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Landsberger Häuser: In der früheren Seilerei ist jetzt ein Kunsthaus

Landsberger Häuser

In der früheren Seilerei ist jetzt ein Kunsthaus

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    In unmittelbarer Nachbarschaft zur Johanniskirche befindet sich das Anwesen Vorderer Anger 214 (gelbe Fassade) in der Landsberger Altstadt.
    In unmittelbarer Nachbarschaft zur Johanniskirche befindet sich das Anwesen Vorderer Anger 214 (gelbe Fassade) in der Landsberger Altstadt. Foto: Christian Rudnik

    Seile waren früher stark nachgefragt. In Landsberg wurden sie in der Seilerei Daschner im Vorderen Anger 214 gefertigt und im Laden zusammen mit anderen Waren verkauft. Nachfahre Franz Daschner, Stadtrat in Landsberg, erinnert sich im Rahmen unserer Häuserserie an die Arbeiten in den Werkstätten und seine Kindheit im Vorderen Anger.

    Das Haus Nr. 214 im Vorderen Anger war in Landsberg lange Zeit bekannt als Seilerei Daschner. Jedoch blickt es auf eine lange Geschichte mit wechselhafter Nutzung zurück und wurde sogar von Adligen bewohnt: Nach 1575 kam es in den Besitz des herzoglichen Pflegers Schwickart Graf von Helfenstein, zusammen mit dem daneben liegenden Haus Nr. 213. Zusammen mit seiner Frau Maria bewohnte er das Haus zeitweilig. Sie nahmen durch ein Chörlein, das man vom Wohnhaus aus in die unmittelbar angebaute Johanniskirche durchgebrochen hatte, an Messen teil, die hier von den ansässigen Jesuiten zelebriert wurden. So ist es bei „Die Kunstdenkmäler von Bayern – Stadt Landsberg am Lech“ nachzulesen.

    Das Anwesen Vorderer Anger 214 (Mitte) von der Brudergasse aus gesehen.
    Das Anwesen Vorderer Anger 214 (Mitte) von der Brudergasse aus gesehen. Foto: Christian Rudnik

    Das Chörlein war in der Zeit, als Franz Daschner, geboren 1951, mit seinen Eltern Max und Franziska sowie seinen drei Geschwistern dort wohnte, schon nicht mehr vorhanden. Jedoch konnte man die zugemauerte Stelle noch erkennen. Im Laufe der Jahrhunderte beherbergte das Haus einige Huckler, also Krämer, die ihre Waren auf dem Rücken in der sogenannten Hucke von Haus zu Haus trugen. Von einem von ihnen stammt auch der Hausname „Huckler-Hansele“. Der erste Seiler kam 1877 ins Haus – von diesem Zeitpunkt an blieb es Seilerei bis 1990.

    In der Werkstatt auf dem Dachboden entstanden die kürzeren Seile

    1903 übernahm sie Franz Xaver Daschner, 1953 ging sie an dessen Sohn Max über, Seilermeister und Bodenleger. Die einfachen Leute ließen sich von ihm Stragula, bestehend aus imprägnierter Bitumenpappe, verlegen, die wohlhabenderen Linoleum, erinnert sich Franz Daschner: „Wir Kinder waren oft mit dabei und haben, um den Untergrund vor dem Bodenlegen auszugleichen, Zeitungen ausgelegt.“ Auch beim Seile drehen half er mit. Die kürzeren entstanden in der Werkstatt auf dem Dachboden, die langen, zum Beispiel Glockenseile für Kirchen oder Seile für Schiffe, in einer langgezogenen Hütte nahe am Lech, nördlich der Sandauer Brücke beim damaligen „Armenhaus“.

