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Richard Strauss' „Die Liebe der Danae“: Nach fast 40 Jahren wieder in München - dank einer Einspringerin

Oper

"Die Liebe der Danae" in München: Ersatz in letzter Minute rettet die Premiere

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    Ohne sie wäre die vorgesehene Premiere ausgefallen: Manuela Uhl als Danae mit Andreas Schager in der Rolle des Midas.
    Ohne sie wäre die vorgesehene Premiere ausgefallen: Manuela Uhl als Danae mit Andreas Schager in der Rolle des Midas. Foto: Geoffroy Schied

    Wenn im Opernhaus im Moment, da die Aufführung beginnen soll, der Künstlerische Betriebsdirektor vor den Vorhang tritt, gilt es meist unliebe Botschaft zu vernehmen. So auch bei der Neuinszenierung von Richard Strauss‘ „Die Liebe der Danae“ am Münchner Nationaltheater: Malin Byström, die für die Titelpartie vorgesehene Sopranistin, habe einen Tag vor der Premiere krankheitsbedingt absagen müssen; ein Zeitpunkt, der den Eröffnungsabend an den Rand des Ausfalls brachte, denn welche Sopranistin von Format kann bei dieser selten gespielten Oper schnell mal einspringen? Manuela Uhl war die Retterin, zunächst nur mit der Zusage, der Aufführung ihre Stimme zu leihen und nach Noten zu singen, letztlich aber doch auch mit Übernahme der szenischen Darstellung. Binnen 24 Stunden wurde hektisch umgeändert, bis hin zu den vorproduzierten Videoeinspielungen, in denen letztlich nun auch Uhl statt Byström zu sehen war.

    Selbst an einer Strauss-Hochburg wie der Bayerischen Staatsoper stand „Die Liebe der Danae“ fast vier Jahrzehnte nicht mehr auf dem Spielplan. Der in den Jahren rund um den Beginn des Zweiten Weltkriegs entstandenen Oper ist nie solche Repertoirefestigkeit zugewachsen wie Strauss-Werken vom Schlage einer „Salome“, „Elektra“ oder gar eines „Rosenkavalier“. Das liegt nicht unbedingt am „Danae“-Stoff, in dem zwei griechische Sagenkreise - der eine um den Goldkönig Midas, der andere um Jupiter und Danae - auf eigenwillige Art zusammengespannt sind, sehr wohl aber an der zopfigen Art, wie der Librettist Joseph Gregor den Operntext zusammenzimmerte. Für eine „Heitere Mythologie“, auf welche die Gattungsbezeichnung lautet, fand Gregor mit seinem an Wagner erinnernden Nominalstil kaum je die richtige Tonlage.

    Danae soll das Reich aus dem Bankrott führen

    Die Handlung von Strauss vorletzter Oper verläuft so: Der bankrotte König Pollux hat seine königlichen Neffen ausgesandt, damit ein finanzkräftiger Freier aufgetan werde für Pollux‘ schöne Tochter Danae. Längst hat Jupiter, der oberste der Götter, ein erotisch interessiertes Auge auf Danae geworfen und mit dem Eselstreiber Midas einen Pakt geschlossen: Dem soll zu Gold werden, was er berührt, dafür aber muss Midas dem Gott zu gegebener Zeit seine Gestalt leihen. Als der Gold-Midas für Danae als Freier ausgerufen wird und Jupiter in Midas‘ Gestalt ans Ziel seines Wunsches zu kommen scheint, nähert sich der eigentliche Midas in simpler Menschengestalt und unter fremdem Namen der Danae, woraufhin die beiden sich unsterblich verlieben. Da kann selbst Jupiter nichts ausrichten, auch wenn er das junge Paar dazu verdammt, sein Dasein in einfachsten Verhältnissen zu fristen.

