Claus Peymann Ende der 1960er Jahre an den Münchner Kammerspielen.
Nach Spielleiter-Stationen in Mannheim und am Thalia-Theater Hamburg trat Flimm seine erste Intendanz 1979 in Köln an. Kurz zuvor hatte er in Frankfurt seine erste Operninszenierung bestritten, eine Großtat für das Musiktheater: Luigi Nonos musikalisches und textliches Revolutionswerk „Al gran sole carico d’amore“.
Nicht alles gelang Flimm
Nicht alles gelang Flimm auf der Opernbühne, wo er viel mit Daniel Barenboim und Nikolaus Harnoncourt zusammenarbeitete. Man erinnert sich eines durchwachsenen Bayreuther „Rings“ im Jahr 2000 und eines geballt albernen Purcell-„King Arthur“ 2004 in Salzburg. Damals war Flimm bereits im Gespräch für den dortigen Intendantenposten; er wurde es trotz „King Arthur“. Gleichwohl: Er war – nach J. S. Bach – ein Mann mit „Herz und Mund und Tat und Leben“. So auch sollen seine 2023 erscheinenden Erinnerungen heißen.
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