Die Große Koalition ist nach einem Jahr bereits erledigt
Seit einem Jahr regiert das ungeliebte Bündnis. Deutschland ist in der Zeit nicht untergegangen, das Vertrauen in die Koalition schon. Es hilft nur das rasche Ende.
Wer sagt, dass in der deutschen Politik nicht mehr diskutiert wird? Das ganze letzte Wochenende war Thema, wann denn nun der Stabwechsel im Kanzleramt stattfinden solle, Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte im Interview mit unserer Redaktion eine Debatte darüber losgetreten. Zu Wochenbeginn ging es gleich munter weiter, Sujet diesmal: Europa. Unionschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) antwortete nämlich betont unterkühlt auf die Reformideen von Emmanuel Macron.
Nur, wer die Namen anschaut, dem fällt gleich auf: Die aktuellen Akteure der Großen Koalition im Bund kommen in solchen Debatten gar nicht mehr vor. Gabriel ist, obwohl er fleißig durch die Republik reist, bloß mehr Handlungsreisender in eigener Sache. Als GroKo-Vertreter hätten sich Parteichefin Andrea Nahles oder Vizekanzler Olaf Scholz zu Wort melden müssen. Koalitionschefin – und damit dem französischen Präsidenten eine Antwort schuldig – ist zudem ungeachtet aller AKK-Präsenz immer noch: Angela Merkel.
Es tut sich also gerade politisch sehr viel in Deutschland, es werden Positionen neu vermessen, inhaltliche Schärfungen vorgenommen. Nur auf die Große Koalition färbt davon nichts ab. Sie feiert ihren Jahrestag, aber sie könnte auch schon ihren Todestag begehen: Sie ist schlicht erledigt.
Die GroKo war von Anfang an keine Liebesheirat
Natürlich ist das Bündnis von Anfang an keine Liebesheirat gewesen, sondern eine Vernunftehe. Nun erscheint sie vielen Beteiligten nicht mal mehr vernünftig – zumal sie ja nach zwei Jahren ohnehin ihre eigene Rundum-Überprüfung vorgesehen hat. Gewiss, sie regiert, erlässt (gar nicht so wenige) Gesetze. Aber eine Regierung kann nicht nur verwalten, sie muss gestalten, etwa die Zukunft. In dieser Hinsicht kann die Note auf dem Jahreszeugnis nur lauten: ungenügend.
Eigentlich wissen das auch alle Beteiligten. Die Sozialdemokraten haben längst eingesehen, dass ihnen die so ersehnte Erneuerung in der Koalition nicht gelingen wird. Auch die Union kann wenig Interesse daran haben, dass die neue Hoffnungsträgerin AKK sich noch jahrelang neben der Kanzlerin warmlaufen muss. Sonst ist nämlich das Neue bald weg und es häufen sich die Chancen für Fehler, Stichwort: Karneval. Irgendwann wird, Stichwort Macron, zudem dem Rest der Welt die Aufgabenteilung zwischen einer außenpolitisch agierenden Noch-Kanzlerin und einer sich profilierenden Nachfolgerin immer absurder vorkommen.
Daher ist dies die erste Koalition, die Großes vollbringen kann, nicht im Miteinander – sondern in der Frage, wie sie auseinandergeht. Das ist nämlich gar nicht so einfach: Merkel kann (und will vielleicht auch nicht) einfach abtreten. Die SPD könnte zwar, schon weil manche ihrer Minister sehr an ihren Posten hängen, selbst AKK zur Nachfolgerin mit wählen. Die Verachtung ihrer Basis wäre den Parteioberen dann freilich endgültig sicher.
Es bleiben für eine Regierung nur zwei Optionen
Daher bleiben eigentlich nur zwei Optionen. Entweder ein neuer Anlauf für ein Jamaika-Bündnis, für den es schon eine Mehrheit gab, aber nicht genug politische Klugheit der Beteiligten, vor allem bei FDP-Chef Christian Lindner. Der hat seinen Fehler eingesehen und bietet sich nun an (die erstarkten Grünen werden sich mehr zieren).
Oder es kommt, sauberer noch, zu Neuwahlen – und danach vielleicht zu dem Experiment Schwarz-Grün. Ganz gleich, welche Konstellation aber: Alles wäre besser für das Land – und die Außenwirkung von Politik – als ein verlängertes Dahinsiechen der GroKo.
Diese kann nur noch Großes schaffen, wenn sie einen großen Abgang hinlegt.
Die Diskussion ist geschlossen.
Wer glaubt, dass Schwarz-Grün oder sogar Jamaica das Land weiterbringen würden ist schon sehr bläugig oder er setzt den Wunsch vor die Wahrscheinlichkeit. Wie sollen 2 bzw 3 Parteien, die in ihren Ansichten diametral auseinanderstehen besser regieren als die jetzige Koalition, die politisch sowieso schon ein Einheitsbrei ist.
Wenn wir nicht so irrationale Berührungsängste hätten würde sich in Deutschland sehr wohl eine konservative Mehrheit finden.
