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Oberammergau spielt wieder Theater: In diesem Jahr Shakespeares Liebespassion „Romeo und Julia“

Premiere

Oberammergau spielt wieder Theater: Eine Passion voller Liebe ganz ohne Bibel

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    Oberammergau spielt wieder Theater, doch in diesem Jahr eine Passion der anderen Art - nämlich Shakespeares "Romeo und Julia" mit Yannick Schaap und Eva Norz in den Hauptrollen.
    Oberammergau spielt wieder Theater, doch in diesem Jahr eine Passion der anderen Art - nämlich Shakespeares "Romeo und Julia" mit Yannick Schaap und Eva Norz in den Hauptrollen. Foto: Arno Declair

    Zu wenig Publikum, die Inszenierung abgesagt: 2024 gab es in Oberammergau ums Theater recht viel Theater. Christian Stückl, hauptberuflich Intendant des Münchner Volkstheaters, herzenstechnisch Oberammergauer Theatermann durch und durch, musste die Oberammergauer Inszenierung seines eigenen Stücks „Der Rebell“ absagen. Das gab es noch nie. Der Grund: zu wenig Publikumsnachfrage. Danach kam dann auch noch in Oberammergau die Diskussion auf, wer die Passionsspiele 2030 leiten solle. Der Gemeinderat beschloss ein offizielles Bewerbungsverfahren. Auch das gab es noch nie. Im Oktober endete dieses Verfahren jedoch mit einem bekannten Namen: Christian Stückl. Das gab es allerdings schon vier Mal zuvor, und 2030 soll Stückl zum fünften Mal die Passionsspiele in Szene setzen. Nun, 2025, hat sich all dies gelegt. Halb Oberammergau steht wieder auf der Bühne seines Passionstheaters, und Stückl führt Regie. Gespielt wird die berühmteste Theater-Liebesgeschichte, die von Romeo und Julia. Alles wieder wie gehabt.

    Wiewohl Stückl schon vor der Inszenierung gesagt hat, dass man sparsam mit dem Geld umgehen müsse. Vielleicht wollte er damit auch sagen, dass die beiden Häuser der bis aufs Blut verfeindeten Familien Capulet und Montague vielleicht noch ein bisschen mehr Details und Einrichtung bekommen hätten. Die beiden grün-gelben Hausfassaden auf der Bühne schauen aus wie die beiden günstigsten Modelle aus dem Fertighauskatalog: mit Dachgaube, aber ansonsten ohne alles. Opulenter ging Stefan Hageneier (Bühne und Kostüme) dafür die Kleidung an: Das Oberammergau-Verona macht in seinen gestreiften Kostümen bella figura. Alles erinnert an die 1950er Jahre. Vielleicht fand sich die Zündapp ja in einem Hof der Gegend, nun kann Mercutio (Rochus Rückel) im Fransenleder den perfekten Möchtegern-Rocker abgeben - große Klappe, aber nur ne 50er unterm Hintern. Die Montagues plustern sich als Halbstarke mit Schnauzer, Fuchsschwanz und Lederkluft auf, die Capulets hingegen tragen feineren Zwirn und sind was Besseres. Wobei Tybalt (Ferdinand Dörfler) mit diesem eiskalten Blick und dem schicken Anzug eine Profi-Killer-Attitüde hat.

    Die Oberammergauer boten mit „Romeo und Julia“ jede Menge für die Augen

    Das alles bietet den Augen jede Menge Futter. Opulent wie in der Oper gerät es, wenn Markus Zwink mit seinem Chor und Orchester einsetzt- nicht aus dem Orchestergraben (den es nicht gibt), sondern hinter der Bühne postiert. Die Musik führt einen fast zu Shakespeares Zeiten zurück, dann wieder klingt sie wie Film, am Ende nach Requiem. Was zu einer Überwältigung der Sinne führt, wenn fünfzig, sechzig und mehr Darsteller gleichzeitig auf der Bühne stehen.

