Der Fall Julian Assange: Journalismus darf nicht strafbar sein
Wikileaks-Gründer Julian Assange ist kein Sympathieträger. Ob er Gesetze verletzt, muss man untersuchen. Aber nicht journalistische Praxis unter Strafe stellen.
Nein, Julian Assange ist kein strahlender Held. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks agiert so, wie er am Donnerstag voriger Woche zu besichtigen war, als ihn britische Polizisten aus der Botschaft Ecuadors in London zerrten: Wirr waren da seine Haare, lang der Bart.
Wirr bis sprunghaft sind auch die Gedanken und Handlungen des Australiers, der fast sieben Jahre in dem Botschaftsgebäude ausharrte, nachdem er mit seiner Plattform – und in Kooperation mit Medien wie der New York Times , dem Guardian und dem Spiegel – das Innenleben der Weltmacht USA der ganzen Welt offenbart hatte, sodass deren Mächtige vor der ganzen Welt blamiert dastanden.
Ich gehörte damals zu einem Spiegel-Team, das die vielen (Hundert)tausende US-Datensätze über den Afghanistan-Krieg, Geheimaktionen in Pakistan, über Botschaftsaktivitäten aus der ganzen Welt auswerten durfte. Schon damals war der Umgang mit Assange außerordentlich schwierig, weil er ein Aktivist war, kein Journalist. Seine Agenda (die vermeintlichen Verbrechen einer Weltmacht offenzulegen) verfolgte er so starr, dass er dafür vielleicht sogar über Leichen gegangen wäre. Manche Grundsätze – etwa dass der Schutz von Informanten vor Repressalien wichtiger ist als totale Transparenz – mussten meine Kollegen und Vorgesetzten damals intensiv mit ihm verhandeln.
Wie viel Journalismus soll noch erlaubt sein?
Man kann Assange also unsympathisch, selbstgerecht, auch rücksichtslos nennen. Aber ist er deswegen ein gefährlicher Straftäter? Bei seiner aktuellen Verhaftung geht es nur vordergründig um vermeintliche Verletzungen von Auflagen zur Haftverschonung – und auch nicht wirklich um Neues zum Verfahren gegen ihn wegen angeblicher sexueller Nötigung. Es geht um das Staatsverbrechen Geheimnisverrat. Kurz nach Assanges Festnahme veröffentlichte ein Gericht in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia eine Anklage gegen den Internet-Aktivisten. Darin wird ihm „Verschwörung zum Eindringen in Computer“ vorgehalten – er sei nicht autorisiert gewesen, „klassifizierte Informationen der Vereinigten Staaten zu erhalten“.
Schaut man sich diese Anklage näher an, wird es aber brandgefährlich. Es geht darin nämlich auch um die prinzipielle Frage, wie viel Journalismus noch erlaubt sein soll – und wie leicht sich gerade Journalisten, die über das schreiben, was Mächtige geheimhalten wollen, strafbar machen können.
Denn so unsympathisch sich Assange gerieren mag: Der Vorwurf, schon durch die Veröffentlichung von geheimen Informationen habe er Blut an seinen Händen, ließ sich nie wirklich erhärten. Erhärtbar ist aber, was auch dank ihm Bürger erfuhren über unsinnige Kriegsstrategien, gefährliche Geheimdienstaktivitäten – den ganzen Irrsinn von (zu) viel Macht also.
Donald Trump sieht Journalisten als Volksfeinde
Dass dies ein Bürgerrecht ist, hat damals schon Barack Obama nicht verstanden, der sich als Kämpfer für Pressefreiheit gerierte – aber in Wahrheit höchst restriktiv gegen Whistleblower vorging. Natürlich versteht es sein Nachfolger Donald Trump nicht, der Journalisten ohnehin als Volksfeinde bezeichnet.
Wohlgemerkt: Es ist völlig in Ordnung, zu klären, ob sich Julian Assange strafbar gemacht hat (hacken ist kein Journalismus!).
Was Assange aber auch vorgehalten wird, sind Verhaltensweisen, die alle Journalisten praktizieren müssen – ob sie aus Afghanistan berichten oder über den Bürgermeister in ihrer kleinen Gemeinde. Etwa die, Quellen zu schützen. Oder sich im digitalen Überwachungszeitalter gelegentlich verschlüsselter Informationswege zu bedienen.
Essenzielle journalistische Praktiken in Frage zu stellen ist: nicht in Ordnung. Ganz gleich, ob man Mr. Assange mag oder nicht.
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Oh doch - Journalismus muß strafbar sein wenn Grenzen überschritten werden. Assange scheint wohl in allem ein äußerst "zweifelhafter" Zeitgenosse zu sein. Aber wie ist das doch mit den Krähen ...