
Frostiges Klima im Wiedergeltinger Gemeinderat

Plus Eine eigene Satzung zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung stößt bei einigen Wiedergeltinger Ratsmitgliedern auf Widerstand. Besonders ein Gemeinderat übte deutlich Kritik am Vorgehen des Bürgermeisters.
Zum 1. Februar dieses Jahres tritt die Novellierung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) in Kraft, mit ihr soll nach den Worten von Staatsministerin Kerstin Schreyer das Bauen einfacher, schneller und kostengünstiger werden. Auswirkungen hat die Novelle jedoch sehr wohl: Denn das darin festgelegte Abstandsflächenrecht, das den Abstand einzelner Gebäude zueinander regelt, ist vereinfacht worden.
Der Bürgermeister von Wiedergeltingen wollte eine eigene Satzung - und erntet dafür heftige Kritik
Maßgeblich vor allem, um den Flächenverbrauch stark zurückzufahren. Neu ist zudem die Einberechnung der Dachfläche zu einem Drittel auch auf der Traufseite; zuvor waren Dächer unter einer 45 Grad-Neigung nicht berücksichtigt worden. Die zugrundeliegende Wandhöhe erhöht sich in der neuen BayBO also dementsprechend.
Galt bis dato eine Abstandsregelung von 100 Prozent der Wandhöhe, wird diese nun auf das 0,4-Fache (bei Gewerbebauten auf das 0,2-Fache) reduziert. Ein Mindestabstand von drei Metern soll jedoch nicht unterschritten werden; allerdings könnten Gemeinden auch größere Abstandsflächen in ihrer Satzung festlegen, diese Möglichkeit bleibt.
Im Rahmen der ersten Gemeinderatssitzung dieses Jahres stand nun die Beratung einer solchen eigenen Satzung für Wiedergeltingen auf der Tagesordnung.
Dieses Papier könnte, ein Einvernehmen des Gremiums vorausgesetzt, so rechtzeitig mit der Neuregelung der BayBO in Kraft treten, „um bauwilligen Wiedergeltingern einen Bruch im Verlauf zu ersparen“, sagte Bürgermeister Norbert Führer.
Dabei machte er keinen Hehl daraus, gerade in der Mindestabstandsregelung eine Verschärfung zu sehen. Ziehe er als Beispiel den Kindergartenneubau heran, würde sich aufgrund der Wandhöhe damit eine Situation „sehr dicht an der Nachbargrenze“ ergeben, meinte Führer, von der Beschattung ganz zu schweigen. Um den Schutz des Nachbarn zu gewährleisten, appelliere er dafür, die alte Abstandsregelung beizubehalten und dies in der Satzung zu verankern.

Rückendeckung hatte sich Norbert Führer durch die Anwesenheit Markus Allmangs verschafft; der Verwaltungsfachwirt im Türkheimer Bauamt gab an diesem Abend weiteren Einblick in die Novellierung. Natürlich hätte sie Auswirkungen auf jedes Grundstück, sagte er, allerdings wäre die neue Regelung aus Sicht der Verwaltung einfacher umzusetzen, weil sie auch gerechter sei.
Im Auftrag des Bürgermeisters hatte sich Allmang bereits im Dezember an die Ausarbeitung einer Satzung für Wiedergeltingen gemacht - hervorgegangen aus einer Mustersatzung, die der Bayerische Gemeindetag zur Verfügung gestellt hatte.
Allein darüber, so sollte sich zeigen, bekundeten einige Räte, darunter etwa Bernd Stapfner (CSU) und Ludwig Schweinberger (FWW), großes Unverständnis. Während Stapfner kritisierte, die doch sehr umfangreichen Unterlagen dazu erst am vergangenen Montag überhaupt über das Ratsinfosystem habe abrufen zu können und so kaum Zeit für eine ernsthafte Beschäftigung damit gehabt zu haben, bemängelte Schweinberger den Vorgang als solches.
Wiedergeltinger Gemeinderäte kritisieren das Vorgehen des Bürgermeisters
Zwar hätte es im Rahmen eines Bauausschusses den Hinweis auf Handlungsbedarf bezüglich der Novellierung gegeben, erklärte Ludwig Schweinberger auf Nachfrage der Mindelheimer Zeitung, doch sei dann nichts mehr passiert. Nun sei eine fertige Satzung präsentiert worden, ohne vorab über sinnvolle Eckpunkte diskutiert zu haben. Auch Maximilian Huber (FWW) zeigte sich irritiert darüber, dass nicht vorab über den Inhalt der Satzung gesprochen worden war. Einen Beschluss zu präsentieren, sehe er als verfrüht an.
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Dass deutlicher Diskussionsbedarf angezeigt sei, zeigte sich schließlich auch im Redebeitrag Schweinbergers. Sein Puls gehe „auf 180“, sagte er, wenn er sich die Unkenntnis ob der Komplexität des Themas so anhöre. Wiedergeltingen brauche die Satzung nicht, sagte er, im Gegenteil behandele die BayBO nun alle Nachbarn gleich. „Die neue Regelung ist einfacher und fairer“, sagte Ludwig Schweinberger, die vorgestellten Satzungsvorschläge dagegen „eine Katastrophe für die neuen Baugebiete“.
Denn, so kritisierte Schweinberger, zeige die an diesem Abend vorgestellte Satzung gerade im Bezug auf die Wandhöhe „eine deutliche Verschärfung der Abstandsfläche auf“. So käme bei der Bemessung über die Giebelseite eines Hauses die volle Höhe bis zum First zum Tragen. Legt man dies der Satzung gegenüber, würden sich gerade in Neubaugebieten sehr hohe Abstandsflächen ergeben, erklärte Schweinberger schriftlich. Und das führe zu „massiven Beschränkungen der Bebaubarkeit“. Bestätigt fühle er sich auch durch den Hinweis Markus Allmangs, der ebenfalls darauf hingewiesen hatte.
Letztlich machte Maximilian Kienle (Bürgerverein) den Vorschlag, den Beschluss zurückzustellen, um den Räten einen besseren Sachkenntnisstand zu ermöglichen.
Auch Norbert Führer zeigte sich einverstanden, noch einmal mit Vertretern des Gemeinderats zu sprechen, um einen Kompromiss mit der Verwaltung zu suchen.
In einer der nächsten Sitzungen soll dann noch einmal darüber diskutiert werden. Darauf einigte sich das Gremium schließlich einstimmig.
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