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Zeitzeugen berichten über das Kriegsende vor 80 Jahren in Landsberg und Umgebung

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80 Jahre Kriegsende: Das berichten Zeitzeugen aus Landsberg und Umgebung

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    Unter anderem über die Eisenbahnbrücke bei Kaufering gelangten US-Soldaten Ende April 1945 über den Lech in Richtung Landsberg.
    Unter anderem über die Eisenbahnbrücke bei Kaufering gelangten US-Soldaten Ende April 1945 über den Lech in Richtung Landsberg. Foto: Archiv Gerhard Roletscheck

    Zum Kriegsende vor 80 Jahren hat das Landsberger Tagblatt Zeitzeugen aus Landsberg und Umgebung gesucht, die ihre Erinnerungen teilen wollen. Einige Frauen und Männer haben sich in den vergangenen Wochen bei der Redaktion gemeldet, vier erzählen stellvertretend für sie ihre Geschichte: von der Sprengung der Karolinenbrücke in Landsberg, von der ersten Begegnung mit dunkelhäutigen US-Soldaten und nächtlichem Fliegeralarm.

    Am 27. und 28. April 1945 nahmen amerikanische Truppen Landsberg ein und überschritten den Lech in Richtung München. Wenige Tage zuvor waren zur Verteidigung der Stadt unter anderem Flakgeschütze am Lechhochufer aufgebaut und zurückströmende Wehrmachtssoldaten zum Dienst herangezogen worden. Beim Vormarsch der Amerikaner in die Stadt kam es zu kleineren Gefechten, die auch etwa 100 Opfer forderten. Als die US-Soldaten bereits in der Katharinenstraße vorrückten, wurden die Karolinenbrücke und die Sandauer Brücke gesprengt. Ein Maschinengewehr auf dem Schlossberg und US-Panzer am alten Eisstadion am heutigen Hindenburgring lieferten sich ein kurzes Feuergefecht, bei dem das Bayertor eine Zinne verlor. In den Morgenstunden des 28. April überquerten die Amerikaner schließlich den Lech über die Staustufe am Wildpark und die nur wenig zerstörte Kauferinger Eisenbahnbrücke.

    Im Klösterl in Landsberg war ein lauter Knall zu hören

    Johanna Koller aus Landsberg war bei Kriegsende drei Jahre alt und lebte damals wie heute im Klösterl. Die Sprengung der Karolinenbrücke sei dort nicht nur als lauter Knall zu hören gewesen, der Druck habe etliche Dächer angehoben, die danach nicht mehr auf ihren Fundamenten lagen. Ihr Großvater sei über die zerstörte Brücke auf die andere Uferseite geklettert, aus Angst um seine Schwester und deren Familie. Gerüchte, dass plündernde französische Soldaten ihr Unwesen treiben, hätten damals die Runde gemacht.

    Das Foto zeigt Johanna Koller im Jahr 1944 oder 1945 am Eingang zum Klösterl in Landsberg.
    Das Foto zeigt Johanna Koller im Jahr 1944 oder 1945 am Eingang zum Klösterl in Landsberg. Foto: Christian Rudnik

    In den Tagen und Wochen vor dem Einmarsch der US-Amerikaner kam es immer wieder zu Luftangriffen, erinnert sich Johanna Koller. Auch unter Tags. Die Bewohner des Klösterls zogen sich dann in einen kleinen Bunker unterhalb der Neuen Bergstraße zurück, den es heute noch gibt. Kamen die Flieger nachts, war die damals Dreijährige schon wach, bevor die Sirene anschlug. „Ich muss das Brummen und Vibrieren gehört haben“, sagt Johanna Koller. Sie sei im Bett der Großeltern aufgeschreckt und habe „Luftalarm“ gesagt.

    Auch an ihre erste Begegnung mit einem dunkelhäutigen Soldaten erinnert sich die heute 83-Jährige. Als Kinder seien sie immer vor dem „schwarzen Mann“ gewarnt worden, nun stand plötzlich ein solcher frühmorgens vor der Haustüre. „Ich muss fürchterlich gebrüllt haben“, erzählt Johanna Koller. Die Soldaten zogen daraufhin weiter und verzichteten auf eine Durchsuchung der Wohnung.

