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Supertramp-Sxofonist John Helliwell verjazzt die alten Hits

Musik

„Breakfast in America“ mit Jazz-Groove: Supertramp-Saxofonist John Helliwell bringt alte Hits in neuem Sound

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    Der britische Musiker John Helliwell hat die Songs seiner früheren Band Supertramp mit einer Big Band neu aufgenommen. In den 70er und 80er Jahren zählten Supertramp zu den erfolgreichsten Bands der Welt.
    Der britische Musiker John Helliwell hat die Songs seiner früheren Band Supertramp mit einer Big Band neu aufgenommen. In den 70er und 80er Jahren zählten Supertramp zu den erfolgreichsten Bands der Welt. Foto: William Ellis/EarlyBird Records/




    Es gibt ein Instrument, das wie ein Symbol für den Jazz steht: das Saxofon. Ebenso wie die testosterongetränkte, verzerrte E-Gitarre des Rock lenkt es einen in all die klassischen Klischeefallen von wippendem Swing, melodiöser Erotik und segelnden Melodien. Aber beides zusammen? Kann eigentlich nicht klappen, lautete immer
    das Credo – bis sich 1969 zwei Engländer ausgerechnet in München trafen, um etwas völlig Neues auf die Beine zu stellen. Als Rick Davies und Roger Hodgson damals im Szene-Lokal „PN hit-house“ an der Leopoldstraße zu ihrem allerersten Konzert auf die Bühne kletterten, hießen sie noch recht unspektakulär „Daddy“. Keiner konnte ahnen, dass daraus später Supertramp werden sollte, eine der erfolgreichsten Bands aller Zeiten mit über 60 Millionen verkaufter Tonträger. Und das alles mit einem Saxofonisten.

    John Heeliwell drückte den Songs von Supertramp mit seinem Saxofon den Stempel auf

    „Schöne Zeiten“, lächelt John Helliwell und zieht verklärt die Brauen nach oben. Wenn der Typ mit der markanten Hornbrille und dem ewig blonden Bart in seinem Prachthaus im Lake District in der Grafschaft Cumbria im Nordwesten Englands, etwa 130 Kilometer von Manchester entfernt, Hof hält, dann wirkt es, als wäre die Zeit stehengeblieben. Nicht nur bei ihm, denn seine mittlerweile 80 Jahre sieht man ihm weiß Gott nicht an.

    Mr. Helliwell spielt Saxofon und Klarinette, bis heute. Einst drückte er dem Sound von Supertramp mit seinem jazzigen Ton, den er gerne verschmiert wie beim Bending der Gitarre serviert, seinen unverkennbaren Stempel auf. Und er brachte die beiden dauerrivalisierenden Antipoden Davies mit seinem Wurzeln im Jazz und Blues sowie den Beatles-Fan Hodgson für beinahe ein Jahrzehnt von 1973 bis 1982 wenigstens auf einen kleinen, aber genialen gemeinsamen Nenner. Jeder hat sein elegisches Saxofonsolo aus dem „Logical Song“ im Ohr. Seit Jahrzehnten geistert zudem, die Mär, dass John Helliwell all seine Einsätze von „Breakfast In America“ auf der Toilette des Aufnahmestudios in Los Angeles eingespielt haben soll. Also einfach mal nachgefragt. „Stimmt!“ gesteht der ewig junge Held nach kurzem Zögern. „Mein Horn klang dort einfach besser.“

    Supertramp waren tatsächlich die Ersten, die ein fluffig fließendes Saxofon in ihre Nummern verwoben; nicht bloß als popaffines Beiwerk, sondern als durchaus dominante, warme, expressive Klangfarbe. Als Gründungssaxofonist Dave Windthrop für Helliwell Platz machte, da riss dieser die Türen für das Saxofon im Rock sperrangelweit auf. Ebenfalls 1973 holte Bruce Springsteen seinen Kumpel Clarence Clemons in die E-Street-Band, während 1977 das schneidende Tenorsax von Raphael Ravenscroft in Gerry Raffertys Chartbuster „Baker Street“ weltweit
    für Aufsehen sorgte.

