Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Peter Grandl schreibt mit „Reset“ einen Thriller, der die digitale Welt schonungslos hinterfragt

Literatur

Wenn jede digitale Nachricht eine Fälschung sein kann, bricht die moderne Welt zusammen

    • |
    • |
    • |
    Peter Grandl Schriftsteller
    Peter Grandl Schriftsteller Foto: Gila Sonderwald/ dtv

    Die Welt muss an jenem 3. Oktober 2024 schmerzhaft lernen, dass etwas grundlegend aus den Fugen geraten ist. Mit dem Tag der Deutschen Einheit beginnt Thriller-Autor Peter Grandl seinen neuen Roman „Reset. Die Wahrheit stirbt zuerst“. Etwas stimmt nicht mit dem Linienflug LH 2411. Unten am Boden empfängt man ein Warnsignal, eine Entführung wird per Code gemeldet. Ein Oberstleutnant bekommt den Einsatzbefehl, mit seinem Eurofighter die Maschine im Blick zu behalten. Aus dem Flugzeug kommt die Meldung, dass der Pilot gezwungen wird, die Maschine ins Münchner Terminal abstürzen zu lassen. Der politische Krisenstab der Bundesregierung tagt, beschließt aber, die Maschine nicht abschießen zu lassen. Doch dann handelt der Oberstleutnant im Flugzeug auf eigene Faust, beschießt den Linienflieger und lässt ihn auf einem Feld vor dem Airport abstürzen.

    Ferdinand von Schirach hat aus einem solchen Szenario das Theaterstück und den Fernsehfilm „Terror - Ihr Urteil“ verfasst. Bei ihm ging es darum, die moralischen und juristischen Dimensionen solcher Grenzsituationen auszuloten: Wer ist wann wie juristisch schuldig und wie passt das zum eigenen Rechtsgefühl? Peter Grandl allerdingst startet nach dieser Terror-Tragödie erst durch für seine 500 atemlosen Seiten. Denn bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass etwas grundsätzlich nicht gestimmt hat. Auf den Aufzeichnungen der Black Box aus dem Cockpit ist nichts von einer Entführung zu hören, auch nicht, dass der Co-Pilot ermordet worden ist. Und das, was der Kapitän des Linienflugs via Funk durchgeben wollte, kam am Boden und bei den Fluglotsen nie an. Sprich: Irgendetwas hat die Kommunikation gekapert und mutwillig dieses Szenario herbeigeführt. Ein Missverständnis, das nicht aufgeklärt werden konnte, aber katastrophale Folgen hatte.

    Peter Grandl entwirft in „Reset“ ein Szenario, an dem sich die Welt am Abgrund befindet

    Dann tauchen schnell weitere Nachrichten auf, etwa dass Russland eine taktische Nuklearwaffe in Kiew eingesetzt hat. Woraufhin die USA ihre Atom-Streitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzen. Innerhalb von wenigen Tagen befindet sich die ganze Welt am Abgrund. Man ist nur eine Winzigkeit von einem weltweiten Krieg entfernt und kann den Echtzeit-Nachrichten nicht mehr trauen. Behalten alle die Ruhe?

    Der Thriller-Autor Peter Grandl, in dem Genre bekannt geworden durch die Bücher „Turmschatten“ (2020) und „Turmgold“ (2022) sowie „Höllenfeuer“ (2024), lässt ein internationales Ermittler-Team zusammenarbeiten. Alle bringen eigene Geschichten mit, drei Figuren sind von zentraler Bedeutung: Die Japanerin Seiko Ito bekommt eine Ahnung davon, was technisch geschehen sein konnte: ein neuartiges, hochgefährliches Computer-Virus. Die deutsche Kriminalhauptkommissarin Camillle Milloz drängt allerdings darauf, nicht das Virus, sondern den Verursacher dingfest zu machen. Und der britische Counter Terrorism Commander Valentine O‘Brien begibt sich auf die Suche nach seiner Schwester, eine private Rettungsmission, die doch auch mit dem ganzen Unheil in der Welt zu tun hat. Gleichzeitig stellt die Welt wieder auf analoge Datenübertragung um. Die Amateur-Funker werden wichtig und die New York Times versucht, ins Bleisatz-Zeitalter zurückzukehren, um mit einer ausschließlich gedruckten Ausgabe wieder geprüfte Nachrichten auf den Markt zu bringen.

    Peter Grandl fragt auch danach, was der Mensch da für eine technische Welt erschaffen hat

    Zeit, um nachzudenken, bleibt eigentlich niemandem. Und doch fallen zwischendrin im Buch auch Sätze wie: „Der Verlust des Homo sapiens wäre nicht nur verschmerzbar, die göttlichen Mächte würden ihn vermutlich kaum wahrnehmen“. Oder einen Exkurs über die Vertreibung aus dem Paradies und den Baum der Erkenntnis: „Glaubt man den Überlieferungen jener, die diese drakonische Maßnahme erlebt haben sollen, so hätten sie alles dafür gegeben, das Rad der Zeit zurückdrehen zu können, um den verhängnisvollen Bissen ungeschehen zu machen.“ Der Autor fragt also auch danach, was die Menschheit sich für eine technische Welt geschaffen hat und ob sie diese noch beherrschen kann - ob nicht demnächst eine Vertreibung aus der modernen Wohlstandswelt droht?

    Dann gibt es noch einen Wissenschaftler namens Heinrich, dem man nicht ansieht, dass er schon 70 Jahre alt ist, eine junge, bildhübsche, unschuldige Frau namens Margaret, in die er sich unsterblich verliebt. Ihre beste Freundin Marthe, die sich als Kupplerin verdingt. Ja, richtig geraten, Grandl greift Teile des Faust-Stoffs auf, lässt das Virus auf Deutsch wie Goethes Mephisto sprechen und legt eine weitere Spur, wie er diesen Thriller verstanden wissen möchte, nämlich dass es da einen Kern jenseits aller Spannung und Plot-Wendungen gibt, der ihm ein ernstes Anliegen ist, nämlich den nimmersatten, ewig unzufriedenen modernen Menschen zu hinterfragen.

    Peter Grandl: Reset. Die Wahrheit stirbt zuerst; dtv Verlag, 496 Seiten, 22 Euro. Am Mittwoch, 25. Juni, liest Peter Grandl um 19 Uhr im Medienzentrum der Augsburger Allgemeinen (Curt-Frenzel-Straße 2) aus seinem neuen Roman und spricht mit AZ-Kulturredakteur Richard Mayr darüber, warum und wie er diesen Thriller geschrieben hat. Tickets für 8 Euro gibt es im Netz unter ticket.augsburger-allgemeine.de.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden