
Stadt der Geigenbauer

Antonia Meyer und Jan Finn Bacher machen sich als Klang-Handwerker selbstständig. Augsburg ist für die Zunft ein gutes Pflaster. Vier Betriebe gibt es in der Stadt
200 Arbeitsstunden kann es dauern. 200 Stunden, in denen Antonia Meyer in ihrem Atelier im ehemaligen Straßenbahn-Depot am Senkelbach aus grobem Holz ein filigranes kleines Kunstwerk, eine Geige, formt. Der Scheck vom Kunden, den sie dafür bekommt, ist nicht der einzige Lohn. Es ist der Moment, so erzählt sie, wenn der Virtuose im Konzert die Saite anschlägt, wenn ihr Instrument zum ersten Mal erklingt. „Das ist wirklich ein Genuss“, sagt die 27-jährige Augsburgerin, die aus dem Landkreis Landsberg stammt.
Meyer ist Geigenbauerin. Es ist ein Handwerk mit langer Tradition und – was viele unterschätzen – eines mit Zukunft. In Schwaben gibt es 18 Betriebe. Noch heute werden die Instrumente nach jahrhundertealter Praxis hergestellt. Und auch wenn billige Massenware aus Fernost den Markt überschwemmt, reißt der Kundenstrom nicht ab. Denn die Kunden der heimischen Geigenbauer – das sind die Profis am Instrument, echte Virtuosen – lassen in der Regel die Finger von Billig-Importen.
Bei renommierten Geigenbauern im Ausland gelernt
Gerade Augsburg sei für die Zunft ein gutes Pflaster, heißt es in der Branche. Gleich vier Geigenbaubetriebe gibt es in der Stadt. Der jüngste ist der von Antonia Meyer und ihrem Kollegen Jan Finn Bacher, der gestern offiziell eröffnet wird. Beide haben den Beruf an der Geigenbau-Schule in Mittenwald erlernt, viele Jahre im Ausland in renommierten Betrieben Erfahrung gesammelt und im vergangenen Jahr ihre Meisterprüfung abgelegt – Bacher als Bester seines Jahrgangs. Jetzt haben sich der 30-Jährige aus Heidelberg und Meyer in Augsburg selbstständig gemacht.
Die Stadt biete ideale Voraussetzungen: Der international renommierte Leopold-Mozart-Violinwettbewerb, der noch bis Sonntag hier stattfindet, zeigt die Bedeutung des Standorts. Dazu das Theater mit seinem Orchester, die Musikhochschule mit ihren Studenten und Professoren – alles potenzielle Kunden. Das sieht die Konkurrenz auch so. „In Augsburg ist relativ viel los“, sagt Martin Mühlendyck, der gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Fabig im Waisengäßchen schon seit 1986 ein Geigenbau-Atelier hat. Betriebe wie dieser leben vor allem von der Restauration alter Geigen.
Denn viele Geigenspieler kauften lieber alte Instrumente von namhaften Erbauern, zum Teil Jahrhunderte alt, und lassen sie herrichten. Das sei in der Szene so üblich, berichtet Mühlendyck.
Leichter geworden ist das Geschäft aber nicht. „Die Leute sind zwar bereit, mehr auszugeben“, berichtet Mühlendyck, „sie haben aber auch höhere Ansprüche.“ Meyer und Bacher wollen es trotzdem mit ihrem eigenen Atelier probieren. Ihre Instrumente sollen keine Kopien der großen Meister sein. „Stilelemente übernehmen wir aber schon“, sagt Meyer.
In ihrem Beruf komme es auf handwerkliches Geschick an, Hobel und Schnitzmesser gehören zu ihrem Werkzeug. Genauso wichtig ist aber auch das Gefühl. „Man muss einfach ein Gespür für den Klang haben“, sagt Meyer.
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