    Regisseur Christian Stückl hat seinen Shakespeare sprachlich in die Gegenwart gezogen, wie Shakespeare täuscht er vor der Pause im ersten Teil noch eine Komödie mit brachial-derbem Humor an. Fast alles von Mercutio, Benvolio (Maximilian Bender) und den anderen der Gang zielt unter die Gürtellinie. Und ja, die Geschichte von Romeo und Julia könnte ja auch einfach ein Sommerspaß sein. Die Liebe packt sie mit voller Heftigkeit und veranlasst sie zu Taten, die man normalerweise ein Leben lang bereut. Etwa zu heiraten, obwohl man sich vor nicht einmal 24 Stunden das erste Mal gesehen und kurz danach geküsst hat. Wir Heutigen würden sagen: Kurzschlusshandlung im Hormonrausch. Doch Romeo und Julia müssen ja nicht ein paar Monate oder Jahre später erkennen, wie sehr sie sich in diesem Moment vom Liebesrausch haben täuschen lassen. Nein, bei den beiden endet es tragisch, weil sie an den kleinen Dingen scheitern, weil der Zufall ihnen nicht hold ist, weil ein Brief nicht rechtzeitig ankommt, weil Romeo nicht weiß, dass Julia nur scheintot aufgebahrt liegt. Die beiden sterben für ihre Liebe, ihre Geschichte hat auch etwas von einer Passionsgeschichte, nur eine allzuweltliche, die niemanden erlöst, aber allen Liebenden als Warnung dienen kann.

    Mit großen starken Bildern endet „Romeo und Julia“ in Oberammergau

    Und dann kann man es gar nicht fassen, dass dieser Bilderbuch-Romeo namens Yannick Schaap vor der Premiere noch tagsüber auf Dächer geklettert ist, er, der hauptberufliche Dachdecker, und abends aus seiner Rockerrolle fällt, weil ihn die Liebe packt und durchschüttelt. Eva Norz stürzt sich mit gleicher Intensität in ihre Julia. Da blicken sich zwei zum ersten Mal an und alle im Saal spüren, wie ein Feuer in beiden angezündet wird, das sie letztlich verbrennen wird.

    Es ist diese Seite der Geschichte, die Stückl stärker interessiert, die Liebe, die in die Tragödie führt. Natürlich lässt er auch die Capulets und die Montagues aufeinander los, mit Schlagstöcken, Messern und Pistolen, es wird gerannt, gerauft und geschossen. Aber einer der schönsten Drehs des Abends fiel Stückl ein, wenn er seinen Romeo auf die Ballustrade klettern lässt und seine Julia vom Dachzimmer nach unten läuft. Die berühmte Balkon-Szene mit vertauschter Richtung. Und dazu eine Julia, die nicht nur erobert werden will, sondern selbst aktiv wird. Nicht der eiskalte Tybalt, sondern Graf Paris (Julius Iven), der Julia heiraten soll, entfaltet ein besonderes Bösewicht-Potenzial, als egomanischer Lackaffe, der selbst im Angesicht von Julias Tod nur an sich denkt und was ihm da gerade für ein tolles Mädchen durch die Lappen geht.

    Christian Stückl hat die Tragödie "Romeo und Julia" inszeniert und wieder große Gruppenbilder geschaffen.
    Christian Stückl hat die Tragödie "Romeo und Julia" inszeniert und wieder große Gruppenbilder geschaffen. Foto: Arno Declair

    Mit großen starken Bildern endet der kurzweilige Theaterabend in Oberammergau, das Publikum applaudiert lang, auf der Bühne stehen aber auch viel mehr Menschen als sonst üblich, gefühlt der halbe Ort und die andere Hälfte sitzt im Publikum. Ach ja, ein bisschen Übertreibung darf schon sein nach so einer Inszenierung. Wer sich auf den Weg zum Passionstheater Oberammergau macht, sollte aber ein wenig mehr Zeit einplanen. Die Ammergauer Alpen entfalten eine Wirkung wie dieser Shakespeare-Stoff. Man muss sich fast zwingen, am schönen Sommerabend ins Theater zu gehen und nicht auf den nächsten Gipfel zu steigen, um sich von dort den Klassiker namens Sonnenuntergang anzusehen.

    Man hofft mit den beiden, auch wenn man das Ende kennt: Julia ruht noch im Scheintod, doch Romeo weiß das nicht und will ihr folgen ins Totenreich.
    Man hofft mit den beiden, auch wenn man das Ende kennt: Julia ruht noch im Scheintod, doch Romeo weiß das nicht und will ihr folgen ins Totenreich. Foto: Arno Declair

    Weitere Termine am 18., 19., 25. und 26. Juli sowie am 1. und 2. August. Karten unter 08822/32488 oder www.passionstheater.de.

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