    Der Regisseur Claus Guth lässt seine Inszenierung dort spielen, wo die Mythologien von heute angesiedelt sind, in den abgehobenen Etagen der großen Finanzwelt. Das Bühnenbild (Michael Levine) zeigt ein Großraumbüro mit Panoramablick auf all die umliegenden, ganz offensichtlich in New York verorteten Wolkenkratzer. Mittendrin hier Pollux, ein Boss mit zinnoberroter Krawatte und rapsgelber Entenschnabel-Haartolle: ein Trump in seinem Tower. Und wenn die vier Königinnen, Angetraute der ausgesandten Neffen, vom erfolgreichen Midas-Goldfang zwitschern, hat in Maske und Kostüm (Ursula Kudrna) wohl die Kardashian-Family Beispiel gestanden. Alles dreht sich hier um den Besitz. Wenn der Chor der Büroangestellten die Ankunft von Midas bejubelt, fliegt direkt vor der Fensterwand eine Boeing aus Gold vorbei.

    Claus Guth richtet den Blick auf Jupiters Frau

    So weit, so aktuell. Dass freilich der eigentliche Midas, als er Danae in der Aufmachung eines bebrillten subalternen Büroangestellten gegenübertritt und doch gerade diese junge Frau für sich gewinnt, die gerade noch als Selfie shootendes Glamourgirl gezeigt wurde, ist weniger plausibel. Geglückt jedoch Guths Einführung der im originalen Libretto nicht vorhandenen Juno. Die Frau des Jupiter muss mitansehen, wie ihr Göttergatte wieder einmal einer Sterblichen nachstellt, was Juno nervöse Griffe zu Zigarette und Weinflasche tun lässt. Es ist einer der wenigen Momente der Inszenierung, in denen sich Guth auf das von Strauss gesetzte „Heitere“ des mythologischen Spiels besinnt.

    Im letzten Akt zeigt Guth eine (Finanz-)Welt, die eine andere geworden ist: Trump-Pollux‘ Palastbüro zerstört, Flammenherde am Boden. Warum das so gekommen ist, weshalb dunkle Schaden draußen vor den Fenstern aufsteigen, ist nicht eindeutig hergeleitet - hat da der Goldflieger vom ersten Akt Bruchlandung erlitten, ist gar nach Art von 9/11 in einen der Türme gesteuert? Als dann der verschmähte Jupiter seinen Abschiedsgesang anstimmt, ist vor der Bürofensterwand auf einmal der greise Richard Strauss zu sehen, im Wechsel mit Bildern aus dem kriegszerstörten München. Claus Guths Mahnung, wohin das ganze Trump-Wesen führen kann, ist ehrenhaft, aber gerade auch im Zusammenspannen mit Strauss‘ NS-Verwicklung arg übers Knie gebrochen.

    Midas klingt bei Andreas Schager wie Siegfried

    Christopher Maltman gibt den Jupiter herausragend, singt die hoch liegende (originale) Baritonpartie mit sonorer Klangfülle, rollengerecht machtbewusstem Aplomb, am Ende mit aller Herbe der Resignation. Andreas Schager lässt sein Auftritts-„Gegrüßt, Danae“ erschallen, als wolle Midas ein Siegfried-Schwert schmieden. Immerhin gelingt es Schager mit solcher Heldentenor-Attitüde, die von Haus aus dichte Strausssche Orchestertextur, die Sebastian Weigle am Pult des Bayerischen Staatsorchesters nicht selten auch recht lautstark präsentiert, mühelos zu überstrahlen.

    Manuela Uhl war mehrfach Protagonistin in Inszenierungen der „Danae“, anders wäre es nicht denkbar, in derart kurzer Zeit sich gerade auch szenisch so gekonnt ins Bühnengeschehen einzubringen. Mag da textlich nicht alles hundertprozentig erinnert gewesen, mag sängerisch hie und da ein Detail nicht optimal gelungen sein, Uhls bravouröse Gesamtleistung steht außer Frage. Ihr zuerst galten völlig zurecht am Ende der Jubel und die Standing Ovations.

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