
Buchvorstellung: Früher die Assassinen, heute der IS

Plus Alexandra Cavelius aus Kaufering hat einen historischen Roman veröffentlicht. In dieses Buch sind ihre gesammelten journalistischen Erkenntnisse aus ihrer IS-Recherche eingeflossen.
Ein 300 Jahre altes Bauernhaus in Kaufering direkt am Lech. Vom Küchenfenster sieht man draußen die Schwäne auf dem Fluss schwimmen. Drinnen Katzen, die um die Beine streichen. So pittoresk geht es bei der Autorin Alexandra Cavelius zu. Dabei sind ihre Themen alles andere als idyllisch: vergewaltige Frauen aus Bosnien, eine Dissidentin aus China, eine tschetschenische Widerstandskämpferin, eine russische Menschenrechtsaktivistin, ein jesidisches Mädchen in den Fängen des IS. Alexandra Cavelius, 52, ausgebildete Journalistin, hat schon so einige Frauenschicksale in Buchform gebannt. Jetzt ist ihr erster (fiktiver) Roman erschienen, eine „spannende Frauenbiografie in Form eines Historienromans“ – „Die Assassinin“.
Alexandra Cavelius erzählt von einem jungen Mädchen, das zur Zeit der Kreuzzüge Opfer einer Intrige zwischen zwei Machthabern unterschiedlichen Glaubens wird. Vom Herrscher der schiitischen Sekte der Assassinen in Syrien wird sie einer brutalen Gehirnwäsche unterzogen und während einer entbehrungsreichen Zeit zur Mörderin ausgebildet. Ihr Auftrag: Den Thronfolger des Kreuzritterreiches beseitigen. Krieg im Nahen Osten, radikale Gotteskämpfer, Flucht und Vertreibung, Attentate, die Angst und Schrecken verbreiten – damals wie heute brennende Themen.
Es ist jetzt fast 20 Jahre her, dass sie Ihr erstes Buch, die Biografie „Leila“ über eine junge Bosnierin und ihren Leidensweg während der Jugoslawienkriege geschildert haben. Können Sie sich erinnern, wie Sie von einer Journalistin zur Schriftstellerin wurden?
Cavelius: Ich hatte tatsächlich schon vorher einige Sachbücher über medizinische und andere Themen geschrieben. Als ich für eine Reportage in Bosnien war und in Kontakt mit so vielen vergewaltigten Frauen kam, war mir schnell klar: ’Darüber musst du ein Buch schreiben.’ Das war noch vor der ganzen Welle von Frauenschicksalen, die später im Buchhandel erschienen sind. Damals war es noch ziemlich schwer, einen Verlag zu finden, die meisten meinten: Wer will denn so etwas Schreckliches lesen? Dabei war ’Leila’ sofort erfolgreich, wurde in viele Sprachen übersetzt und bis heute immer wieder neu aufgelegt. Damals habe ich beschlossen, beim Bücherschreiben zu bleiben.
Ihr neues Buch „Die Assassinin“ ist erst vor Kurzem erschienen. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Cavelius: Mein letztes Sachbuch habe ich gemeinsam mit dem Traumaforscher Professor Jan Ilhan Kizilhan über die Psychologie des IS geschrieben. Mich hat interessiert, wie Menschen zu Selbstmordattentätern werden. Im Rahmen dieser Recherche bin ich für ein Unterkapitel auf die Geschichte der mittelalterlichen Sekte der Assassinen gestoßen. Die Ähnlichkeit der Mechanismen der Gewalt, der Gehirnwäsche und der unglaublichen Brutalität damals wie heute beim IS sind frappierend. Denn, wenn man einem Menschen die Angst vor dem Tod nimmt, womit kann man ihm dann noch drohen? Viele Szenen aus meiner IS-Recherche sind in ’Die Assassinin’ miteingeflossen.
Haben Sie ein Beispiel?
Cavelius: Da war ein kleiner jesidischer Junge, dem die Flucht aus diesem Horrorstaat gelungen war. Er erzählte, wie er von den IS-Terroristen zur Strafe alleine eine Nacht in einen Raum voller Toter eingeschlossen wurde, darunter ermordete Familienmitglieder und Nachbarn. Er hat richtig gezittert, als er mir davon erzählt hat. Ein anderer von der IS gekidnappter Junge hat berichtet, wie Freunde, die fliehen wollten, vor seinen Augen hingerichtet wurden. Beide Szenen kommen in der „Assassinin“ vor. So habe ich eigentlich das gesammelte Wissen aus meinem IS-Buch und dazu natürlich viele historische Quellen in meinen Roman verarbeitet.
Kann man aus den Ereignissen der Vergangenheit ihrer Meinung nach denn Lehren für den heutigen Umgang mit radikalen Islamisten ziehen?
Cavelius: Auf jeden Fall. Wer die Vergangenheit übersieht, erkennt nicht, wie aus unscheinbaren Anfängen großes Übel entstehen kann. Das gilt für den Rechtsextremis-mus genauso wie für den IS und Fanatismus in jeglicher Form.
Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen dem Schreiben eines Sachbuchs und eines Romans?
Cavelius: Da ist gar kein so großer Unterschied, wie man meint – beides muss spannend erzählt werden. Viele Journalisten haben über meine Sachbücher gesagt, sie seien geschrieben wie ein Roman, nur dass das echte Leben eigentlich noch viel spannender sei.
Wie geht es denn für Sie weiter, haben Sie schon irgendwelche neuen Bücher in Planung?
Cavelius: Wahrscheinlich wird das nächste Projekt wieder ein Sachbuch. Ich könnte mir allerdings gut auch eine Fortsetzung der „Assassinin“ vorstellen oder einen weiteren historischen Roman über die deutschen Bauernkriege im 16. Jahrhundert vielleicht.
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