
Projekt "Cherish": Ein Hauch von Frundsberg in Europa

Plus Ein EU-weites Projekt soll Jugendlichen gemeinsame Werte näherbringen. Mittendrin: der Frundsbergfestring. Wir verraten, was geplant ist.

Eigentlich waren nur Gleichgesinnte beisammen, und doch haperte es in einem wesentlichen Punkt mit dem gegenseitigen Verständnis: „Alles auf Englisch, mit Menschen aus vier Nationen, von denen keine englischsprachig ist – man kann sich vorstellen, wie schwierig das manchmal ist“, sagt Norbert Sliwockyj und lacht. Mitte August war der Vorsitzende des Frundsbergfestrings zusammen mit einer Delegation aus Mindelheim im belgischen Visé, um dort an „Cherish“ mitzuwirken – ein europäisches Projekt, in dem vier Städte zusammenarbeiten, um Kindern und Jugendlichen das gemeinsame Erbe näherzubringen.
Außer den sprachlichen Barrieren habe man mit den „Gesandten“ aus Sansepolcro (Italien), Torrijos (Spanien) und Visé aber viele Gemeinsamkeiten gefunden, sagt Sliwockyj. Die Städte eint neben ihrer Größe auch die Tradition, regelmäßig historische Reinszenierungen auszurichten, die den Blick mehrere Jahrhunderte zurück richten und dabei auch traditionelle Fertigkeiten wie Armbrustschießen, Fahnenschwingen oder Schwertkunst in den Mittelpunkt rücken. Nun haben die Städte „ein einzigartiges Projekt“ angestoßen, wie Sliwockyj sagt.
Seinen Ursprung hat „Cherish“ (engl. „in Ehren halten“) im vergangenen Jahr, dem „Europäischen Jahr des gemeinsamen Kulturerbes“. Dies nahmen mehrere Kommunen zum Anlass, sich miteinander in Verbindung zu setzen, um sich über eine Zusammenarbeit auszutauschen – „Cherish“ war unter dem Dach von „Erasmus“, einem EU-Programm für Jugend, Bildung und Sport, geboren.
Mit "Cherish" plant auch der Mindelheimer Frundsbergfestring Veranstaltungen
Nach einem ersten Treffen im Dezember in Sansepolcro brachte das länderübergreifende Projektteam nun in Visé konkrete Maßnahmen auf den Weg: So entsteht ein mehrsprachiges Handbuch, das Jugendliche in der Schule auf dem ganzen Kontinent nicht nur für altertümliche Traditionen und Aktivitäten, sondern insbesondere auch für europäische Werte sensibilisieren und begeistern soll. „Wir wollen das Gefühl vermitteln, dass es nur gemeinsam geht“, sagt Sliwockyj.
Geplant sind zudem mehrere Informationsveranstaltungen, in denen „Cherish“ Schulen und Lehrern, aber auch Kulturschaffenden, Kommunen und Politikern bekanntgemacht werden soll. Auch der Austausch von Schülern der beteiligten Städte ist im Programm vorgesehen: einer davon mit Sansepolcro in Italien, der andere mit Mindelheim 2021, parallel zum Frundsbergfest.
Das Projekt wird von der EU mit mehreren hunderttausend Euro gefördert und ist auf insgesamt drei Jahre ausgelegt. Doch auch nach dieser Zeit soll die Zusammenarbeit weitergehen, sagt Sliwockyj. „Wir wollen ein Netzwerk innerhalb Europas aufbauen mit Städten, die eine ähnliche Ausrichtung, ähnliche Traditionen und ähnliche Interessen haben.“ Bis es aber so weit ist, steht dem Projektteam noch viel Arbeit bevor. „Die Treffen sind keine netten Betriebsausflüge, in denen man sich gemütlich andere Länder, Städte und Leute anschaut. Das ist wirklich harte Arbeit“, sagt Sliwockyj.
Sliwockyj hofft auf positive Effekte von "Cherish" für das Frundsbergfest
Im Austausch mit den anderen hat ihn vor allem eines beeindruckt: „Die Stärke, mit der die Traditionen und Veranstaltungen in den anderen Ländern verhaftet sind. Diese Organisationen haben einen ganz anderen Stellenwert als bei uns“, sagt der Vorsitzende des Frundsbergfestrings und erzählt von einem besonderen Erlebnis in Visé: „Wir haben eine Vereidigung gesehen, bei der Kinder und Jugendliche der Armbrustschützengesellschaft beigetreten sind. Die nehmen das dort todernst. Da stehen Eltern mit Tränen in den Augen – beeindruckend.“
Dass sich diese intensive Form der Traditionspflege auch in Mindelheim durchsetzen kann, glaubt Sliwockyj nicht: „Das ist eine Mentalitätssache und wird hier einfach anders gelebt. Aber ein bisschen mehr Traditionsbewusstsein könnte ich mir bei uns schon vorstellen.“ Auch deshalb setze er Hoffnungen in „Cherish“ – nicht zuletzt wegen des Werbeeffekts für das Frundsbergfest: „Wir sind auf internationaler Ebene dabei – ich kann mir vorstellen, dass dann auch mehr Interesse an unserem Fest aufkommt.“
Übergeordnetes Ziel bleibe aber die europäische Verständigung: „Es geht darum zu zeigen: Die sind gar nicht so anders als wir, die sprechen nur ein bissle anders.“
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