„Die Sprache der Mutter ist meine Muttersprache“
Andreas Kloker hat Menschen am See nach ihrer Sprache und ihrer Herkunft befragt
„Sono di madre lingua italiana“, ist in italienischen Lettern zu lesen. Annunciata Foresti lebt seit 40 Jahren am Ammersee, stammt aber eigentlich aus Bergamo in Italien. „My mother tongue is english.“ Steht es weiter geschrieben. Von einem Flüchtling, der in Schondorf gestrandet ist? Die Sätze an der Außenfassade des kleinen Skriptorium in der Schondorfer Bahnhofstraße lassen spannende Lebensgeschichten vermuten, auch wenn diese nur kurz angedeutet werden. Der Installations- und Performance-Künstler Andreas Kloker hat dort zwei Außenwände beschrieben. Das kleine Gebäude – ursprünglich ein Buswartehäuschen – dient der Dießener Künstlerin Katharina Ranftl als Atelier. Noch ist das Projekt – Kloker startete damit an Christi Himmelfahrt – nicht ganz fertig. Die Idee dazu trug er schon lange mit sich herum. Nun hat er verschiedene Menschen befragt – darunter Flüchtlinge aus Syrien, Nigeria und dem Senegal –, wie lange sie schon am Ammersee leben und welche ihre Muttersprache ist.
„Was es heißt, in einem anderen Land zu sein oder in einer anderen Sprache zu sprechen, wird sich kaum ganz schildern lassen. Aber wenn jemand nach 40 Jahren beim Zusammenzählen einer Summe in seiner Muttersprache zählt, wird deutlich, wie tief die Muttersprache bei ihm verankert ist“, beschreibt Kloker. Das ist auch der Grund, warum er die Sätze in den jeweiligen Sprachen auf die Wand bringt. „Es ist wie ein zartes Begreifen, dass jeder Mensch in sich ein tiefes Geheimnis trägt, nicht nur durch seine Sprache und Schrift, auch in seinen Gedanken, in seinem Wissen und seinen Erfahrungen.“ So hält Kloker auch von allen Befragten nur die Eckdaten fest: den Namen, den Aufenthaltsort und die Muttersprache. Ob jemand irgendwann „nur“ an den Ammersee umgezogen ist oder gar aus einem Kriegs- oder Krisengebiet geflohen, bleibt dabei völlig unbeantwortet. Dem Betrachter bleibt es überlassen, die entscheidenden Schlüsse zu ziehen. Und Klokers aktuelle Kunstinstallation ist nicht ganz frei von leichter Ironie und Augenzwinkern, wenn er beispielsweise über einen Dominikus E. schreibt, der vor vier Monaten aus Landsberg „geflohen“ ist und der als Muttersprache Deutsch angibt.
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