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Im Landsberger Vorderanger gibt es ein besonderes Schuhmuseum

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Häuserserie: Das Schuhmuseum von Heinrich Pflanz im Vorderanger 271

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    Das ungefähr 1905 gemachte Foto zeigt Karl Pflanz, den Urgroßvater von Heinrich Pflanz, mit seiner Tochter Gusti vor dem Haus im Vorderanger 271 in Landsberg.
    Das ungefähr 1905 gemachte Foto zeigt Karl Pflanz, den Urgroßvater von Heinrich Pflanz, mit seiner Tochter Gusti vor dem Haus im Vorderanger 271 in Landsberg. Foto: Christian Rudnik/Familie Pflanz

    Seit 225 Jahren beherbergt das Haus 271 im Vorderen Anger in Landsberg Schuhmacher. Dort befindet sich zudem seit 30 Jahren ein außergewöhnliches Museum, das auf die Sammel- und Schuhleidenschaft von Heinrich Pflanz zurückgeht.

    Von außen erscheint das Haus 271 im Vorderen Anger zuerst unscheinbar und schmal, nur zwei Fenster breit, mit grauer Fassade, weiß einfassten Fenstern und einem hoch ansteigenden Dach mit zwei Gauben. Über der Ladentür hängt ein verkupferter Dr. Martens Stiefel. Beim Eintritt in den Laden im Erdgeschoss steigt sofort der unverkennbare Geruch einer Schuhmacherei in die Nase, eine Mischung aus Leder und Kleber. Vom Tresen aus kann man seit 2011 Schuhmachermeister Johann Fuchs bei der Arbeit zusehen, und er berät ehrlich, ob sich eine Reparatur noch lohnt oder nicht.

    Schuhmachermeister Johann Fuchs in seinem Geschäft im Vorderanger 271 in Landsberg.
    Schuhmachermeister Johann Fuchs in seinem Geschäft im Vorderanger 271 in Landsberg. Foto: Christian Rudnik

    Bis 1951 arbeitete dort Schuhmachermeister Eduard Pflanz. Hinterm Schaufenster lag der Verkaufsraum, dahinter das Lager, dann folgte die Werkstatt. Eduard Pflanz handelte mit Schuhen, fertigte nach Maß an und reparierte, was damals aufgrund der hochwertig aus Leder gefertigten Schuhe und der Sparsamkeit ihrer Träger häufig nachgefragt wurde. „Wer etwas auf sich gehalten hat, hat sich Schuhe nach Maß anfertigen lassen. Die Leisten sind übrigens das Teuerste am Schuh“, weiß Sohn Heinrich Pflanz (82), der in diesem Haus aufwuchs und später Einzelhandelskaufmann lernte - und Schuhmacher, wie alle seine Vorfahren. Die Familie samt Laden und Werkstatt siedelte 1951 um in das Haus 274. Dort befindet sich noch heute das Schuhhaus Pflanz.

    Das Schuhmuseum befindet sich in der ehemaligen Wohnstube des Elternhauses

    Ein besonderes Ereignis zum Kriegsende legte den Grundstein für Heinrich Pflanz‘ Sammlung an ungewöhnlichen Schuhen aus aller Welt und von Prominenten: Vielerorts in Landsberg kam es zu Plünderungen, auch der Laden der Familie Pflanz war betroffen. Übrig blieben nur einzelne Schuhe, und mit diesen begann Heinrich Pflanz seine Sammlung. Sie sind auch heute noch im Schuhmuseum zu sehen, das er vor 30 Jahren in der ehemaligen Wohnstube seines Elternhauses eingerichtet hat. Heinrich Pflanz erinnert sich noch gut, wie dort Weihnachten gefeiert wurde. „Das Christkind brachte jedes Jahr zu Weihnachen einen Bauernhof. Spielen durfte ich damit bis Februar, dann wurde er wieder eingesammelt. Zum nächsten Weihnachten stand er wieder auf meinem Wunschzettel, und ich erhielt ihn wieder. Ich habe mich immer darüber gefreut.“ In dem engen Haus war nicht viel Platz für die Kinder. So verbrachte Heinrich Pflanz viel Zeit auf der Straße, wo damals noch viel los war, als in jedem Haus ein Handwerker oder Laden zu finden war.

