Das italienische Phänomen
Silvio Berlusconi ist das politische Stehaufmännchen
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Für uns Deutsche ist die Kombination Italien und Berlusconi eines der Rätsel europäischer Politikgeschichte. Ein selbstherrlicher Dandy führt das Land, das ihn zweimal gewählt hat. Einen Mann, der ein Fernseh-Imperium von zweifelhafter Qualität führt, Gesetze zum eigenen Vorteil durchbringt und Affären mit Partygirls schätzt. Was in den meisten europäischen Staaten undenkbar wäre für einen Regierungschef.
Aber bei Silvio Berlusconi ist vieles möglich. Dass angeschlagene Alphatiere nicht unterschätzt werden dürfen, bewies die Abstimmung in der römischen Abgeordnetenkammer, als der trickreiche Stratege den Misstrauensantrag der Opposition abwehrte.
Das Phänomen Berlusconi: Natürlich hat es zu tun mit der Schwäche der Mitte-Links-Parteien. Der blasse Oppositionschef Walter Veltroni fürchtet, dass Berlusconi ein „Modell Putin“ einführt, mit einem Parlament, das nicht viel zu sagen hat. Aber der Ministerpräsident trifft gerade ins Herz vieler Menschen, die das italienische Parlament schon immer als Selbstbedienungsladen sahen. Zentralismus und Bürokratie samt Finanzpolizei, die Barbesitzer wie Obstbauern und Kleinunternehmer nerven, lasten viele Wähler nicht dem Regierungschef an. Vielmehr imponiert ihnen seine Kritik an staatlichen Institutionen.
Trotzdem: Angesichts der knappen Mehrheit sind die dringenden Reformen zur Überwindung der Rezession nicht durchsetzbar. Zwischen Padua und Palermo geht ein Riss durch das Land. In vielen Teilen des Landes demonstrierten gestern Studenten, in Rom kam es zu Krawallen. Mag sein, dass der eitle Berlusconi nun siegesgewiss auf Neuwahlen setzt. Könnte auch sein, dass seine Rechnung aufgeht. Die längst fällige Götterdämmerung hat noch nicht begonnen.
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