Abschied von St. Paul – und vom Lieblingscafé
Pfarrerin Stéphanie Fessler tritt eine neue Stelle in Ingolstadt an. Die 47-Jährige war in Pfersee stark verwurzelt und schaffte es im evangelischen Kabarett auch mal, ihren Beruf auf die Schippe zu nehmen
Wenn sich Stéphanie Fessler eine Auszeit gönnen will, muss sie nur die Straßenseite wechseln. Von ihrem Arbeitsplatz, der Kirche St. Paul, sind es nur wenige Schritte in die „Boulangerie“ mit ihren französischen Leckereien. Der Biss ins knusprige Croissant lässt in ihr Kindheitserinnerungen wach werden, denn sie ist in der französischen Schweiz, im Kanton Genf, geboren.
Künftig hat die evangelische Pfarrerin eine etwas weitere Anreise in ihr Lieblingscafé. Nach zwölfeinhalb Jahren verlässt sie die Pferseer Gemeinde, um sich in Ingolstadt-Brunnenreuth einer neuen Herausforderung zu stellen. Dort wartet auf sie eine 4800 Mitglieder starke Gemeinde, darunter ein weiterer Vollzeitpfarrer und eine Diakonin. Als „Teamarbeiterin“ freut sich Fessler auf die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Es sei gut für sie und die Gemeinde, dass etwas Neues kommt und eingefahrene Gleise verlassen werden.
Dennoch ist der Abschied von ihrer Pfarrei mit Wehmut verbunden. Da sind die vielen jungen Familien und die daraus resultierende rege Kinder- und Jugendarbeit. Zu den von den Jugendlichen organisierten Andachten kämen auch Erwachsene. Fessler ist hier nur im Hintergrund tätig: „Da schließe ich die Kirche auf und kopiere die Liedtexte“.
Dass St. Paul zu den wenigen wachsenden evangelischen Gemeinden zählt, macht Fessler schon ein wenig stolz. Das sei freilich auch auf die Beliebtheit Pfersees bei Zuzüglern zurückzuführen. „Der Stadtteil hat sich massiv gewandelt“, sagt sie. Als Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Vereine hat sie diesen Wandel aktiv miterlebt, sei es beim Festzeichenverkauf auf dem Maibaumfest oder bei Aktivitäten mit den anderen Konfessionen. „Mit Pfarrer Götz von Herz Jesu und Pfarrerin Caspari von den Alt-Katholiken konnte ich eine wunderbare Ökumene erleben.“
Veränderung hat Stéphanie Fessler nicht nur im Stadtteil wahrgenommen, sondern auch in der Gemeindearbeit. Neuen Gottesdienstformen steht sie aufgeschlossen gegenüber. Generell wünscht sie sich in der evangelischen Kirche „mehr Mut, um zu hinterfragen, welche Traditionen sinnvoll und wo Veränderungen angebracht sind“. Dass sie mit Ausnahme von Feiertagen auf teilweise leere Kirchenbänke blickt, erschüttert die Pfarrerin nicht. Auch Gemeindemitglieder, die nur sporadisch Gottesdienste besuchten, seien herzlich willkommen. „Ich freue mich, dass sie kommen.“
Sie selbst schöpft aus dem Glauben Kraft: „Da ist immer einer, der mich so annimmt, wie ich bin.“ Schon als Kind wusste die heute 47-Jährige, dass sie Pfarrerin werden will. Und es sei „nie was dazwischengekommen“, auch wenn sie sich auch eine Journalistenlaufbahn hätte vorstellen können. Beim Predigtschreiben kann sie diese Neigung jede Woche ausleben. Fesslers Maxime: „Man kann über alles predigen, aber nicht über 15 Minuten.“
Meist bekomme ihre Mutter die Predigt am Samstagabend vorgelesen. Sie sei eine gute Kritikerin. Familie und Freunde sind der Pfarrerin, die alleine lebt, schon wegen des „anderen Blickwinkels“ sehr wichtig. Für eine andere Perspektive sorgte auch das Engagement im evangelischen Pfarrer-Kabarett „Schwarzarbeiter“, in dem die Kirche schon mal auf die Schippe genommen wird.
Neben dem Kabarett wird Fessler die Fahrten ins Konficamp nach Italien vermissen. Dieses Angebot gebe es in Ingolstadt für die angehenden Konfirmanden nicht. Zu ihrem Bedauern wird sie künftig auch nicht mehr wie in Pfersee so viele Wege zu Fuß zurücklegen können. „Ich bin in Pfersee komplett ohne Auto ausgekommen, brauche jetzt aber wieder eines, um in meine beiden Kirchen zu kommen.“
Die Pfarrerstelle in St. Paul wird, wie in der evangelischen Kirche üblich, mindestens ein halbes Jahr unbesetzt sein. Pfarrer Claus Philipp Zahn von der Paul-Gerhardt-Gemeinde im Hochfeld ist mit der Vertretung betraut.
Stéphanie Fessler wird am Sonntag, 6. Mai, um 14 Uhr in St. Paul verabschiedet.
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