    Der Landsberger Heinrich Pflanz mit einem Stiefel von Prinz Ludwig von Baden (1888 getötet im Duell).
    Der Landsberger Heinrich Pflanz mit einem Stiefel von Prinz Ludwig von Baden (1888 getötet im Duell). Foto: Christian Rudnik

    In den gläsernen Vitrinen im Schuhmuseum stehen Schuhe, wie man sie noch kaum irgendwo gesehen hat. Sie sind Symbole der Kultur, aus der sie stammen. Interessant ist sowohl die Geschichte ihrer Träger und Trägerinnen als auch die, wie sie zu Heinrich Pflanz nach Landsberg kamen – aus Paris, Afghanistan, China, Peru oder Ägypten: Von dort stammen die ältesten Ausstellungsstücke, rund 3000 Jahre alte „Flip-Flops“ mit Holzsohle und Lederriemen. Hochzeitsschuhe aus dem Egerland, Schnabelschuhe aus dem 12. Jahrhundert. „Je länger der Schnabel, desto wohlhabender der Träger. Daher stammt auch das Sprichwort, auf großem Fuß leben“, weiß der Schuhexperte. Chinesische Schnürfußschuhe, Knopfstiefel von 1890, Lederrollschuhe von 1935. Schuhe von Sportgrößen wie Michael Schumacher, Dirk Nowitzki und Steffi Graf, von Kanzlern und Päpsten. Stiefeletten von Sissi, Seidenschuhe vom Märchenkönig König Ludwig II.

    Zwischen den Exoten befinden sich auch Seegrasschuhe aus Landsberg

    Zwischen all‘ den Exoten befinden sich auch heimische Stücke: Seegrasschuhe aus Landsberg. Stiefel und Haferlschuhe, die sein Vater anfertigte, und daneben noch eine große Sammlung an Schuhlöffeln und Stiefelknechten. Heinrich Pflanz sammelt noch immer. Er zeigt die zuletzt erworbenen Stücke, Stiefel von Prinz Ludwig von Baden, die er trug, als er bei einem Duell 1888 erschossen wurde. Sein Wissen zu 140 seiner Exponate und was ihre Träger mit ihnen erlebt haben, hat Pflanz in einem Buch zusammengefasst, das demnächst erscheinen wird.

    Im Vorderanger 271 in Landsberg befindet sich ein Schuhmacher und ein Schuhmuseum.
    Im Vorderanger 271 in Landsberg befindet sich ein Schuhmacher und ein Schuhmuseum. Foto: Christian Rudnik

    Zurück zur Geschichte des Hauses 271 mit dem Hausnamen „Nonnenschuster“. Für welche Nonnen früher geschustert wurde, sei historisch nicht geklärt, so Pflanz. 1635 waren die Häuser 271 und 272 noch vereinigt. Circa 1648 teilt man das Anwesen, danach folgten für 100 Jahre Zinngießer auf 271. 1800 verlegte Franz Xaver Augustin seine Schuhmacherei von 276 (heute „Vom Fass“) auf 271; damit ging die Schuhmachergerechtigkeit auf dieses Haus über. 1830 heiratete Johann Pflanz Franziska Augustin, und seitdem trägt der Traditionsbetrieb den Namen „Pflanz“.

    Bekannte Persönlichkeiten in Landsberg waren früher Heinrich Pflanz‘ Großvater Karl, der stets seine lange Pfeife mit dabei hatte. Sowie sein Urgroßvater Josef, der 25 Jahre Rat im Magistrat der Stadt Landsberg war und von Maler Hubert von Herkomer auf dem im Historischen Rathaus ausgestellten Bild des Magistrats verewigt wurde.

    Es gibt viele alte Geschäftshäuser oder Wirtschaften mit langer Tradition. Das Landsberger Tagblatt befragt viele, die sich noch daran erinnern, was früher in welchem Geschäft war. Heute blicken wir auf die Historie des Hauses 271 im Vorderen Anger.

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