Es gibt noch eine 3. Option: es bleibt alles so wie es ist - und das ist mit 99% die Wahrscheinlichste. Wetten, daß?
Koalitionen sind nie Liebesheiraten sondern Zweckbündnisse. Und ein Hauptzweck ist die Sicherung der Diäten. Oder glaubt jemand ernsthaft, daß z.B. bei Neuwahlen nicht etliche von der CDU/CSU und SPD nicht mehr im Parlament wären? Diejenigen die das treffen würde wissen das haargenau - und die fürchten Neuwahlen wie der Teufel das Weihwasser.
@Peter P.
Unfug.
Kanzlerin Merkel III hat in der letzten BTW ihre Regierungsmehrheit verloren. Sie bevorzugte ja zuächst die Jamaika-Koalion. Mit der Gestaltung einer solchen ist sie aber gescheitert. Und mutierte zur amtierenden Kanzlerin.
Als solche hatte sie danach nur noch die bekannten eingeschränkten Befugnissen. Und sie hatte eben keinerlei Machtoptionen. (Die lagen, so sieht es unsere Verfassung vor, beim Bundespräsidenten).
Erst mit der Neuwahl der Regierung IV, auf Vorschlag des Bundespräsidenten, hatte sie wieder volle Machtbefugnisse.
In 2018 hat die CDU/CSU 8.5 % Stimmenanteile verloren,
die SPD 5.2 %.
Die Regierungskoalition hat 2017 eben 13.7% Stimmenanteile verloren. Reicht das immer noch nicht ...?
>> Es hilft nur das rasche Ende. <<
Der Bundesrepublik Deutschland?
Wie wollten Sie denn diese Bundesrepublik Deutschland abschaffen?
Die Antwort darauf kann nur die Teilung sein.
Zur Redlichkeit gehört:
Diese GroKo war nicht die gewünschte Koalition. Die abgewählte Kanzlerin hatte es nicht fertig gebracht, die angepeilte Jamaika-Koalition zu installieren. Punkt.
Erst danach ergab sich die SPD einem geballten, auch journalistischem Druck, bis hin zu Ermahnungen des Bundespräsidenten. Der Tenor war: die SPD müsse sich aus staatspolitischen Gründen in einer GroKo disziplinieren.
Und die demokratische Notwendigkeit einer starken Opposition fand keine Zustimmung. Auf einmal war der demokratische Konsens einer politischen Aufgaben-Teilung zur Ausbalance unserer Demokratie unwichtig. Es wurde der abgewählten Kanzlerin weiterhin gehuldigt, obwohl sie selber sagte, sie wisse nicht, was sie politisch anders machen solle.
Ein solcher Satz nach der beispiellosen Abwahl der Regierung Merkel III!
Und wieder fällt im o.a. Kommentar der Name des unsäglichen ehemaligen SPD-Vorsitzenden Gabriel. Bewiesenermaßen untauglich. Dem braucht auch die AA nun wirklich nicht hinterher hecheln. Aber sie tut es.
Die aktuelle GroKo war und ist KEINE Vernunftehe. Sie ist das Gegenteil dessen.
Denn nach der letzten BTW hätte es einen Neuanfang geben müssen, unter Beteiligung des Bürgers, der sich ja zuhauf von der Regierung MerkelIII abgewendet hatte.
Demokratie lässt sich nicht entwickeln unter praktischem Ausschluss einer großen Masse der Bevölkerung. Demokratische Vielfalt gibt es nicht zum Nulltarif.
Und wenn sich gestandene Journalisten nicht entblöden, sich Jahre und Jahrzehnte in fast heilige Figuren zu versenken, stimmt etwas nicht. (Das gilt z.B. für die fast heiligen Figuren Kohl, Schröder, Merkel gleichermaßen).
>> Die abgewählte Kanzlerin hatte es nicht fertig gebracht, die angepeilte Jamaika-Koalition zu installieren. <<
Die abgewählte Kanzlerin? Verloren hat 2017 die GroKo - die SPD relativ stärker als die CDU/CSU.
Und die SPD weiß ganz genau, dass sie keine bessere Kanzlerin bekommen wird.
Und man sollte auch das Wahlergebnis vor Augen behalten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bundestagswahl_2017
Wenn Gregor Peter Schmitz recht hat und die Zeichen auf Erneuerung stehen, brauchen wir viel "German Mut"!
Der aber ist bei uns eine eher rare Tugend.
Denn hierzulande wohnt jedem Anfang ein Zauber inne, aber eben auch: ein Zaudern!
Am Ende hat sich aber auch bei uns meist die Einsicht durchgesetzt:
Wat mutt, dat mutt!
"Die GroKo war von Anfang an keine Liebesheirat"
Das wusste doch jeder, aber die Machtgier auf beiden Seiten setzte diesen Unsinn durch. Vielleicht auch immer gut, damit man die Schuld ständig auf den "Partner" abwälzen kann - somit nie klare Aussagen und Beschlüsse fassen muss, die u. U. ins eigene Knie treffen und somit künftig Wählerstimmen kosten.