Berliner Humboldt Forum zeigt Benins Bronzen
Im Humboldt Forum in Berlin sind nun auch die heiß debattierten Raubkunst-Bronzen zu sehen. Bei der Eröffnung wird klar: Es soll weitere Rückgaben geben.
Hermann Parzinger hütet einen Schatz. Es ist ein großer Schatz und viel mehr als ein Topf alter Münzen. Er besteht aus Gold-Vögeln, Bronze-Köpfen, Federhüten, Seidenkleidern, wertvollen Schnitzereien, Herrscherthronen, Prunkwaffen und Prachtbooten. Parzingers Vor-Vor-Vor-Vorgänger und deren Zuträger haben den Schatz zusammengesammelt, darunter nicht wenig Zusammengeklautes, Zusammengeraubtes. So geschehen in Afrika, in Asien, in Nord- und Südamerika. Völkerkunde hieß ihr Geschäft, und sie bestückten damit Museen und Sammlungen der Reichshauptstadt Berlin. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist der erste in der Reihe dieser Männer, dem Leute den Schatz wegnehmen wollen.
Es sind Leute aus Deutschland, die finden, die Preziosen müssten zurück in die Länder, wo sie einst herkamen. Denn wenn sie weiter in Berlin ausgestellt würden, verlängere man dadurch das Verbrechen der Kolonialisierung. Und es sind die Nachfahren der Leute, denen die Deutschen einst das Wertvolle und Heilige abnahmen.
Über 100 Jahre nach Kolonial-Zeit: Benin-Bronzen werden in Berlin ausgestellt
Parzinger ist in einer misslichen Lage. Der gebürtige Münchner hat es trotzdem geschafft, den Schatz zu bewahren und in einer neuen Ausstellung zu zeigen. Nicht in Afrika, Asien oder Amerika, sondern mitten im Zentrum Berlins. „Wir begreifen die Sammlung nicht als Last, sondern als Chance“, sagt Parzinger zur Eröffnung der neuen Ausstellungsflächen des Berliner Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Humboldt Forum. Er steht in einem Saal des Forums, das damit nun endlich richtig fertig ist. Das Humboldt Forum gastiert in einer Kopie des Hohenzollern-Schlosses, die in den letzten Jahren dort gebaut wurde, wo davor der Palast der Republik stand und davor das echte Schloss. Die Hülle aus Sandstein, im Inneren hohe Decken, weiße Wände und Säulen aus Beton.
Bevor die Leute an seinem Schatz zerrten, hatte Parzinger Ärger wegen der Schloss-Kopie, der ausradierten DDR-Geschichte und eines Kreuzes, das auf der Kuppel stehen sollte. Der Professor für Archäologie musste ein bisschen tricksen für sein Forum. Das fängt schon beim Namen an – Humboldt. Niemand hat etwas gegen Alexander von Humboldt, dem Gegner der Sklaverei und „eigentlichem Entdecker“ Südamerikas, wo er noch mehr verehrt wird als in Deutschland. Schwieriger als die Namenswahl ist die Herkunft der Dinge, die ausgestellt werden. Mittlerweile ist es nicht mehr nur ein Problem, wie der Schatz in den Besitz der Deutschen kam, sondern dass sie ihn über 100 Jahre später noch immer präsentieren. Es ist der Blick der Weißen auf die Welt. Die Deutschen sind da nicht allein. Es trifft auch Engländer Franzosen, Spanier und Holländer.
Hermann Parzinger lädt Menschen aus Ursprungsländern zu Ausstellung ein
Parzinger weiß, wie heikel die Diskussion um das Erbe der europäischen Imperien ist. Er hat sich deshalb entschlossen, seine Gegner zu umarmen. Der Professor hat einen schwarzen Gürtel in Judo, dem japanischen Kampfsport. Ziel ist das Siegen durch Nachgeben. Bei der Vorbereitung der Ausstellung hat der 63-Jährige Menschen aus den Ursprungsländern eingeladen, daran mitzuwirken. Zur Eröffnung sind 80 Frauen und Männer aus allen Himmelsrichtungen da. Eine Vertreterin der Omaha-Indianer aus den USA, eine Museumsdirektorin aus Namibia, eine Fotografin aus Indien, eine Lehrerin aus Kolumbien. Auf ein Diskussionspodium zur Eröffnung hat er nur diese Frauen gesetzt. Zu viele Männer auf einer Bühne ist auch nicht mehr gut. In seiner Rede spricht er die Gender-Sprache, redet von Partner*innen. Dort, wo das Sternchen steht, macht der Professor eine Kunstpause. „Das Humboldt Forum kann diese Kraft nur dann entfalten, wenn es gemeinsam mit unseren Partner*innen aus aller Welt Themen setzt.“
Es ist die Sprache der Grünen, die derzeit mit Claudia Roth und Annalena Baerbock zwei für ihn wichtige Posten besetzen. Roth gibt als Kulturstaatsministerin viel Geld für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Baerbock kann als Außenministerin für Kompromisse mit den Ländern sorgen, die die Kunstwerke ihrer Ahnen endlich zurückhaben wollen.
Nigeria will die Bronzen aus dem Königreich Benin nun zurück haben
So ist es kurz vor der Eröffnung geschehen. Für die berühmten Bronzen aus dem Königreich Benin hat Nigeria die Besitzrechte übertragen bekommen. Das einstige Reich liegt heute auf dem Gebiet des westafrikanischen Landes. Von den rund 500 Artefakten bleibt ein Drittel als Dauerleihgabe für zunächst zehn Jahre in Berlin.
An ihrem neuen Platz im Humboldt Forum wird jetzt auf Tafeln aufwendig erklärt, wie die Europäer in den Besitz der Bronzen kamen. Kunstgenuss mit schlechtem Gewissen ist Teil des Ausstellungskonzepts. Dass die Könige von Benin auch Sklavenhändler waren, wird nur am Rande erwähnt. Parzinger deutet in seiner Rede an, dass es weitere Rückgaben geben wird. „Wir finden es richtig, wir finden es gut.“ Der Präsident kann das verschmerzen. Die ethnologische Sammlung umfasst eine halbe Million Objekte, den übergroßen Teil bekommt kein Besucher zu Gesicht.
Darunter sind auch Kostbarkeiten aus Kamerun, die Jean-Pierre Félix-Eyoum besonders interessieren. Er lebt seit über 40 Jahren in Deutschland und ist Großneffe von Rudolf Duala Manga Bell. Letzterer war ein König des Duala-Volkes aus Kamerun, das damals deutsche Kolonie war. Er besuchte eine deutsche Regierungsschule und wandte sich gegen Pläne der Kolonialverwaltung, sein Volk aus seinem Siedlungsgebiet zu vertreiben, und wurde schließlich hingerichtet. Manga Bells Großneffe war erst gegen das Museum. „Wir waren der Meinung, die Zeiten von früher sollten nicht zurückkehren.“ Félix-Eyoum änderte seine Meinung. „Die Leute vom Museum denken mit uns“, sagt er bei der Eröffnung. Er steht bei einer Vitrine mit bemalten Kanu-Paddeln, Trommeln, und Zier-Spitzen von Kriegsbooten. Die Kameruner fordern von Deutschland einst Genommenes zurück – nicht von Parzinger, sondern aus München. Dort gibt es einen bemalten Schiffsrumpf, den die Afrikaner zurückhaben wollen.
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