Als sich Landsbergs beliebter Vorleser Sepp Wörsching, Hand in Hand mit Hans-Günter Schwanzer, auf der Bühne verbeugte, um sich für die stehenden Ovationen und lauten Beifallsbekundungen nach seiner Abschiedsvorstellung im ausverkauften Stadttheater zu bedanken, wirkte er doch ein wenig angefasst. Selbst seinem langjährigen Freund und Wegbegleiter Hans-Günter Schwanzer, der Wörsching ein Buchgeschenk überreichte, fehlten vor Rührung fast die Worte beim „traurigen Abschied vom Sepp“.
Auch das festlich gekleidete 18-köpfige Blechbläserensemble, darunter zwei Hornistinnen und zwei Trompeterinnen, das Schwanzer wie gewohnt umsichtig leitete, geizte nicht mit bewunderndem Applaus für Wörsching, dessen vorgetragene „Heilige Nacht“ sie zuvor mit 16 ausgewählten Kompositionen einfühlsam begleitet hatten. Nach der stimmigen Kammermusik „Allegro and Air from King Arthur“, aus der Feder von Henry Purcell, begann Sepp Wörsching mit seiner gewohnt sonoren, dem Publikum seit langen Jahren vertrauten Stimme und dazu passender Gestik, den bayrisch gereimten Weihnachtsliteratur-Klassiker von Ludwig Thoma zu lesen.
Sepp Wörschings stimmliche Nuancen machen den besonderen Zauber aus
In seiner Weihnachtslegende verlegte Thoma den beschwerlichen Gang von Maria und Josef nach Bethlehem geografisch und sprachlich ins tief verschneite Oberbayern. Die alpenländischen Jodler, wie der Riedstein Jodler oder der Baumkirchner Jodler, korrespondierten auf wundersam-harmonische Weise mit den Texten, die den für die hochschwangere Maria mühevollen Fußmarsch von acht, neun Stunden beschreiben. Als der Schlitten mit einem reichen Mann aus Nazareth vorbeikommt, schreit Josef „He! Halt a wenig! Sei doch so guat! Gang’s net, dass sie mit kam, de mei?“ Der aber schießt lachend vorbei. Doch ein armer Handwerksbursche, der des Weges kommt, bleibt stehen und „er und Josef geb’n sie d‘ Hand und führens‘ und trag’n s‘ mitanand“.
„Sheep May Safely Graze“ (Schafe können sicher weiden), die „Jagdkantate“ von Johann Sebastian Bach mit wunderbaren Soli, verband sich mit der verzweifelten, aus zahlreichen literarischen Vorlagen bekannten Herbergssuche. Sepp Wörschings stimmliche Nuancen, das ihm eigene Gefühl für Rhythmus, Tempo, Pausen und sein Ausdruck von Emotionen der unterschiedlichen Charaktere machten, wie in den Jahren zuvor, den besonderen Zauber dieser emotionalen Weihnachtsgeschichte aus. Die von den Musikern gefühlvoll geblasenen Weisen, wie das österreichische Weihnachtslied „Es wird scho glei dumpa“, ließen bei den Zuhörenden sowohl wehmütige Abschieds- als auch frohe Weihnachtsstimmung aufkommen.
Nachdem das erschöpfte Heilige Paar auch von Josefs Verwandten barsch abgewiesen wurde, führt es der brave Simmei in seinen Stall und schüttete frisches Stroh und Heu für die Nacht auf. Die barocke Weise „Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein“ und die Geschehnisse der Heiligen Nacht, in der der arme Simmei so einen wunderschönen Traum hatte, begleiteten die Musiker mit einem jauchzenden „Andachtsjodler“ und einem erleichtert klingenden „Tochter Zion, freue dich“. Nach den letzten Zeilen „Und fragt’s enk, ob dös nix bedeut‘, daß’s Christkind bloß Arme g’sehg’n hamm“, blies Sepp Wörsching die rote Kerze vor ihm aus. Das Ensemble fügte ein inniges „Stille Nacht, heilige Nacht“ hinzu, bevor der gewaltige Beifall aufbrandete.
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