    „Mama go home“, sagte ein US-Soldat zur Mutter von Josef Drexel

    Josef Drexel aus Kaufering wohnte mit seiner Familie bei Kriegsende in der Schwaighofsiedlung in Landsberg. Der 27. April 1945 war sein neunter Geburtstag. Gemeinsam mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder war er an diesem Tag im Heeresverpflegungsamt in der Schongauer Straße, um sich mit Lebensmitteln einzudecken. Von Süden näherten sich die US-Soldaten, einer sagte wegen der bevorstehenden Kampfhandlungen „Mama go home“ und die Familie zog sich in die spätere „Försterchristl“ in der Erpftinger Straße zurück. Josef Drexel erinnert sich an Panzerspähwagen und Trucks, mit denen die Amerikaner vorfuhren.

    Die Monate nach dem Kriegsende hat Josef Drexel in guter Erinnerung. Schließlich fiel die Schule aus. Die Zeit vertrieben sich die jungen Burschen aus der Schwaighofsiedlung im Texet, einem Waldgebiet zwischen Landsberg und Kaufering. Ab September ging es dann wieder in die Knabenschule am Spitalplatz. „An der Sandauer Brücke gab es eine Fähre über den Lech. Die hat Peps Pschorr organisiert“, erinnert sich der (noch) 88-Jährige. Später wurde denn ein Notsteg errichtet, der spätere Lechsteg.

    Die zerstörte Karolinenbrücke in Landsberg Ende April 1945.
    Die zerstörte Karolinenbrücke in Landsberg Ende April 1945. Foto: Stadtarchiv Landsberg

    Auch Anna-Maria Orlowski aus Landsberg verbrachte ihre Kindheit in der Schwaighofsiedlung in Landsberg. Bei Kriegsende war sie sieben Jahre alt und ging in die Mädchenschule im Kloster der Dominikanerinnen. Bei Fliegeralarm wurden die Mädchen nach Hause geschickt. „Das war ein weiter Weg“, erinnert sich die 87-Jährige, die sich des Öfteren auf dem Heimweg verstecken musste. In der Siedlung habe es auch Schutzkeller gegeben, ganz einfache, mit Stützen aus Holz. Schöne Erinnerungen hat Anna-Maria Orlowski an Weihnachten 1945. Ein amerikanischer Soldat und dessen Frau luden sie und andere Kinder ihres Alters in den Fliegerhorst nach Penzing ein. „Ich habe gedacht, ich bin im Himmel“, erinnert sie sich, ob der vielen Süßigkeiten und brennenden Kerzen.

    Am Tag der Erstkommunion heulten die Sirenen

    Bis heute lebt Rosina Bart in Oberbergen. Dort erlebte die heute 88-Jährige auch das Kriegsende. Die Luftangriffe auf den Fliegerhorst in Penzing sind ihr in Erinnerung geblieben, durch die Druckwellen seien immer wieder die geschlossenen Fensterläden aufgesprungen. Auch am Tag ihrer Erstkommunion habe es einen Fliegeralarm gegeben. Für die damals Achtjährige war das Begräbnis eines erst 17 Jahre alten deutschen Soldaten prägend. Der junge Mann sei im Frühjahr 1945 bei Gefechten in Kaufering ums Leben gekommen. Rosina Bart erinnert sich an den in Planen eingewickelten Leichnam. Erst an Allerheiligen seien die Eltern des Soldaten aus Aschaffenburg nach Oberbergen, wo der junge Mann begraben worden war, gekommen.

    Teil der Erinnerung an das Kriegsende vor 80 Jahren sind auch die Häftlinge aus den KZ-Außenlagern rund um Landsberg. Rosina Bart aus Oberbergen berichtet über den Todesmarsch nach Dachau kurz vor dem Einmarsch der US-Amerikaner. Von ihrem Heimathaus aus habe sie die „lange, graue Reihe“ gesehen, die auf der Straße von Penzing in Richtung Schwabhausen unterwegs war. Auch Anna-Maria Orlowski erinnert sich an die KZ-Häftlinge, die zur täglichen Zwangsarbeit durch die Schwaighofsiedlung mussten. Der eine oder andere Bewohner habe ihnen heimlich Kartoffeln zugesteckt, sagt sie.

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