Wenn Charlie Heller (Rami Malek) das CIA-Headquarter in Langley betritt und mit seinem Dienstausweis den Fahrstuhl freischaltet, dann bringt der Lift ihn einige Stockwerke tief unter die Erde. Der Held von James Hawes Spionage-Thriller „The Amateur“ ist kein omnipotenter, durchtrainierter Agent im Format eines James Bond oder Jason Bourne, sondern einer von vielen Informatikern, die dort unten im Keller für ihren staatlichen Arbeitgeber Nachrichten entschlüsseln.
Charlie ist ein hochbegabter Nerd, introvertiert, etwas verhuscht, ein bisschen linkisch. Mit seiner Frau Sarah (Rachel Brosnahan) lebt er abgeschieden auf dem Lande und sie ist es, die ihn immer wieder aus der scheinbaren Selbstvergessenheit herauslockt und sein Gesicht zum Strahlen bringt. Während einer Dienstreise wird Sarah in einem Londoner Hotel von Attentätern als Geisel genommen und auf offener Straße erschossen. Sein Vorgesetzter Director Moore (Holt McCallany) verspricht, die Verantwortlichen zur Strecke zu bringen, aber Charlie hat berechtigte Zweifel an dessen Integrität.
In „The Amateur“
Ein Informant hat ihm Dokumente zugespielt, die beweisen, dass Moore für nicht autorisierte Drohnenangriffe und Bombenattentate verantwortlich zeichnet, die vermeintlichen Terroristen in die Schuhe geschoben wurden. Mit diesen Papieren setzt er den Chef unter Druck. Seine Forderung: Er will zu einem schlagkräftigen Agenten ausgebildet werden und die Täter selbst stellen. So gerät er in die Hände des alten CIA-Haudegens Henderson (Laurence Fishburne), der den zarten Informatiker vergeblich versucht, zu einem furchtlosen Killer auszubilden. Bei den Schießübungen versagt Charlie ebenso kläglich, wie im Zweikampf gegen seinen Ausbilder, der sich ohnehin bald im Auftrag von Moore gegen ihn wendet. Aber Charlie hat andere Qualitäten, die ihn auf die Spur der Mörder seiner Ehefrau bringen.
Mit „The Amateur“ legt Regisseur James Hawes („One Life“) einen Agententhriller alter Schule vor. In klassischer 007-Manier springt die Handlung von Langley nach London, Paris, Madrid, Istanbul, ans Schwarze Meer und zur finnischen Ostseeküste. Nur dass hier kein cooler Agent Ihrer Majestät zugange ist, sondern ein eher schmächtiger Computerspezialist, der sich aus dem CIA-Keller herauswagt und im freien Feld bewähren muss. Rami Malek, der für seine Rolle als Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“ 2019 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde und den Film auch produziert hat, spielt die Figur mit seiner eigenen, filigranen Präsenz und Intensität. Sein Charlie wird zu einem Rächer, der die Gegner mit intellektueller Überlegenheit und technologischem Sachverstand zur Strecke bringt. Wenn er hinter sich einen Sprengsatz zündet, zuckt er angstvoll zusammen, anstatt ungerührt weiterzugehen, wie es sich für einen Actionhelden eigentlich gehört.
„The Amateur“ beruht auf einer Romanvorlage aus dem Jahr 1981
Die Actionsequenzen sind wohl dosiert und solide choreografiert. Der erste Komplize findet in Madrid in einem gläsernen Swimmingpool den Tod, der hoch über eine Straßenschlucht gespannt ist und spektakulär zerbirst. Als der Rächer schließlich dem Mann (Michael Stuhlbarg) gegenübersteht, der seine Frau erschossen hat, muss er selbst entscheiden, ob er den Abzug drückt oder seine Vergeltungsbedürfnisse in eine andere Richtung lenkt.
Der Film beruht auf dem Roman von Robert Littell, der bereits 1981 unter dem deutschen Titel „Der zweite Mann“ verfilmt wurde. Hawes hat den Stoff aus der Zeit des Kalten Krieges in eine Gegenwart des 21. Jahrhunderts transportiert, die nur ein Jahr nach Ende der Dreharbeiten schon wieder Geschichte zu sein scheint. Die Welt und vor allem die USA, die der Film beschreibt, existieren nach wenigen Monaten von Trumps zweiter Amtszeit nicht mehr. Geradezu anachronistisch mutet die Szene an, in der Charlie seinen Vorgesetzten unter Druck setzt, indem er damit droht, illegale Drohnenangriffe öffentlich zu machen. Solche geheimen Informationen werden schließlich heute schon in Signal-Chats verhandelt.
Die Kritik: Das Happy End des Thrillers wird es in dieser Art nicht mehr geben
Wenn am Ende des Films die CIA-Chefin vor die Presse tritt und das moralische Fehlverhalten ihrer Institution selbstkritisch zur Disposition stellt, wird klar, dass es ein solches Happy End in einem amerikanischen Politthriller in dieser Form so bald nicht mehr geben wird. Vor der Tür wartet auch noch ein Journalist der Washington Post, der unbequeme Fragen stellt – auch das wird nach dem regierungskritischen Enthaltsamkeitskurs, den Amazon-Chef und Zeitungsbesitzer Jeff Bezos der Redaktion dieser traditionsreichen Zeitung verordnet hat, in Zukunft unrealistisch erscheinen.
Wie werden die amerikanischen Polit- und Agententhriller demnächst aussehen? In welchem moralischen Kontext werden sie ihre Geschichten verhandeln? Werden kritische Inhalte noch in die Drehbücher einfließen? Was ist vom nächsten James Bond zu erwarten, nachdem Amazon die Rechte erworben hat? Die Zukunft ist ungewiss. Auch in Hollywood.
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