
Wenn’s kracht, gehen die Vögel in die Luft

Studien beweisen, dass Tiere bis in hohe Höhen fliehen. Keine Beschränkung für Ramsargebiet Ammersee
Herzklopfen und wohliger Schauder, wenn’s knallt und an Silvester die Raketen durch die Luft pfeifen: Der Mensch genießt das Spektakel, er weiß, dass er sich nicht fürchten braucht. Für die Vogelwelt ist Silvester dagegen ein Horror. Als „lebensbedrohliche Störungen“ bezeichnet „der Falke“ die Böllerei. In einem Bericht der Januarausgabe 2013 verweist dieses Journal für Vogelbeobachter auf wissenschaftliche Studien, die anhand von Radaraufnahmen die Vogelbewegungen aufgenommen haben. „Innerhalb weniger Minuten explodierte die Dichte der Vögel im Luftraum.“
Das heißt, aufgeschreckt durch die Silvesterkracher verließen die Tiere ihre Schlafplätze und stiegen auf. Noch lange nach Mitternacht seien in Höhen bis fast 1000 Meter Aktivitäten zu verzeichnen gewesen und es habe etwa eine Dreiviertelstunde gedauert, bis allmählich wieder Ruhe eingekehrt sei, erläutert der Zeitschriftenbericht die Untersuchungen, die vor drei und vier Jahren in den Niederlanden gemacht worden sind.
Ententrupps sind mehrere Tage verschwunden
Die Tiere verlieren bei dieser Flucht in den Nachthimmel Energie, die sie dringend fürs Überleben im Winter brauchen, vor allem in sehr kalten Jahren. Wie hoch der Verlust ist, sei schwer abzuschätzen, meint der Ramsar-Gebietsbetreuer für den Ammersee, Christian Niederbichler. Der Ammersee ist ein Winterrefugium für Wasservögel aus dem hohen Norden, der See beherbergt dann etwa zehnmal so viele Wasservögel wie im Sommerhalbjahr. Niederbichler kann sich an eine tote Graugans erinnern, die mit dem Raketenmüll angeschwemmt wurde, „sie hat vermutlich einen Herzschlag erlitten“. Er geht aber davon aus, dass viele andere tote Vögel nicht gefunden werden.
Niederbichler bestätigt die Beobachtung eines Hobbyornithologen, wonach die Enten, die sich normalerweise am Schondorfer Dampfersteg aufhalten, nach dem Silvesterfeuerwehr mehrere Tage verschwunden sind. Niederbichler hat auch das Gefühl, dass die Silvesterkracherei immer länger dauert und so die Vögel immer länger in der Luft bleiben. „Früher war das eine Viertelstunde, jetzt wird eine Dreiviertelstunde geballert“, so seine Einschätzung. Vielleicht wären einzelne professionelle Feuerwerke sogar für die Natur eine bessere Lösung. Das Problem von Feuerwerken ist, dass dieser Krach nur sporadisch auftritt. „An kontinuierlichen Lärm können sich Tiere gewöhnen“, weist Niederbichler daraufhin, dass der Große Brachvogel auf dem Münchner Flughafengelände brütet – die startenden und landenden Flugzeuge machen dem Wiesenbrüter nichts mehr aus.
Einzelne Gemeinden auch im Landkreis verbieten Feuerwerke in der Ortschaft, zumeist nach vorausgegangenen Bränden. Insgesamt gilt jedoch das Silvesterfeuerwerk am 31. Dezember und 1. Januar als Brauchtum und unterliegt keinen räumlichen Beschränkungen, es sei denn, es ist per Ortsatzung geregelt. In Schondorf, Utting und Dießen gibt es jedoch keine entsprechende Regelung.
Unter Jahr bedarf es einer Genehmigung
Wer untern Jahr böllern will, braucht eine Genehmigung. In einem Landschaftsschutzgebiet, wie um den See und auf dem See muss, die Untere Naturschutzbehörde ihr Ok geben. Am Ammersee gilt, dass grundsätzlich nur vom 1. April bis 15. Oktober in speziell ausgewiesenen Zonen in Riederau, Utting, Schondorf, Stegen und Herrsching Feuerwerke genehmigt werden können. Silvester freilich wird überall geböllert, obwohl es nach dem Bundesnaturschutzgesetz verboten ist, „wild lebende Tiere der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeiten erheblich zu stören“ (Paragraf 44, Absatz 1, Nummer 2).
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