
Nur noch die Quelle plätschert im dunklen Wald

Entraching Wer die Kreisstraße von Dießen in Richtung Entraching fährt, nimmt das, was er links oder rechts sieht, nur als gleichförmigen und einsamen Forst war, sieht man einmal von der Aussicht über Hübschenried auf den Ammersee ab. Etwa einen Kilometer nach dem südlichen Waldrand bei Hübschenried kreuzte sich in früheren Jahrhunderten der Weg von Entraching nach Dießen mit dem Weg von Utting über die Kittenalm nach Dettenschwang. Der Ort hieß St. Johann auf der Bergerin und zu ihm gehörte eine Kirche mit Einsiedelei. Heute erinnern nur einige 200-jährige Eichen auf einer kaum merklichen Anhöhe an die Andachtsstätte und der Johannisbrunnen.
So einsam, wie der Platz auf der Bergerin wirkt, dürften ihn unsere Vorfahren nicht empfunden haben. Die Straßenkreuzung lag nicht in einem dichten Fichten- und Buchenwald, sondern auf einer über 100 Tagwerk großen Wiese. Und der Wald drumherum war bis um 1800 auch meistens nicht so dicht wie der heutige Wirtschaftswald. Alte Weide- und Holzrechte machten die Wälder oft ziemlich licht, weiß Förster Alwin Rammo. 1916 beschrieb der Unterfinninger Pfarrer und Schuldistriktsinspektor Karl Emerich St. Johann in einem zweiteiligen Artikel in den Landsberger Geschichtsblättern. 90 Meter östlich der Johannisquelle entdeckte er noch bemooste Mauerreste in einem ost-westlichen Rechteck von 15 mal acht Metern, die Reste einer Johannes dem Täufer geweihten Kirche. Auf einer Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert ist eine Kirche mit einem Turm an der West- und einer Klause an der Ostseite zu sehen. Im 19. Jahrhundert wurde die Bergerin eingeforstet.
Emerich stellte die These auf, St. Johann auf der Bergerin sei eine Taufkirche gewesen und vermutete sogar eine kultische Kontinuität bis in vorchristliche Zeiten. "Die heidnischen Deutschen hatten bekanntlich ihre Heiligtümer gerne in Wäldern und Hainen", führt der Geistliche aus.
Die "Bergerin" könne man sich als solche leicht erhobene Waldwiese vorstellen. Die christlichen Missionare hätten mit Vorliebe "heidnische Heiligtümer in christliche umgewandelt, und da sich eine prächtige Quelle vorfand, die vielleicht schon im heidnischen Kultus Bedeutung hatte, so lag für die Missionäre wohl nichts näher, als diesen Platz zu einer christlichen Kultusstätte und zwar zu einem Tauforte einzurichten, denn hier strömten die Umwohner ohnehin aus alter Gewohnheit zusammen zu ihren heidnischen Opfern (...)"
Emerich zitiert auch eine von ihm nicht näher bezeichnete kirchliche Akte aus der Zeit um 1600: Darin heißt es - in deutscher Übersetzung des lateinischen Textes - über St. Johann: "Eine Kapelle außerhalb des Dorfes auf einer Wiese, die Bergerin genannt, war einst, wie die Sage geht, Pfarrkirche zu Ehren des hl. Johannes des Täufers geweiht. Mit ihr ist ein Friedhof verbunden, aber gegenwärtig wird dort niemand begraben." Im 18. Jahrhundert war St. Johann noch ein Wallfahrtsort von regionaler Bedeutung. Zum Patrozinium am 24. Juni zogen fünf Pfarreien dorthin, weitere drei in der Kreuzwoche vor Christi Himmelfahrt. Bei solchen kirchlichen Anlässen kamen genug Leute zusammen, dass mitten in der Heuzeit auch ein Kram-, Gabel-, Rechen- und Sensenmarkt abgehalten wurde. Bisweilen ging es dabei recht lebhaft zu. Am 24. Juni 1767 kam es in St. Johann zu einer Schlägerei von Burschen aus dem Landgericht Landsberg, den Hofmarken Windach und Utting und dem Markt Dießen. Der Oberfinninger Pfarrer Johann Kundt berichtete auch, dass immer wieder Wilderer die Fenster des Heiligtums einschlugen, um aus den Bleifassungen Gewehrkugeln zu drehen. Am 3. November 1751 weilte hier auch Kurfürst Maximilian III. Joseph, der als Landesherr hier ein Jagdgebiet hatte. Ende des 18. Jahrhunderts gingen Kirche und Klause unter. Der letzte Eremit wird 1782 erwähnt. Ob die Gebäude abgetragen wurden oder zerfielen, war bereits 1916 nicht mehr nachvollziehbar.
Eichen sollen die Erinnerung noch weiter bewahren
Ein wenig lässt sich auch heute noch das Gelände auf der Bergerin erkennen. Von dem aus Richtung Dießen gesehen zweiten Waldparkplatz erreicht man auf einem Forstweg nach etwa 150 Metern eine Geländesenke und geht von dort nach links auf eine mit Gestrüpp bewachsene Rückegasse ab. Die Stelle der einstigen Kirche markieren etliche Eichen, die sich hier inmitten eines Fichten- und Buchenbestandes befinden. Die Bäume seien, so sagt Förster Alwin Rammo, gepflanzt worden, als Kirche und Klause untergegangen waren. Als Erinnerung an die frühere Kultstätte will sie Rammo möglichst lange erhalten, daneben seien sie für die Natur sehr wertvoll. Hohltaube und Schwarzspecht haben sich in der früheren Einsiedelei angesiedelt.
Das Wasser des Johannisbrunnens leitete das Forstamt Riederau 1971 über eine Leitung an die damals neu gebaute Kreisstraße um. Aus einem hölzernen Brunnen ergießt sich seither das Johanniswasser etwa 300 Meter weiter in Richtung Entraching. Bänke und Tische laden dort zum Verweilen ein.
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