Die Babyboomer gehen demnächst in Rente. Bis 2030 werden sechs Millionen Arbeitskräfte in Deutschland fehlen. Zudem verändert sich unsere Welt so schnell wie nie zuvor, geopolitisch leben wir in einer fragilen Zeit, der Klimawandel verlangt weltweite Maßnahmen. Wie können Unternehmen in diesen turbulenten Zeiten, in denen die althergebrachten Systeme nicht mehr funktionieren, weiter bestehen und Fachkräfte für sich gewinnen? Dieses große Spektrum lotete Dr. Steffi Burkhart vor Unternehmerinnen und Unternehmern im Festsaal des Historischen Rathauses beim Unternehmerabend aus, zu dem die Sparkasse Landsberg-Dießen eingeladen hatte.
Geht die Dominanz der alten Männer in grauen Anzügen zu Ende?
Zukunftsforscherin Burkhart, geboren 1985, ist Sportwissenschaftlerin und promovierte in Gesundheitspsychologie. Angesiedelt im Mittelfeld der Generationen, aus denen sich die deutsche Bevölkerung zusammensetzt, sieht sie sich als Vermittlerin zwischen den Generationen und Sprachrohr der Jüngeren, die nicht nur zahlenmäßig unterlegen sind, sondern auch nicht genügend gehört und ernst genommen werden, wie Burkhart betonte. Dabei werden 2030 75 Prozent der Arbeitskräfte aus den Generationen Y, Z und Alpha bestehen, also aus den Jahrgängen von 1980 bis heute, so die Zukunftsforscherin, die den Unternehmern in ihrer Rede Wege aufzeigte, sich darauf vorzubereiten. Diese zu sich zu finden und authentisch zu leben, erscheint wichtig, denn lauscht man den Szenarien, die Burkhart entwarf, so scheint eines klar: Die Dominanz der alten Männer in grauen Anzügen in den Führungsetagen scheint dem Ende entgegenzugehen. Denn in solch einem Rahmen wollen junge Menschen nicht arbeiten.

„Seit 1989 ist bereits bekannt, dass es einen „Krieg um Talente“ geben wird, aber die Politik hat weggeschaut“, zeigte Burkhart auf, dass ein weltweiter Kampf um Fachkräfte bereits in vollem Gange ist. Um in diesem gewinnen zu können, müssen sich Unternehmen, aber auch Regionen etwas einfallen lassen. Denn wo „der Hund begraben ist“, es keine Kitaplätze gibt oder keine gut ausgebaute Infrastruktur, da wird es Abwanderung geben. Deshalb gelte es, kreativ zusammenzuarbeiten, um eine attraktive Region zu schaffen, so Burkhart. Insbesondere den Unternehmen gab sie viele Ratschläge. Diese müssten proaktiv, aber auch digital auf die jungen Arbeitskräfte zugehen. Um diese zu gewinnen und zu halten, haben die alten Zugpferde wie Statussymbole und Incentives ausgedient. Die junge Generation will wertgeschätzt werden, in guten Beziehungen leben, sich wohlfühlen und etwas Sinnhaftes tun. Gleichzeitig kann sie wenig aushalten und viele leiden unter dem Problem der Vereinsamung. An diesem Punkt muss sie von den Unternehmen abgeholt und auf ihren Lernweg begleitet werden.
Firmen müssen sich künftig einiges einfallen lassen
Um ihre Aufmerksamkeit in Zeiten der medialen Überflutung zu wecken, müssen sich Firmen künftig einiges einfallen lassen. Es gelte, positive Emotionen zu erzeugen, „ein bisschen „wow“ zu sein“, so die Zukunftsforscherin. Doch auch wer junge Fachkräfte gewonnen hat, kann sich nicht darauf ausruhen. Denn galten die Babyboomer als treue und mit ihren Arbeitgebern oft eng verbundene Arbeitskräfte, so verläuft der Berufsweg der Jüngeren künftig eher im Zickzackkurs. Sie wollen vieles ausprobieren, die Lebensläufe werden künftig bis zu 20 Jobwechsel aufweisen, so Burkhart. Die Unternehmen sollten sich daher auf die Illoyalität ihrer Arbeitnehmenden einstellen – aber auch auf die ihrer Kunden. Neue Strategien braucht es deshalb nicht nur zur Kunden- und Arbeitnehmer-Findung, sondern auch, um diese zu halten. Um diese zu finden, sollten Unternehmen weniger auf Erfahrung setzen, denn diese zählt in Zeiten des schnellen Wandels nicht mehr so viel. Sondern vielmehr Mut, Neugierde und Experimentierfreude entwickeln, riet Burkhart. „Dazu braucht es inspirierende Persönlichkeiten in Unternehmen und in der Politik.“

Ohne eine Zusammenarbeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz wird es in Zukunft nicht mehr gehen, so die Meinung der Zukunftsforscherin. Gerade auch um die großen Probleme der Welt, allen voran der Klimawandel, zu lösen, werde KI benötigt. „Es wird eine Superintelligenz geben, eine zweite Spezies neben den Menschen. Sie wird intelligenter sein, aber nicht das Bewusstsein der Menschen haben.“ Für Unternehmen sei es wichtig, bereits heute KI zu implementieren. „Das wird die Effektivität erhöhen, neue Wissenschaften und Produktionen werden entstehen. 50 Prozent der Jobs, in denen die junge Generation einmal arbeiten wird, existieren heute noch gar nicht“, prognostizierte Burkhart. Die Unternehmen seien damit in einer neuen Verantwortung angekommen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden