Manche politische Forderung überrascht durch ihre unbedachte Unbedarftheit. Die nach einem neuen Anlauf für eine Pkw-Maut auf Autobahnen gehört dazu. Wozu sollte der Staat die Autofahrer zur Kasse bitten, wenn er sich durch das neue Sondervermögen Infrastruktur einen Topf voller Geld (auf Pump) vor die Tür gestellt hat? Derart viel Geld („Doppelwumms“) könnte die Verwaltung weder in konkrete Projekte umsetzen, noch hat die Bauindustrie genügend Personal dafür.
Der frühere Finanzminister Theo Waigel (CSU) hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, die Pkw-Maut einzuführen und stattdessen auf das Sondervermögen für Straßen, Schienen und Brücken zu verzichten. Das wäre ein gangbarer Weg gewesen, um der öffentlichen Hand mehr Einnahmen zu verschaffen und den Sanierungsstau zu beheben. Beide Instrumente zusammen ergäben jedoch keinen Sinn.
Auch die Pkw-Maut wäre eine Art Steuererhöhung
Für die aktive CSU-Spitze wäre ein Neuanlauf der Straßensteuer einem schmerzhaften Rühren in der alten Wunde gleichgekommen. Der Europäische Gerichtshof hatte einst den christsozialen Wahlkampfschlager Ausländer-Maut gestoppt und damit de facto die Karriere des damaligen CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer beendet. Polittaktisch wäre ein zweiter Versuch auch aus einem weiteren Grund unklug. Hatte die Union im Wahlkampf nicht versprochen, keine Steuern zu erhöhen? Nun wäre die Maut eine Abgabe, aber im Wirbel um die Einführung des Wegezolls würde diese buchhalterische Unterscheidung verwischt.
Unabhängig von dieser Debatte atmet die von den Fachpolitikern der wahrscheinlichen Koalitionäre skizzierte Verkehrspolitik einen angenehm realistischen Geist. Die von den Grünen verkörperte Gegnerschaft zum Auto ist passé. Wenn sich Großstädte dafür entscheiden, Autos auszusperren, ist das eine Entscheidung der Stadtgesellschaft. Auf dem Land ist der eigene Wagen unverzichtbar.

Der künftige Verkehrsminister hat zwei vordringliche Aufgaben. Erstens muss das Programm zur Instandhaltung der Brücken ausgeweitet werden. Die Notsperrung der Rahmedetalbrücke im Sauerland entlang der A45 und der Ringbahnbrücke in Berlin dürfen sich nicht wiederholen, ganz zu schweigen vom Einsturz der Carola-Brücke in Dresden. Dass Schwarz-Rot den bestehenden Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ fortführen will, ist richtig.
Keinen Spurwechsel bei der Bahn
Die zweite große Aufgabe des nächsten Verkehrsministers ist die Sanierung der Bahn. Noch-Amtsinhaber Volker Wissing (Ex-FDP) hat die Weichen gestellt, sein Nachfolger muss den Kurs fortsetzen. Bitte keinen Spurwechsel. Die bis 2030 vorgeplante Generalüberholung von mehreren Dutzenden stark beanspruchten Korridoren muss genauso umgesetzt werden, wie das mit Bahnchef Richard Lutz vereinbarte Sanierungsprogramm für den Staatskonzern. Dass sich das Unternehmen selbst im Weg steht, weil zu viele Unterchefs umherlaufen, würden nicht einmal selbige bestreiten.
Kniffligstes Problem ist die seit Jahren defizitäre Gütersparte. Ob Cargo zurück in die schwarzen Zahlen rollen wird, ist fraglich. Im Zweifel stehen aber private Konkurrenten des Staatskonzerns bereit, um die Güter auf der Schiene zu transportieren. Wer die Autobahnen wirklich entlasten will, muss mehr Fracht über die Gleise von A nach B schaffen. Die Güterbahnen würden an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Lkw-Speditionen gewinnen, wenn die Erhöhung der Trassenpreise auf dem Schienennetz zurückgenommen würde. Mit dem Jahreswechsel war der Tarif um 16 Prozent gestiegen. Im Gegenzug müssen sich die Fuhrunternehmer darauf verlassen können, dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut wirklich dem Erhalt der Straßen zugutekommen und nicht im Verkehrshaushalt hin- und hergeschoben werden.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden