
Tipps von der Unterallgäuer Schlafberaterin: Warum schläft mein Kind nicht durch?

Plus Melanie Rampp ist für den Landkreis Unterallgäu als Schlafberaterin im Einsatz. Ihre Sprechstunden sind seitdem immer ausgebucht.
Warum schläft meine einjährige Tochter nicht durch? Weshalb will unser zweijähriger Sohn einfach nicht in seinem eigenen Bett schlafen? Und kann man das Einschlafen mit seinem Nachwuchs eigentlich auch üben? Viele Mütter und Väter dürften sich diese oder ähnliche Fragen schon öfter gestellt haben. Dass der Beratungsbedarf groß ist, weiß Melanie Rampp nur zu gut. Seit Oktober 2022 ist sie als Schlafberaterin für Eltern mit Kindern bis zu drei Jahren für den Landkreis Unterallgäu im Einsatz. Ihre Sprechstunden sind bis Ende Februar ausgebucht. Im Gespräch mit unserer Redaktion gibt die Kinderkrankenschwester Tipps, was Eltern beachten sollten.
Frau Rampp, warum stößt das Thema bei Eltern auf eine so große Resonanz?
Rampp: Das Thema Schlaf wird von der Umwelt falsch eingeschätzt. Wir glauben alle, Kinder müssen das Schlafen lernen, sie müssen alleine schlafen und das so früh wie möglich. Doch die Schlafentwicklung dauert drei Jahre. Das wird einem nicht so nahe gebracht. Früher gab es die sogenannte schwarze Pädagogik. Kinder wurden zum Schlaf erzogen, was aber später zu Schlafstörungen führt. Viele Eltern sorgen sich auch, dass ihr Kind zu wenig Schlaf bekommt und das doch nicht gesund sein kann.
Welches sind die häufigsten Fragen, die Ihnen in den Sprechstunden gestellt werden?
Rampp: Verwöhne ich mein Kind zu sehr, wenn ich nachts immer wieder nach ihm schaue oder es bei mir im Bett schläft, ist so eine klassische Frage. Es geht um die Verwöhnangst. Wenn ich es also verwöhne, wird das Kind mich manipulieren und dann kriege ich es nicht mehr aus dem Bett. Das ist aber falsch. Was viele Eltern auch nicht wissen: In der Regel schlafen Babys in den ersten vier Monaten gut und dann schlechter. Das ist aber physiologisch bedingt. Dann kann das Kind auch fünf- oder sechsmal pro Nacht aufwachen.
Warum schläft ein Kind nicht durch?
Rampp: Durchschlafen bedeutet eine Periode von fünf Stunden. Aber wenn das Kind in dieser Zeit nur kurz gestillt werden muss oder das Fläschchen braucht, reden wir ebenfalls von Durchschlafen. In der Physiologie ist es gar nicht vorgesehen, dass Kinder bis drei Jahre durchschlafen. Denn das Gehirn hat in der Nacht noch 80 Prozent Energieleistung, damit es wachsen kann. Dazu braucht es Nahrung. Das nächtliche Aufwachen ist also wichtig. Zudem schlafen Babys und kleine Kinder in Schlafzyklen von 50 Minuten, anfangs sind es sogar nur 30. Sie brauchen uns Eltern als Co-Regulatoren, um weiterzuschlafen. Manche Kinder können sich schon ein Stück weit selbst regulieren, manche aber nicht.
Gibt es beim Schlafen „einfache“ und „schwierige“ Kinder?
Rampp: Ja, natürlich. Auch Babys und kleine Kinder haben schon Persönlichkeit. Es gibt die feinfühligen Kinder, die sofort merken, wenn die Wärme oder der Herzschlag der Eltern weg ist oder auch eine veränderte Lage – wenn sie also auf dem Arm einschlafen und dann im Bett aufwachen. Und dann gibt es auch die etwas entspannteren Kinder.
Kann man das Einschlafen mit dem Kind üben?
