Wenn er Erwachsenen schon unbegreiflich ist, wie können dann kleine Kinder verstehen, was der Tod ist und dass Menschen einfach weg sein können? Eine Vielzahl von Büchern zum Vorlesen für Kleinkinder schon ab zwei bis drei Jahren versucht, das schwierige Thema aufzugreifen.
Etwa «Mama, gibt's im Himmel Dinos?» von Kai Renners (empfohlen ab drei Jahren und im Schulalter zum Selberlesen). Mattis' Opa ist gestorben und er versteht weder das noch warum seine Mutter so traurig ist. Und er hinterfragt die Erklärung, Opa sei im Himmel. Ist er wie ein Schmetterling hochgeflogen? «Opa fand Schmetterlinge doch doof!» Und wie langweilig muss es im Himmel sein, ohne seinen Enkel.
Aber da entdeckt Mattis eine Wolke, die aussieht wie ein Dinosaurier - und na klar, wenn alle Lebewesen, die jetzt nicht mehr da sind, im Himmel gelandet sind, sind bei Opa jetzt auch die Dinosaurier da oben. Mattis ist plötzlich begeistert - und dieser traurige Tod bleibt zwar traurig, aber er gewinnt eine schöne Wendung.
Schöne Geschichten für schlimme Zeiten
«Beim Thema Tod könnte man natürlich als Autor auf die Idee kommen, eine ganz pathetische Story abzuliefern, die zu Tränen rührt. Das war nicht mein Ansatz», sagt Autor Renners aus Borken (NRW). «Ich wollte stattdessen den Kindern ein positives Gefühl mit auf den Weg geben. Der Verlust ist ja schon relativ schrecklich. Ich hätte es als falsch empfunden, dann noch zum Beispiel Bilder von einem Grab zu liefern.»
Auch meidet Renners eine Erklärung, was der Tod ist. «Ich denke, die Kinder sind in dem Alter einfach noch viel zu klein, das zu verstehen. Manch Erwachsener hat ja Probleme, dieses Thema zu erfassen.»
Dafür wollte Renners mit dem Kinderbuch auch die Erwachsenen ansprechen. «Ich finde, dass die Eltern sich dessen bewusst sein sollten, dass deren Trauer wahrscheinlich für die Kinder noch schrecklicher ist als der Tod von etwa dem Opa.» Daher wundert sich das Kind im Buch auch erst mal vor allem, warum seine Mutter traurig ist und möchte sie aufmuntern.
Donnerwetter: Oma pupst mit Opa um die Wette
Eine schöne, fröhliche Welt für Kinder ab drei Jahren findet sich auch in «Wie mag's denn wohl im Himmel sein?» von Christian und Fabian Jeremies: Dort gibt es vielleicht leckere Stücke vom Mond zu essen, spekulieren Tierkinder. Und Oma Rosi schmeißt da oben Donnerwetterpartys. Deswegen gewittert es manchmal. Oder das laute Knallen kommt vom Wettpupsen, das Oma und ihr schon früher im Himmel angekommener Mann veranstalten.
In diesem und weiteren Büchern für trauernde Kinder schaffen die Autoren einen besonderen Platz für die Verstorbenen und Bezugspunkte zum Erinnern - etwa bei jedem Gewitter. Das ist wichtig, sagt Roland Kachler. «Nicht nur Kleinkinder, auch wir Erwachsene brauchen einen Ort für den Verstorbenen, an dem er nicht verloren geht. Nicht ins Vergessen, nicht ins Nichts fällt», erklärt der Psychologe und Trauerbegleiter aus Remseck (Baden-Württemberg). Das kann etwa der Regenbogen oder der Himmel sein.
Die Geschichten müssen sich verändern dürfen
Kinder wollen nach Auffassung seines Ansatzes der Trauerpsychologie auch oft eine innere Beziehung zum Verstorbenen haben. Omas und Opas werden etwa zu einer Art von Begleitern. Dabei sei es unproblematisch, dass schöne Geschichten und nicht die harte Realität des Sterbens erzählt würden.
«Kinder leben in symbolischen Welten, denken Sie an die ganzen Comics, an die Märchen. Aber ganz wichtig ist, dass wir diese Bilder offen halten für spätere Veränderungen», führt Kachler aus. Denn wenn die Kinder älter werden und mehr verstehen, fragen sie irgendwann: Ist das auch wirklich so?
«Man kann schon sehr früh einführen – und Kinder müssen das noch nicht kognitiv verstehen – dass das eben Bilder sind. Die Realität kommt dann zunehmend dazu – spätestens mit dem Warum-Frage-Alter», sagt der Psychologe, der mit «Wie ist das mit der Trauer» selbst ein entsprechendes Erklärbuch für Kinder ab sechs Jahren geschrieben hat.
Trotz, Wut, Traurigkeit - Gefühle nachvollziehen
Diesen Weg wählt das Buch «Opa wohnt jetzt woanders» von Susanne Bohne (ab vier Jahren). Mäusekind Emil hinterfragt diesen Himmel und lässt all die menschlichen Gefühle raus, die sich nach so einer Todesnachricht auftun: Erst ist er trotzig - er will den verschwundenen Opa einfach besuchen gehen. «Das konnte doch nicht so schwierig sein!»
Dann kommt in Emil Wut hoch, gefolgt von Traurigkeit: «Selbst als er sich beim Fahrradfahren das Knie aufgeschürft hatte, hatte er nicht so sehr weinen müssen.» Aber auch Emils Gefühle wenden sich zum Positiven: Er realisiert, dass Opa für immer in seinem Herz wohnen wird, als Begleiter und Beschützer.
«Mein Ziel war es, Kindern zu zeigen, dass Trauer ein sehr vielschichtiger Prozess ist, bei dem viele unterschiedliche Gefühle aufkommen können», erläutert Autorin Susanne Bohne aus Dortmund. «Es wäre toll, wenn Kinder verstehen und annehmen, dass all diese Gefühle normal sind und dass es in Ordnung ist, wenn sie sie durchleben.»
Bohne hat dabei bewusst kein Menschenkind als trauernde Figur gewählt. «Tiere bieten Kindern eine gewisse emotionale Distanz, die ihnen hilft, schwere Themen wie den Tod besser zu verarbeiten, ohne das Gefühl zu haben, dass die Geschichte direkt auf sie selbst zutrifft», erläutert sie. «Kinder können sich durch Emil in die Geschichte hineinversetzen, aber es gibt eine Sicherheit, weil es eben "nur" ein Mäusekind ist. Diese Distanz schafft Raum für Empathie, ohne die Kinder zu überfordern.»
Kinderbücher geben Eltern die richtigen Worte
Geschichten von starkem Kinder-Vermissen vorlesen, lustige Gedankenspiele von Party feiernden und auf Dinosauriern reitenden Angehörigen anstrengen? Damit mag so mancher Erwachsener in seiner eigenen Trauer allerdings Probleme haben.
Psychologe Kachler aber betont: «Diese Kinderbilderbücher sind oft auch ganz wichtig für die Eltern. Wer jemanden verloren hat, etwa den eigenen Elternteil, ist oft nicht sprachfähig.» Kinderbücher geben Müttern und Vätern Worte in Zeiten, in denen sie selbst nichts mehr verstehen - «sofern Eltern bereit sind, diese Bücher auch vorzulesen».
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