    Die Hits von Supertramp laufen heute noch im Radio

    Supertramp kletterten derweil unaufhaltsam Richtung Olymp, kreierten Hits am Fließband, die selbst heute noch in Dauerrotation im Radio laufen, und zerstritten sich ob des epochalen Erfolges heillos. Während Roger Hodgson die Band verließ, blieb John Helliwell bis zur letzten Tournee, die im Juli 2011 in Frankreich endete, treu an der Seite von Rick Davies. „Wir haben uns öfter mal getrennt“, schmunzelt der Saxofon-Pionier, der wegen seines Hangs zu launigen Bonmots in Konzerten nebenbei die Rolle des Conférenciers innehatte. „Das war so eine Art On-Off-Beziehung, die wir gepflegt haben.“

    Als Helliwell nach einem Kalifornien-Intermezzo 1992 wieder auf die britische Insel heimkehrte, begann er ein Studium an der Royal Northern College of Music in Manchester, brach es aber wieder ab, weil abermals Supertramp rief. Doch die Zeit an der Uni brachte ihm viele Kontakte in die Jazzszene, unter anderem zu Mike Hall, dem Direktor des Jazzstudiengangs in Manchester. „2014 fragte mich Mike, was ich davon halten würde, wenn einige Arrangeure die Songs von Supertramp für eine Bigband neu bearbeiten würden. Ich dachte mir nur: Wow, eine tolle Idee! Das war schon immer mein Traum!“

    „Breakfast in Amerika“ mit einem Latin-Jazz-Groove

    Der erste Probelauf fand noch mit Studenten stand, bevor Rob Buckland den Faden aufnahm, 2019 ein professionelles Orchester unter seiner Leitung rekrutierte, das bei einer Handvoll umjubelter Konzerte Ohrwürmer wie „Bloody Well Right“, „Dreamer“ oder „Breakfast In America“ im Latin-Jazz-Groove intonierte – mit dem Supertramp-Saxofonisten im Spotlight. Dann jedoch schob Corona den kühnen Transformationsplänen Richtung Jazz jäh einen Riegel vor. „Eigentlich wollten wir es damals schon aufnehmen. Dass es jetzt, sechs Jahre später endlich passiert, ist umso schöner und macht mich sehr glücklich!“, bekennt Helliwell. Gut, der Name holpert mächtig und kann nur dem Kopf eines Grafikers entsprungen sein, um diesen optisch hervorzuheben: „Super Big Tramp Band“ (Earlybird/Membran). Aber der Klangkörper haucht den 15 Songs derart viel Energie und authentisches Leben ein, dass selbst eingefleischte Supertramp-Fans mit dem Jazz-Outfit kaum fremdeln dürften.

    „Viele Leute haben in den vergangenen Wochen gefragt, ob es mich nicht anöden würde, seit Jahrzehnten immer wieder das gleiche Zeug zu spielen“, erzählt John Helliwell, der außerdem die Jazzformation „Crème Anglaise“ sowie ein Sextett mit Streichern und Hammondorgel unterhält, aufgeräumt. „Auf keinen Fall, niemals! Alles diese Titel gehören zu meiner DNA. Ich habe es schon immer als Herausforderung empfunden, sie jedes Mal mindestens genauso gut zu spielen wie beim letzten Mal.“ Eine Reunion von Supertramp jedoch hält er für ausgeschlossen – „leider“. Rick Davies erholt sich von einer Krebserkrankung und zu Rodger Hodgson haben er und die anderen Jungs nach Dauerstreitigkeiten keinen Kontakt mehr. „An mir würde es aber kaum scheitern“, grinst der Mann am Saxofon smart über seinen Brillenrand.

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