Erdogans Systemfehler
Erdogans Regierungsstil, der bisher im Wesentlichen im Prinzip Durchboxen statt Überzeugen bestand, hat Schiffbruch erlitten.
Er lässt friedliche Demonstranten in einem Istanbuler Park von der Polizei zusammenknüppeln, er erklärt seine Moralvorstellungen zum Maß aller Dinge: Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan war zuletzt immer weniger gewillt, auf Kritik oder Einwände einzugehen. Jetzt hat er die Rechnung dafür erhalten in Form der schwersten regierungsfeindlichen Unruhen in der Türkei seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren.
Gegenüber Kritikern verweist Erdogan stets darauf, dass er ein demokratisches Mandat für seine Politik habe, was angesichts eines Stimmenanteils von fast 50 Prozent für die AKP bei der Parlamentswahl vor zwei Jahren auch richtig ist. Nur bedeutet ein demokratisches Mandat nicht, dass die Ansichten der restlichen 50 Prozent ignoriert werden können.
Erdogans Regierungsstil, der bisher im Wesentlichen im Prinzip Durchboxen statt Überzeugen bestand, hat Schiffbruch erlitten. Gleichzeitig sind die Demonstrationen ein Reifezeugnis für die Türken. Sie haben ihrer Regierung die Grenzen aufgezeigt.
Anders als in Ägypten oder Libyen hat die türkische Regierung aber eingelenkt und die Polizei abgezogen, um Schlimmeres zu verhindern. Das war gut für die Demokratie in der Türkei und vielleicht das Beste, was Erdogan in den vergangenen Tagen getan hat.
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