Im Kampf um die Spitze liegen zwei Kandidatenpaare vorn, die unterschiedlicher kaum sein können. Rückt die Partei weiter nach links?
Die tiefe Zerrissenheit der SPD zeigt sich nach der ersten Runde des Mitgliederentscheids über die künftige Parteispitze deutlich wie nie zuvor. Dabei sollten die 23 Regionalkonferenzen zur Vorstellung der Kandidaten ja eigentlich Versöhnung und Einigung bringen. Doch die Castingshows waren nur harmloses Vorgeplänkel. Jetzt kommt es bei der Stichwahl zur größt-, ja brutalstmöglichen Zuspitzung.
Denn die beiden Kandidatenpaare, die von der Basis die meisten Stimmen erhielten, stehen für zwei Strömungen innerhalb der Sozialdemokratie, die einander schon in den vergangenen Jahren aufs Härteste bekämpften. Hätten sich die Genossen mit vergleichbarer Leidenschaft an gegnerischen Parteien abgearbeitet, wären sie in der Wählergunst wohl kaum so tief gefallen.
Scholz dürfte seine allgemeine Bekanntheit gerettet haben
Olaf Scholz, der zusammen mit Klara Geywitz aus Brandenburg die meisten Stimmen holte, ist Sieger und muss doch vor dem zweiten Durchgang gewaltig zittern. Der Bundesfinanzminister und Vizekanzler will die Koalition mit der Union fortsetzen und verweist auf deren Erfolge. Er steht für einen pragmatischen Kurs der Mitte, finanzpolitisch gibt er den soliden Kassenwart der Nation.
Norbert Walter-Borjans, mäßig bekannter Polit-Rentner und ehedem Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, fordert dagegen, für Investitionen neue Schulden zu machen. Mit seiner Kandidatenpartnerin Saskia Esken aus Baden-Württemberg steht er für einen Ausstieg aus der Regierung und einen deutlichen Linksruck.
Scholz hat immerhin die Schmach abgewendet, die ein vorzeitiges Ausscheiden bedeutet hätte. Damit bleibt ihm auch der Rücktritt von seinen Regierungsämtern erspart, der bei einem Misserfolg fällig gewesen wäre. Gerettet haben dürfte ihn, dass er mit Abstand der bekannteste Bewerber war. Wäre es allein nach dem Applaus bei den Regionalkonferenzen gegangen, er wäre wohl eher im Mittelfeld gelandet. Doch nur ein Bruchteil der SPD-Mitglieder war beim Schaulaufen der Kandidatenpaare dabei.
Das Motto des linken Lagers ist: „Bloß nicht Scholz“
Dass das Ergebnis vom Samstag noch keinerlei Voraussage für den Ausgang der Stichwahl zulässt, zeigt sich beim Blick auf die Werte der vier ausgeschiedenen Paare. Boris Pistorius und Petra Köpping, das einzige andere Duo, das ähnlich wie Scholz/Geywitz für einen eher konservativeren Kurs steht, landete nur auf dem vorletzten Platz. Die restlichen drei Kandidatenpaare vertreten mehr oder weniger linke Positionen. Sollten ihre Anhänger nun geschlossen für Walter-Borjans und Esken stimmen, hätten Scholz und Geywitz kaum eine Chance.
Scholz kann jetzt nur versuchen, die vielen Genossen zu mobilisieren, die im ersten Durchgang nicht abgestimmt haben. Die Wahlbeteiligung lag bei mäßigen 53 Prozent. Unschlüssige Genossen könnte der Bundesfinanzminister auf seine Seite ziehen, indem er der Union einen Kompromiss bei der Grundrente abtrotzt. Unter welches inoffizielle Motto das linke Lager seine Kampagne stellen wird, ist auch klar: „Bloß nicht Scholz“.
Die vermeintliche Personalentscheidung wird zur Richtungsentscheidung
Die Mitglieder müssen sich jetzt fragen, ob ihre SPD am Ende ihrer monatelangen Selbstfindungsphase als die Partei dastehen soll, die eine halbwegs ordentlich funktionierende Regierung platzen lässt. Als Partei, die verhindert, dass ein Koalitionsvertrag weiter umgesetzt wird, der deutlich erkennbar die eigene Handschrift trägt. Und als Partei, die sich einseitig auf linke Bündnisse festlegt, für die nirgends Mehrheiten in Sicht sind.
