
Mit Fracksausen zum Probespiel


Wer im jugendlichen vbw-Orchester beim Bad Wörishofer Festival der Nationen musizieren will, muss bereits allerhand können
Jetzt geht es bei ihr um was. Das merkt man der jungen Dame an. Mehrfach wischt sie ihre Handflächen an den Jeans ab; sie sind wohl feucht. Musiker-Nervosität, auch Fracksausen genannt.
Aber dann spielt das Mädchen den langsamen Satz eines klassischen Trompetenkonzerts außerordentlich musikalisch und tonschön. Freilich reicht das noch nicht ganz an diesem Sonntag in einem Gebäude der Münchner Musikhochschule, wo sich etliche junge Instrumentalisten prüfen lassen, ob sie schon reif genug sind zur Aufnahme in das so genannte vbw-Festivalorchester, also in das Jugend-Hausorchester des alljährlichen „Festivals der Nationen“ in Bad Wörishofen.
Beethoven alsPrüfstein
Die fünf Juroren wollen nämlich von der jungen Trompeterin noch mehr hören als selbst gewählte Konzertstücke: etwa heikle Signal-Passagen aus Beethovens „Egmont“-Ouvertüre, dazu anspruchsvolle Stellen aus Beethovens dritter Sinfonie „Eroica“. Letzteres gilt auch für die Cello-Prüflinge. Es gibt ein paar Takte im Scherzo, die haben es in sich – wenn man alle Artikulationsvorschriften präzise beachten will (gleichmäßiges Tempo, spiccato, piano, crescendo). Da müssen sich selbst fertige Orchestermusiker schwer konzentrieren. Und nicht alle Prüflinge können die Artikulierungshinweise der begutachtenden Juroren, von denen vier Fach-Dozenten des Orchesters sind, auf Anhieb auch deutlich hörbar umsetzen... Obwohl sie auf alles, was die Juroren sagen, höflich und zustimmend reagieren...
Zwei Geigen jedenfalls, die vorgespielt haben, wissen schon: genommen, bestanden! Und so werden sie Ende September beim Bad Wörishofer Festival unter dem Dirigenten Christoph Adt, dem fünften Juror hier in München, die berühmte Pianistin Hélène Grimaud begleiten und unter anderem auch Beethovens „Eroica“ aufführen – nachdem zuvor die einzelnen Stimmgruppen des vbw-Orchesters von den Juroren, zumeist Instrumentalisten aus dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, einstudiert worden sind.
Musizieren steht als Berufswunsch nicht an erster Stelle
Die beiden Geigen, das sind: Clara Ziche, Jahrgang 2000, aus Königsbrunn bei Augsburg, sowie Marius Drobisz, Jahrgang 2002, aus Pöcking. Beide besuchen das Gymnasium; beide haben schon Erfahrung in anderen Jugendorchestern gesammelt, und jetzt traten sie mit Mozart und Bruch beziehungsweise Henryk Wieniawski und Francesco Maria Veracini auf den Prüfstand.
Clara Ziche wünscht sich noch mehr musikalische Praxis; Marius Drobisz zieht es zum vbw-Festivalorchester, weil es „gut im Niveau“ ist und er dort andere Instrumentalisten kennt. Und beide – hochinteressant! – reflektieren genau, was sie nach dem Abitur machen wollen: Musik als Berufswunsch steht derzeit nicht unbedingt an erster Stelle. Aber sie kommt immerhin an in Frage. Clara Ziche erwägt mehr Jura, Marius Drobisz die Medizin.
Warum die Reserve? Sie: „Musik ist so zerbrechlich! Und so schwierig, wenn alles werden soll, wie man es sich vorstellt!“ Er: „Es gibt speziell bei den Geigen so viel Konkurrenz. Man muss sehr gut sein. Ich müsste bis acht Stunden üben am Tag, nicht zwei Stunden wie jetzt.“
95 000 Euro Zuschussin jedem Jahr
Vor dem Konzert in Wörishofen wird das Orchester an zwei Wochenenden und dann noch mal an drei Tagen direkt vor der Aufführung proben. Neben der „Eroica“ stehen Beethovens „Egmont“-Ouvertüre und Brahms’ erstes Klavierkonzert auf dem Programm – eben mit Hélène Grimaud am Flügel. Einen großen Vorteil haben die jungen Musiker zwischen elf und 17 Jahren: Ihnen wird sowohl die Anreise bezahlt als auch das Hotel vor Ort, die Verpflegung und die Freizeit-Aktivitäten. Beim Bayerischen Landesjugendorchester ist das nicht so, wie Clara Ziche aus Erfahrung weiß.
Dass das vbw-Festivalorchester darin großzügiger verfahren kann, geht auf die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zurück – Namensgeber und Sponsor des Klangkörpers. 95000 Euro gibt die Vereinigung jährlich seit 2009; eine schöne Summe, von der auch der Dirigent und die Dozenten honoriert werden. Fragt man Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung, warum die bayerische Wirtschaft gerade dieses Jugendorchester so stark fördert, lautet die Antwort: „Wir wollten das Festival der Nationen generell unterstützen und fanden im Orchester einen Ansatz, der zu uns passt: ganzheitliche Bildung, Förderung der Kreativität, Leistungsbereitschaft speziell der Jugend.“ Hingewiesen aber darauf, dass die Abkürzung „vbw“ kein wirklich attraktiver Name für ein Festivalorchester sein dürfte, kontert Bertram Brossardt: „Der Name hat markenbildenden Charakter. Wir tun Gutes und reden darüber. Und wir sind auch ein bisschen stolz darauf, dass es funktioniert.“
Minister Pschierer hälthohes Lob parat
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft kann sich hohen Lobs auch von Minister Franz Josef Pschierer sicher sein: „Als Wirtschaftspolitiker freut es mich sehr, dass sich die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft so tatkräftig für junge Nachwuchskünstler aus Bayern einsetzt. Durch dieses Engagement erhalten Musiker(innen) aller sozialen Schichten die einzigartige Möglichkeit, gemeinsam mit international renommierten Künstlern unter professionellen Bedingungen zu musizieren.“
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