    Diese Marienfigur ist Teil der Fassaden des Altstadthauses im Vorderen Anger 214 in Landsberg.
    Diese Marienfigur ist Teil der Fassaden des Altstadthauses im Vorderen Anger 214 in Landsberg. Foto: Christian Rudnik

    Drei verschiedene Arten von Seilen wurden hergestellt, zählt Franz Daschner auf: Kälberstricke aus Sisal. Viehstricke aus Hanf. Und Gerüststricke zum Zusammenbinden der Einzelteile von Gerüsten, die damals noch aus Holz waren. Wie viele Kilometer sein Vater auf dem Dachboden wohl zurückgelegt hat, kann man nicht schätzen. Tatsache ist aber, dass er zwischen den zwei Stationen, zwischen denen die Schnüre gespannt waren, ständig hin und her lief. Auf der einen Seite war ein Haken, auf der anderen vier. Die Schnüre wurden von dem einen Haken zu den vieren hin und hergezogen, mithilfe eines Drehstrommotorantriebs verdreht und als fertige Ware zu einem Dutzend gebündelt.

    So kamen sie in den Laden im Erdgeschoss, das Reich von Franziska Daschner, die dort noch viele weitere Waren fürs Haus verkaufte wie Bürsten, Besen, Spüllappen oder Schürzen – aber auch alles fürs Angeln. Spielte sich das Leben der jungen Familie zu Beginn hinter dem Laden ab, zog sie später in den ersten Stock. Im Haus wohnte auch ein Zimmermädchen, das für Putzen, Kochen und die Wäsche zuständig war, erinnert sich Franz Daschner. Und im zweiten Stock die Tante Resi, eine Fürsorgerin von Amts wegen, die landkreisweit zu den Familien ging und sich um Neugeborene kümmerte. Die Seilerei bestand bis 1990, das Haus ist inzwischen nicht mehr im Besitz der Familie Daschner. Im ehemaligen Laden von Franziska befindet sich heute – immer noch hinter demselben Schaufenster – das Kunsthaus Grimme.

    Im Erdgeschoss des Gebäudes findet sich heute das Kunsthaus Grimme.
    Im Erdgeschoss des Gebäudes findet sich heute das Kunsthaus Grimme. Foto: Christian Rudnik

    Franz Daschner hat an seine Kindheit viele schöne Erinnerungen. „Wir Kinder wurden mit der Milchkanne zum Milchladen Völk im Hinteren Anger geschickt, aber auch zum Bäcker oder Metzger.“ Bäcker gab es viele, so Bäcker Rid (heute Holzspielereien Hör), Bäcker Hagg (Haus Nr. 223/224), Bäcker Scharold (heute Vom Fass) oder Bäcker Fischer im Hinteren Anger. Auch an Metzgern bestand kein Mangel: Da war der Metzger Schamper (heute Hunkemöller), Metzger Schilling in der Hinteren Mühlgasse oder Metzger Prummer im Hinteren Anger. „Bei Räuber- und Schandispielen am Krachenberg kämpften wir Städter gegen die Bergler. Und im Winter trieben wir uns auf der Pfletschbräuwiese beim Schlittenfahren herum. Diese hatte drei Teile, einen flachen für die Zwerge, einen steileren für die Mutigen und die Schlucht, die für die Helden und Todesfahrer reserviert war“, erzählt Franz Daschner und schmunzelt.

    Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm aber der UF. UF war damals die Abkürzung für Unterfeigerl, ein zu der Zeit etwas berüchtigter Gasthof im Haus Nr. 212. Wenn er dorthin zum Bierholen geschickt wurde, schlug das Herz höher. „Es gab ein Guckloch, da musste man an einer Glocke ziehen“, berichtet Daschner. Heraus schaute dann Lydia, verrucht wie das Gasthaus und für den Halbwüchsigen ein Abbild der Sünde.

    Es gibt viele alte Geschäftshäuser oder Wirtschaften mit langer Tradition. Das Landsberger Tagblatt befragt viele, die sich noch daran erinnern, was früher in welchem Geschäft war. Heute blicken wir auf die Historie des Hauses im Vorderen Anger 214.

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