Rampp: Nein. Kinder müssen nur behütet und vertrauensvoll einschlafen, damit dieses Schlafen positiv abgespeichert wird. Das wirkt sich dann auch positiv auf den Schlaf im weiteren Leben aus. Ab drei Jahren ist das Gehirn kognitiv so weit, dass das Kind lernen kann, alleine einzuschlafen – mit Ritualen und Schlafbegleitung.
Wie viel Schlafbedarf haben Babys und Kleinkinder eigentlich?
Rampp: Der Schlafbedarf von Kindern wird meistens überschätzt. Die Schlafdauer ist genetisch festgelegt. Die einen Kinder brauchen mehr Schlaf, die anderen weniger. Daran können wir nicht rütteln. Wenn das Kind am Tag schon drei Stunden davon abbaut, bleibt in der Nacht nicht mehr so viel übrig. Darum rate ich: Ein Baby muss nicht immer um 19 Uhr einschlafen. Das kann kurz zuvor noch ein Powernapping machen und geht dann eben erst um 22 Uhr ins Bett. Die erste Schlafphase dauert meistens am längsten. In der Regel bewegen sich die Phasen zwischen zwei und drei Stunden. Der Grundbedarf bei Säuglingen liegt bei maximal 15 bis 16 Stunden pro Tag. Und dann nimmt es immer mehr ab. Beim Dreijährigen sind wir im Schnitt bei zwölf Stunden.
Was sind die größten Fehler, die Eltern machen können, um ihr Kind zum Einschlafen zu bewegen?
Rampp: Das Kind weinen zu lassen. Das kann zwar funktionieren. Davon raten wir Schlaftherapeuten aber ab. Die Kinder resignieren und fühlen sich wertlos. Das hat zufolge, dass sie später Schlafstörungen entwickeln, schlechter essen und aggressiv werden.
Ab wann sollte denn ein Kind alleine im Bett schlafen?
Rampp: Das soll jede Familie für sich selbst entscheiden. Da gibt es keine Norm. Irgendwann schlafen sie alle in ihrem eigenen Bett. Das Kind sollte aber auf jeden Fall in diese Entscheidung mit einbezogen werden.
Welche Mythen im Bezug auf das Schlafverhalten von Kindern gibt es, die sich hartnäckig halten?
Rampp: Wenn das Kind nachts nach uns ruft oder weint, will es uns manipulieren, wäre so ein Mythos. Kinder bis drei Jahre können noch gar manipulativ denken. Sie melden lediglich ihr Bedürfnis an. Gleiches gilt für die Behauptung: Kinder brauchen ab sechs Monaten nachts keine Nahrung mehr.
Wie können Eltern in dieser Phase selbst Erholung finden?
Rampp: Wichtig ist, dass man sich Auszeiten und Ruhephasen tagsüber schafft. Man muss dazu nicht einmal schlafen. Es reicht, wenn man sich aufs Sofa legt und ein Buch liest. Das geht mit Kleinkindern und Babys, die auch tagsüber schlafen, am besten. Auch der Papa oder die Großeltern sollten mit ins Boot geholt werden, die das Kind auch mal am Tag für eine Stunde versorgen oder mit ihm spazieren gehen. Und man sollte Prioritäten schaffen; den Haushalt auch mal Haushalt sein lassen. Dann sollte man auch die Nacht annehmen, wie sie kommt. Ein weiterer Tipp: Schlafen, wenn auch das Kind schlafen geht. Da muss man sich umstellen.
Haben Sie auch Tipps, die sowohl für Babys und Kleinkinder als auch für Erwachsene gelten?
Rampp: Frische Luft begünstigt Schlaf. Auf jeden Fall rausgehen – auch bei schlechtem Wetter. Die Kinder sollen sich bewegen, da sie einen natürlichen Bewegungsdrang haben. Das ist bei Erwachsenen, die Sport treiben, ja ähnlich. Zudem beeinflusst der Medienkonsum am Abend unseren Schlaf negativ. Auch eine gute Matratze ist goldwert – bei Kindern und Erwachsenen. Interview: Johannes Schlecker
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