10.000 Stellen an Schulen sind heute unbesetzt. Im schlimmsten Fall werden es bald noch viel mehr. Viele Rettungsversuche der Politik sind zu kurz gedacht.
Einstellungsgespräche an Berliner Schulen laufen im Moment etwa so: „Sie können Trompete spielen? Gut, wir brauchen einen Musiklehrer.“ Um fehlende Lehrer zu ersetzen, greift man in der Hauptstadt zu Hunderten auf Quereinsteiger zurück, die sich in einem Crashkurs pädagogisches Wissen aneignen. Doch Berlin ist nicht allein: In allen 16 Bundesländern sind Lehrer die wohl gefragtesten Fachkräfte geworden – besonders an den unterversorgten Grund-, Mittel- und Förderschulen.
Jahrelang war das anders. Bildungspolitiker quer durch die Bundesrepublik haben versäumt, vorauszuplanen und um potenzielle Lehrkräfte zu werben. Sie haben irgendwie übersehen, dass die Deutschen in den vergangenen Jahren mehr Kinder und damit Schüler als prognostiziert in die Welt gesetzt haben. Diese Kinderüberraschung kommt nun an den Schulen an. Jetzt, wenn tausende Erstklässler ihren ersten Schultag feiern, zeigen sich die Schulen von ihrer besten Seite – und fangen morgen wieder an, mühsam den Unterricht aufrechtzuerhalten. Und zwar mit Lehrern, die älter werden, oft kurz vor der Pensionierung stehen. Der Ausbau des Ganztags verschärft alles noch. Er war vielleicht am wenigsten vorherzusehen.
Lehrermangel an Grundschulen - Nun greift die Verzweiflung um sich
Wie die Bundesländer die Lücken zu stopfen versuchen, zeugt von einer großen Verzweiflung. In Thüringen klingelt die Regierung bei Erzieherinnen, die noch in der DDR ausgebildet wurden, und bittet sie, in den Grundschulen auszuhelfen. Brandenburg versucht, Lehrer aus Polen zu locken. Berlin zahlt „echten“ Grundschul-Pädagogen ein Top-Einstiegsgehalt von 5300 Euro monatlich und nimmt dafür sogar in Kauf, ab Sommer 2019 auch sämtliche Lehrer hochzustufen, die schon lange im System sind. Das kostet jährlich rund 55 Millionen Euro – viel Geld für den notorisch klammen Senat. Ohne die Quereinsteiger hätte dennoch so mancher Stundenplan Leerstellen. Und der Druck auf die Aushilfslehrer ist riesig. Mit dem Trompeter, der plötzlich Noten vergeben muss, statt sie vom Blatt zu spielen, möchte man nicht tauschen.
Mancher Kultusminister bemüht sich angesichts der Misere gar nicht mehr, seine Verzweiflung zu verbergen. Das Problem an vielen ihrer Notmaßnahmen: Sie überwinden den Lehrermangel nicht, sie kaschieren ihn nur. Wer nicht möchte, dass Kinder in den nächsten Jahren regelmäßig vor einem leeren Pult sitzen oder dass ein Sportlehrer spontan Sprachen unterrichtet, muss die Fehler ausradieren, die im vergangenen Jahrzehnt gemacht wurden.
Das dauert. Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Thüringens Schulminister Helmut Holter (Linke), sagt es ja selbst: Seit Beginn der 2000er Jahre sei der „Personalabbau im Öffentlichen Dienst“ das alles überragende „Mantra“ gewesen. Das Mantra der Gegenwart erschließt sich da wie von selbst. Die Länder müssen so schnell es geht Studienplätze schaffen – und zwar viele. Denn die Schüler müssen nicht nur versorgt sein, sondern auch gefördert werden. Die Leidtragenden einer Lehrerplanung auf Kante sind nämlich Kinder aus Familien, deren Eltern ihnen nicht beim Lernen helfen. Und Kinder mit fremden Wurzeln, deren Eltern ihnen oft nicht helfen können.
Bayern muss die letzten Reserven zusammenkratzen
Bayern hat das jetzt erkannt: Zum Herbst gibt es 700 neue Studienplätze für das Lehramt Grundschule, wo die Ausstattung am prekärsten ist. Doch die Nachwuchslehrer sind frühestens in vier Jahren fertig. Bis dahin bleibt auch hier dem Kultusministerium nur, Pensionäre zum Bleiben zu überreden, Teilzeit aufzustocken, Junglehrer von Gymnasium und Realschule zum Umschulen zu bewegen, kurz: die letzten Reserven zusammenzukratzen.
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Haben wir uns eigentlich schon Gedanken über die "Finanzierung" gemacht? Alle Lehrer werden oder sind verbeamtet und gehen nach mehr oder wenige langer Zeit in Pension, aber nicht auf lausigem Rentenniveau eines Arbeiters bzw. Angestellten.