Gibt es den 911er bald auch als Elektro-Auto?
Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner spricht im Interview über die Strategie des Sportwagenbauers, das Problem mit den Ladezeiten und über einen Klassiker.
Herr Steiner, wenn Sie als Entwicklungsvorstand von Porsche ohne irgendwelche Vorgaben ein Auto bauen dürften – wie würde es aussehen?
Michael Steiner: Das wäre wahrscheinlich ein vollelektrischer Supersportwagen mit viel Leistung und einer gleichzeitig guten Umweltbilanz.
Das klingt nach der Quadratur des Kreises…
Steiner: Durch sehr effiziente E-Motoren, leichte Akkus, das richtige Fahrzeugdesign und echten Ökostrom als Treibstoff kann man sich einen Aufschlag bei der Leistung durchaus erlauben.
Sie sehen die Zukunft des Automobils also auf jeden Fall elektrisch?
Steiner: Die vollelektrische Technik ist noch sehr jung. Die Fortschritte, die wir bei dieser Technologie erzielen können, sind deshalb erheblich. Auch den Verbrennungsmotor kann man noch weiterentwickeln, aber in deutlich kleineren Schritten. Insofern ist es die richtige Strategie, auf das E-Auto zu setzen.
Welchen Weg geht Porsche?
Steiner: Beim Bau von Elektroautos gibt es zwei Strategien. Man kann mit großen, schweren Akkus große Reichweiten sicherstellen. Oder man kann versuchen, die Ladezeiten an E-Tankstellen stark zu verkürzen und im Gegenzug die Batterien etwas kleiner machen. Porsche konzentriert sich auf Letzteres.
Warum?
Steiner: Wir sind aus mehreren Gründen davon überzeugt, dass kleine und leichtere Batterien besser sind. Das Fahrzeug wird nachhaltiger, weil weniger Rohstoffe zum Einsatz kommen und die Fahrleistungen werden besser, weil das Auto leichter wird. Dazu kommt, dass die Kunden in der überwiegenden Anzahl der Fälle kürzere Strecken zurücklegen. Ein E-Auto auf die Langstrecke zu trimmen ist ineffizient, weil maximale Reichweiten sehr selten vom Kunden benötigt werden. Ein wirklich langstreckenfähiges E-Auto müsste riesige Akkus mit sich führen und würde teuer, schwer und zusehends unökologisch. Da ist es besser, dem Kunden wirklich schnelle Ladevorgänge zu ermöglichen und so den Nachteil der geringeren Reichweite wettzumachen.
Wie weit sind Sie dabei schon?
Steiner: Unseren gerade vorgestellten vollelektrischen Sportwagen Taycan kann man in gut fünf Minuten mit Energie für bis zu 100 Kilometer Reichweite nachladen. Das geht durch besonders hohe Ladeströme und ein ausgeklügeltes Temperaturmanagement im Akku. Bei dieser Entwicklung stehen wir noch lange nicht am Ende. Das wird künftig noch schneller gehen.
Laden auf der Überholspur sozusagen…
Steiner: Ja. Für größere E-Fahrzeuge, die auch längere Distanzen überwinden sollen, wird Schnellladen sicher zum Standard werden. Kunden, die beispielsweise mittlere Strecken zur Arbeit pendeln und regelmäßig über Nacht laden können, brauchen diese Hochtechnologie nicht. Für solche Einsatzzwecke ist der normale Hausanschluss als Stromtankstelle völlig okay.
Porsche-Aufsichtsrat Wolfgang Porsche hat jüngst offen über eine Beteiligung an Tesla nachgedacht. Außerdem hat Porsche kürzlich seine Beteiligung am kroatischen Sportwagenbauer Rimac erhöht. Geht es im E-Zeitalter ohne Partner nicht mehr?
Steiner: Der Weg der Zukunft liegt in arbeitsteiligen Partnerschaften, in denen jeder das erledigt, was er am besten kann. Wie solche Kooperationen im Detail aussehen, ist zweitrangig. Wichtig ist es, schnell zu sein, um die Produkte früh und in ausgereiftem Stadium anbieten zu können. Die Veränderungen im Fahrzeugbau sind derzeit so rasant, dass alle Mittel, die uns helfen, richtige Lösungen schneller auf den Markt zu bringen, zulässig, adäquat und auch nötig sind.
Wäre Tesla grundsätzlich ein guter Partner für Porsche?
Steiner: Es fällt mir schwer, das einzuschätzen. Klar ist, dass die Produkte der beiden Firmen sich nur am Rande überlappen.
Aber Fachleute bezeichnen Ihren Taycan als ersten ernst zu nehmenden Tesla-Jäger…
Steiner: Das schmeichelt uns, aber der Vergleich hinkt. Porsche und Tesla sind zwei komplett verschiedene Marken. Porsche steht für Sportlichkeit und Leistung pur. Wir haben nie das Ziel gehabt, mit unseren Fahrzeugen den Massenmarkt zu erobern, und bleiben dieser Devise auch treu.
Welchen Sinn macht eigentlich ein Elektro-Bolide wie der Taycan mit über 600 PS, der in unter drei Sekunden auf 100 Stundenkilometer beschleunigt?
Steiner: Wenn Sie Mobilität auf den reinen Zweck reduzieren, von A nach B zu kommen, kann man immer die Sinnfrage stellen. Das sehen wir bei Porsche aber nicht als unsere Aufgabe an. Wir wollen unseren Kunden auch Freiheit und Spaß am Fahren vermitteln, wollen das Fahren zu einem Erlebnis machen. Mit Autos wie dem Taycan loten wir zudem das technisch Mögliche aus. Und dies, etwa die 800-Volt-Technologie, die das Schnellladen ermöglicht, oder hocheffiziente Motoren, wird irgendwann auch in einfachere und günstigere Fahrzeugklassen Eingang finden.
Als Nächstes will Porsche seinen kleinen SUV Macan elektrifizieren. Gibt es auch bald einen Elektro-911er?
Steiner: Der 911er ist der 911er. Nach unserer Einschätzung passt zu diesem Konzept wunderbar der Heckmotor. Aber mit vollelektrischen 2-türigen Sportwagen aus dem Haus Porsche beschäftigen wir uns schon. So etwas können wir uns gut vorstellen.
Die Dieselkrise hat innerhalb des Volkswagen-Konzerns zum Abgang vieler Top-Manager geführt. Bei Audi wechselten die Entwicklungsvorstände im Jahresrhythmus. Auch Ihr Vorgänger hat das Unternehmen im Zuge der Abgas-Krise verlassen. Wie kann man eigentlich tolle Autos entwickeln, wenn viele führende Köpfe fehlen?
Steiner: Die Dieselkrise hat dazu geführt, dass man sich schneller und umfassender als zuvor mit neuen Antriebsformen beschäftigt hat. Sie hat also – wie jede Krise – Innovation und Wandel begünstigt.
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