Die vermeintliche Personalentscheidung um die Parteispitze wird für die Sozialdemokraten zur Richtungsentscheidung – bei der es um nichts weniger als ihr Überleben geht.
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"Norbert Walter-Borjans, mäßig bekannter Polit-Rentner und ehedem Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, fordert dagegen, für Investitionen neue Schulden zu machen."
Der "Polit-Rentner" hatte wenigstens den Schneid, gegen den Willen Schäubles und das übliche Gezeter der verhinderten Ausländer-Bemauter aus Bayern die CD's mit den Daten reicher Steuerbetrüger zu kaufen und damit dem Staat Hunderte Millionen Einnahmen zu sichern.
Sie phantasieren, Herr Junginger.
Sinn und Zweck von 23 Regionalkonferenzen der SPD war eben NICHT Friede, Freude, Eierkuchen.
Beim Kaffekränzchen wird Versöhnung und Einigung serviert? Weiter entfernt von der Realität kann wohl kein Journalist sein.
Ihre Vor-Bemerkung, in Frageform, „rückt die SPD weiter nach links?“, suggeriert, dass die gebeutelte und sich selbst beutelnde SPD eine politisch „linke“ sei. Und das ist grundfalsch.
Die SPD hat sich Raum und Zeit gegeben, ihre/n folgenden Partei-Vorsitzenden etwas näher unter die Lupe zu nehmen. Etwas, was seit vielen Jahren in der SPD nicht mehr möglich war. Und damit einhergehend aktuelle Klärung und Beschreibung sozialdemokratischer politischer Kernkompetenzen.
Ausrichten des politischen Kompasses für die Zukunft. Und das ist notwendig.
Dabei geht es eben nicht in erster Linie um die Frage der GroKo.
Die GroKO, mit Verlaub, ist schnurz. Haben wir als Gesellschaft 14 Jahre Frau Merkel als Kanzlerin ausgehalten, werden wir das auch noch eine geringe Zeit länger tun.
Denn, dass in ihrer Kanzlerzeit dieses Land sich modern, fortschrittlich und zukunftsfähig gegeben hat, bestreite ich.
Seit dem Kanzler der Bosse, der von seinen eigenen SPD-Bundestagsabgeordneten nichts mehr wissen wollte und deshalb in 2005 ein getürktes Misstrauens-Votum inszenierte, ist eine politische Richtung „links“ nicht erkennbar.
Und also haben sich ca. 13 Millionen ehemalige sozialdemokratische Wähler absentiert und konstant bei folgenden Wahlen verweigert. Und dazu fast 600.000 SPD-Mitglieder.
"Für die SPD geht es jetzt ums Überleben"
Ach, Herr Junginger, wo haben Sie denn die letzten Jahre verbracht?
Für die SPD geht es ganz sicher nicht erst jetzt ums Überleben. Sondern schon seit dem eine Clique stramm rechter - manche meinen - korrupter Spezialdemokraten um den "Genossen der Bosse" Maschmeyer und Konsorten in den Allerwertesten kroch und auf die eigenen Anhänger und Wähler der arbeitenden Bevölkerung losging. Weniger Steuern für die Oberschicht, Sozialabbau für Malocher.
In der Fortsetzung dieses neoliberalen Irrsinns, für den auch Scholz - garniert mit ein wenig "Sozialklimbim" steht, liegt bestimmt nicht die Rettung der SPD. Und auch nicht darin, weiterhin in der Groko mühseligst CSU/CDU das eine und andere kleine Zugeständnis abzuringen, um dann - wie z. B. bei der kürzlichen Entscheidung über ein Tempolimit auf Autobahnen - aus Koalitionsräson gegen die eigenen Überzeugungen zu stimmen.
Der SPD fehlt seit Schröder und Co. ein Narrativ als Gegenmodell zum verlogenen Märchen der Neoliberalen von den Segnungen des ungeregelten "freien Marktes", der Zurückhaltung bei Löhnen, bei Sozialleistungen - aus deren Finanzierung sich die Begüterten immer mehr davonstehlen.
Die höchst ungerechte Verteilung der erarbeiteten Werte spaltet die Gesellschaft und wird zum Totengräber der Demokratie.
die Jetzige SPD kann mit dem Schlechtesten Außenminister den wir je hatten nur verlieren und wird untergehen wie die FDP