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Timothée Chalamet glänzt im Dylan-Film „Like a Complete Unknown“

Kinokritik

Bob Dylan, das ewige Mysterium: "Like a Complete Unknown" im Kino

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    Timothee Chalamet als Bob Dylan und Monica Barbaro als Joan Baez in einer Szene des Films "Like a Complete Unknown" .
    Timothee Chalamet als Bob Dylan und Monica Barbaro als Joan Baez in einer Szene des Films "Like a Complete Unknown" . Foto: Searchlight Pictures/dpa


    Ein Kinofilm über einen weltweit bekannten Menschen. Titel: „A Complete Unknown“, ein völlig Unbekannter. Ein Widerspruch? Natürlich nicht. Es geht schließlich um Bob Dylan, das personifizierte Mysterium. Jetzt läuft der Streifen über den Karrierestart des Musik-Stars und Nobelpreisträgers auch in Deutschland. In den USA, wo der Film im Dezember Premiere hatte, gefiel er dem Publikum und den Kritikern. Die Kommentare waren positiv, die Besucherzahlen hoch. In der Folge tauchte Dylans Frühwerk sogar wieder in den Verkaufslisten von Streaming-Diensten und Platten-Händlern auf. Der Hype könnte sich noch steigern. Nächsten Montag heißt es wieder …and the Oscar goes to… „A Complete Unknown“ ist in acht Kategorien vertreten.

    „A Complete Unknown“ wirft Schlaglichter auf Bob Dylans Leben zwischen 1961 und 1965

    Warum die (Vorschuss-)Lorbeeren? „A Complete Unknown“ ist eigentlich „nur“ ein konventionell aufgebautes Biopic. Also eine filmische Biografie, die Schlaglichter auf Bob Dylans Leben von 1961 bis 1965 wirft. Das Prinzip kennt man. Unter anderem von Regisseur Mangold selbst. Der war in dem Genre bereits 2005 mit dem Johnny-Cash-Film „Walk The Line“ erfolgreich unterwegs.

    „A Complete Unknown“ besticht zunächst durch phänomenale handwerkliche Qualität. Wie in zahllosen Bild- und Sound-Details die 60er-Jahre aufleben - meisterhaft. Im Drehbuch wiederum werden zwei Handlungsstränge spielerisch leicht miteinander verwoben. Zum einen Dylans Aufstieg im Musik-Geschäft. Da ist der tatsächlich noch völlig Unbekannte, der, 20 Jahre jung, aus der Provinz nach New York kommt. Der zunächst nur einer von vielen in der Folkmusik-Szene ist. Der dann aber eigene, geniale Ideen einbringt, sich als „Protestsänger“ profiliert. Der dem Ruhm und den Projektionen seiner Fans und Förderer immer distanzierter gegenübersteht. Der ausbricht, die akustische Klampfe beiseitelegt und die Gehörgänge seines schockierten, enttäuschten Publikums mit der E-Gitarre durchbläst.

    Die Beziehungen zu Frauen setzt Bob Dylan in den Sand

    Der zweite Handlungsstrang verfolgt die persönliche Entwicklung Dylans. Das Genie erweist sich im „richtigen“ Leben als unreifes Bürschlein, das es schafft, die Beziehung zu zwei Frauen in den Sand zu setzen. Dylans Verhältnis mit seiner Freundin Suze Rotolo und mit Joan Baez, seiner nicht nur musikalischen Partnerin, werden beiläufig, zärtlich und wohltuend schmalzfrei beleuchtet.

    Im Internet kursieren natürlich bereits die Listen: Was ist alles falsch in diesem Film. Nun, Regisseur James Mangold hat sich Freiheiten genommen. Er hat die Chronologie verändert, hat Szenen inszeniert, die es nie gab. Denn: Ein Film, der unterhalten will, der ein großes Publikum ansprechen will, benötigt einen emotional packenden Spannungsbogen. Ein Spielfilm ist keine Dokumentation. Das weiß auch Bob Dylan, der ohnehin ein ambivalentes Verhältnis zur „Wahrheit“ pflegt. Dereinst fabulierte, er sei mit einem Zirkus unterwegs gewesen, bevor er in New York landete. Was natürlich „fake“ ist. Es verwundert also nicht, dass Dylan, der Dichter, all die letztlich lässlichen Wirklichkeitsbeugungen in „A Complete Unknown“ abgesegnet hat.

    Aus Suze Rotolo wird im Film Sylvie Russo

    Nur einen Änderungswunsch äußerte er. Suze Rotolo sollte einen anderen Namen tragen. Die Frau, die Dylans künstlerische Entwicklung maßgeblich befeuerte, heißt hier Sylvie Russo. Warum? Regisseur Mangold sagt, Dylan sehe sie als reale Person, keine Berühmtheit mit einem öffentlichen Image. Deshalb müsse ihr Name geschützt werden. Nun ja… Rotolo war bekannt als die junge Frau, mit der Dylan auf einem LP-Cover durch ein winterliches New York stapft. Sie hat ein Buch über ihre Zeit mit ihm geschrieben. Sie ist 2011 verstorben. Ihren Namen schützen? Dylan, das Mysterium…

    Und dann noch ein ganz anderes Rätsel: In Deutschland wird „A Complete Unknown“ unter dem Titel „Like A Complete Unknown“ laufen. Anstatt „Ein völlig Unbekannter“ also „Wie ein völlig Unbekannter“. Ein beabsichtigter, feiner Unterschied? Oder wollte ein Dylan-Kundiger nur die komplette Textzeile aus „Like A Rolling Stone“ aufs Plakat bringen? Eine Vermutung.

    Timothée Chalamet trifft das Dylan-Genuschel perfekt

    Fakt ist: Der Film kann in mehreren Varianten gesehen und gehört werden: Unter anderem im US-Original mit deutschen Untertiteln und natürlich gibt es auch die deutsche Synchron-Fassung (mit untertitelten Songs). Für ein durchgängiges, umfassendes Erlebnis ist das Original mit Untertiteln zu empfehlen. Denn der große Clou des Films ist, dass Timothée Chalamet und Monica Barbaro (als Joan Baez) selbst singen und spielen. Die unverwechselbaren Stimmen von Dylan und Baez sind also nicht zu hören. Ein Risiko. Eines, das sich gelohnt hat, einzugehen. Denn die beiden machen das schlicht großartig. Chalamet trifft das nasale Dylan-Genuschel perfekt. Und geht souverän der Versuchung aus dem Weg, nur eine Karikatur abzuliefern. 

    Überhaupt Chalamet. Schon vor fünf Jahren wurde er als Dylan-Darsteller auserkoren. Dass er zwischenzeitlich dank „Dune“ zum Superstar aufstieg, schadet dem Kassenergebnis nicht. Seinen Dylan legt er als einen an, den wir im bayerisch-schwäbischen Sprachraum einen „verdruckten Kerle“ nennen würden. Nicht ganz unsympathisch, manchmal blitzt bubihafter Schalk auf. Aber schon ziemlich verstockt. Halt einer, der Unsicherheit und Ängste mit Arroganz übertüncht. Der
    vom Ruhm überfordert ist, einer, den die Erwartungen seiner Anhänger einengen, entnerven. Ginge es nach diesen Dylan-Fans, dann dürfte Chalamet noch öfter als Bob Dylan auf der Leinwand auftauchen. In den einschlägigen Internet-Foren jedenfalls träumen sie schon von Fortsetzungen. Dylans Leben gäbe genügend Stoff her.

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