Autonomes Fahren ist keine ferne Zukunftsmusik. Davon ist Elektrotechnik-Professor Carsten Markgraf, wissenschaftlicher Leiter des Bereichs Autonome Systeme am Technologietransferzentrum (TTZ) Landsberg, überzeugt: „In den nächsten sieben, acht Jahren werden wir Beispiele bei uns auf den Straßen sehen“, sagt der 54-Jährige. Im Industrial Maker Space am Penzinger Feld – neben dem Sternrad Haus im Papierbach-Viertel einer der beiden Standorte des Landsberger TTZ – wird unter anderem an der Entwicklung voll automatisierter Fahrzeugsysteme gearbeitet. Bald könnten im Rahmen eines Projekts erste Tests auf öffentlichen Straßen erfolgen.
Der Industrial Maker Space im Landsberger Osten versteht sich als professionelle Innovationswerkstatt für Industrie, Gewerbe, Innovatoren und Start-Ups. Beim TTZ der Technischen Hochschule Augsburg (THA) fühlt man sich in diesem Umfeld gut aufgehoben. Den Forschenden stehen Arbeitsplätze in einem großzügigen Co-Working-Space zur Verfügung. Daneben gibt es ein Experimentierfeld in der Industriehalle, wo an Fahrzeugen getüftelt wird. Auf den Dächern eines BMWs und eines Mercedes-Vans fallen Hightech-Konstrukte mit Kameras und Sensoren auf. Mit den Pkw werden auf den Straßen der Region Daten gesammelt und sie dienen als „Entwicklungsplattformen“, an denen verschiedene Projekte umgesetzt werden.
Ein autonomes System muss sich selbst einschätzen können
In diesen Projekten geht es ganz grundsätzlich darum, dass Fahrzeugsysteme dieselben Fähigkeiten erlangen, wie sie auch menschliche Fahrerinnen und Fahrer haben. „Wir bauen den Menschen nach, der das steuert“, sagt Carsten Markgraf. Im Forschungsfeld Autonome Systeme werden Expertisen gebündelt, um in Kooperation mit dem ADAC und weiteren Unternehmen die Mobilität der Zukunft mitzugestalten. Damit die hochkomplexen Systeme sicher, effizient und zuverlässig funktionieren, sei Interdisziplinarität gefragt, so Markgraf. So spielten in der Entwicklung etwa Elektrotechnik, Informatik, Data Science und Maschinenbau eine Rolle.
Um autonome Fahrzeuge im Alltag auf die Straße zu bringen, sind Zusatzfunktionen zum „normalen Betrieb“ erforderlich. Von zentraler Bedeutung ist dabei laut Markgraf, dass sich ein System selbst einschätzen kann: „Und zwar in allen Situationen, nicht nur in 99 Prozent.“ So müsse ein autonomes Fahrzeug zu einem sicheren Halt kommen, wenn Hardware ausfalle und auf die Witterungsverhältnisse reagieren können. „Wenn es regnet, muss das System langsamer fahren und wenn es ganz doll regnet, vielleicht rechts ran fahren“, erklärt Markgraf.

Um die beste Technologie für das autonome Fahren gibt es einen weltweiten Wettbewerb. In den Vereinigten Staaten und in China seien stellenweise bereits entsprechende Fahrzeuge ohne Sicherheitsfahrer im Alltag unterwegs, berichtet Prof. Dr. Carsten Markgraf. „Europa muss mithalten, darf nicht den Anschluss verlieren.“ Wobei er sich optimistisch zeigt: „Wir sind von der Gesetzgebung sehr weit – der Weg ist geebnet.“ Auf diesem Weg gelte es auch, ethische Fragen zu klären – beispielsweise wie die Gesellschaft damit umgeht, wenn ein System doch noch Unfälle baut.
Autonomes Fahren: Bei den geplanten Tests in Landsberg sitzt ein Sicherheitsfahrer im Fahrzeug
Das TTZ Landsberg ist mit dem Bereich Autonome Systeme an bundesweiten Forschungsprojekten beteiligt. Ein Beispiel ist das Projekt NeMo.bil, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird (Gesamtvolumen: 30 Millionen Euro). Die Beteiligten aus Industrie und Wissenschaft entwickeln ein Mobilitätssystem für den bedarfsgerechten Personen- und Gütertransport und bauen dieses prototypisch auf. Dazu wird ein innovativer Ansatz mit zwei automatisierten Fahrzeug-Typen verfolgt: Schwärme kleiner Fahrzeuge bedienen die ersten und letzten Meilen und vereinen sich auf längeren Strecken zu einem Konvoi, der von einem größeren Fahrzeug gezogen wird. Am TTZ Landsberg wird das autonome Fahren der Leichtbaufahrzeuge weiterentwickelt.
Beim Kraftfahrtbundesamt sind laut Markgraf Unterlagen für eine Erprobungsgenehmigung eingereicht. Schon bald sollen Prototypen auf öffentlichen Straßen unter anderem in der Region Landsberg getestet werden. Ein geschulter Sicherheitsfahrer sitze dabei im Fahrzeug, um bei Bedarf eingreifen und die Kontrolle übernehmen zu können.
Autonome Systeme sind nicht nur im Straßenverkehr gefragt, sondern auch in anderen Bereichen wie der Industrie oder dem Gesundheitssektor. Der wissenschaftliche Leiter am TTZ, Prof. Dr. Carsten Markgraf, kommt ursprünglich aus Hannover und studierte dort Elektrotechnik. In seiner Promotion befasste er sich vor knapp 30 Jahren bereits mit der Automatisierung eines Testgeländes für Autos. Anschließend zog es Markgraf in die freie Wirtschaft, bevor er 2010 als Professor an der Fakultät für Elektrotechnik zur Technischen Hochschule nach Augsburg kam. Seit 2023 ist Landsberg mit dem TTZ eine Außenstelle der Hochschule.
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