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„Toxisches Arbeitsklima“: Krise am Hamburg Ballett unter dem neuen Chef Demis Volpi

Tanz

Wegen des neuen Intendanten Demis Volpi rumort es am Hamburg Ballett

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    Steht im Zentrum der Kritik: Demis Volpi, Intendant des Hamburg Balletts.
    Steht im Zentrum der Kritik: Demis Volpi, Intendant des Hamburg Balletts. Foto: Marcus Brandt, dpa




    Die Ballettszene in Deutschland blickt dieser Tage gespannt nach Hamburg. Dort entscheidet sich wohl demnächst die Zukunft des
    Ballettintendanten der Hamburger Oper, Demis Volpi. In Kürze sollen die Ergebnisse einer anonymen Befragung, eine sogenannte „Gefährdungsbeurteilung“ über die Arbeitssituation in der Kompanie, vorliegen. Fehlende Kommunikation, geringschätziges Verhalten und ein toxisches Arbeitsklima werden dem 40-Jährigen vorgeworfen, der seit dieser Spielzeit Chef des Hamburg Balletts ist.

    Die Angelegenheit wäre vielleicht nur eine Randnotiz, eine weitere Meldung darüber, dass die Arbeitsbedingungen an Theatern und Opernhäusern mitunter von Machtmissbrauch und Willkür geprägt sind. Im Falle Volpis ist es doch von besonderem Interesse, weil der in einem halben Jahrhundert unter John Neumeier erarbeitete exzellente Ruf des Hamburg Balletts auf dem Spiel steht, durch die aktuelle Debatte vielleicht sogar schon Schaden genommen hat. Demis Volpi, geboren in Argentinien, Absolvent der John Cranko Schule in Stuttgart und dann lange Jahre am dortigen Ballett Tänzer und Hauschoreograf, trat im
    letzten September die Nachfolge von Neumeier an, dem Choreografen und Ballettintendanten, der mit seiner Arbeit in Hamburg über 51 Jahre hinweg Maßstäbe gesetzt und ein Repertoire und Ensemble von Weltruf geformt hat.

    Tänzer des Ballets in Düsseldorf zeigen sich solidarisch

    Nun haben fünf Erste Solistinnen und Solisten gekündigt, zum Teil ohne ein Anschlussengagement in der Tasche; 36 Tänzerinnen und Tänzer, das ist über die Hälfte der Kompanie, haben einen Brandbrief an Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda unterschrieben. Sie berichten darin von einer „Atmosphäre der Angst“ unter dem Intendanten Volpi. Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein in Düsseldorf, Volpis vorheriger Wirkungsstätte, zeigten sich in einem eigenen Brief solidarisch und schrieben von ähnlichen Erfahrungen mit Volpi. Von Erniedrigungen und Demütigungen ist die Rede, konstruktive Kritik werde mit negativen Konsequenzen bestraft, man könne Volpi nicht vertrauen.

    Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet von einer 17-jährigen Tänzerin, die bei einer Probe eine Panikattacke erlitt, weil Volpi im Saal war. Der Intendant habe ihr in einem unsensibel geführten Gespräch mitgeteilt, dass ihr Vertrag nicht verlängert werde. Doch es geht nicht nur um mangelnde Wertschätzung, sondern auch um künstlerische Qualität. So wird Demis Volpi vorgeworfen, wenig zu Proben zu erscheinen, und auch seine Choreografien seien nicht auf dem in der Truppe gewohnten Niveau. „Er versteht sein Handwerk nicht“, heißt es aus den Reihen der Kompanie.

    Volpi sagt, er nehme die Kritik ernst

    Demis Volpi selbst ist überrascht und betroffen. „Dass sich einige Tänzerinnen und Tänzer offenbar nicht gehört oder gesehen fühlen, nehme ich ernst“, sagte Volpi gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Gegenüber dem NDR wies er aber auch darauf hin, dass Leitungswechsel immer mit gewissen Umbrüchen und Veränderungen im Ensemble verbunden seien.

    Fest steht, dass Demis Volpi nun immer mehr unter Druck gerät. Anfang der Woche wurde bekannt, dass die Premiere seines ersten abendfüllenden Balletts „Demian“ nach einem Roman von Hermann Hesse in die nächste Spielzeit verschoben wird. Es sollte die Eröffnungspremiere der 50. Ballettfestwochen in Hamburg sein, die am 6. Juli beginnen. Stattdessen wird nun „Surrogate Cities“ aufgeführt, das Ballett, mit dem sich Volpi in Düsseldorf verabschiedet hatte. Dabei hatte der Intendant und Choreograf vor knapp zwei Wochen noch Einblicke in seine Arbeit an „Demian“ gegeben und auf der einen Seite aufmunternden Applaus auch für seinen Mut erhalten, sich dem Publikum zu stellen, andererseits aber mit massiven Buh- und Zwischenrufen zu kämpfen, wie der NDR berichtet.

    Kultursenator Brosda leitete die Findungskommission

    Wie die Sache für Volpi – und das Hamburg Ballett mit seiner großartigen Kompanie – ausgeht, liegt in der Hand von Kultursenator Brosda, der auch Aufsichtsratschef der Hamburger Oper ist. Dem Spiegel erklärte er, er prüfe nun, ob noch eine Arbeitsgrundlage existiere. Die Kulturbehörde hat bereits Gespräche und eine Mediation initiiert, nun kommt es auf die Auswertung der Gefährdungsüberprüfung an. Die Angelegenheit ist aber auch für Carsten Brosda, der als einer der profiliertesten Kulturpolitiker des Landes gilt und auch als Kulturstaatsminister im Gespräch war, heikel. Er war Vorsitzender der zehnköpfigen Findungskommission, die einen Nachfolger für John Neumeier suchte und ihn in Demis Volpi fand – offenbar jedoch, ohne sich umfassender über ihn zu informieren, wie Brosda bereits zugab.

    Inwieweit die Vorwürfe zutreffen, muss sich erweisen, fest steht jedoch, dass sich kein Theater, kein Opernhaus mehr einen Intendanten leisten kann, unter dem ein toxisches Arbeitsklima herrscht. Findungskommissionen für Theaterleitungen sollten mit dieser Minimalanforderung vertraut sein.

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