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Zeitzeugeninterviews: Schüler dokumentieren historische Schrecken des KZ Türkheim

Türkheim

Zeitdokumente für die Ewigkeit

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    An der Mittelschule Türkheim erschufen Schülerinnen und Schüler der Klasse 8b mit ihrer Klassenlehrerin Zeitdokumente für die Ewigkeit. Auf dem Foto von links: Serena Shtrezi (Klassenlehrerin 8b), Zeynep Kücük, Magdalena Miller, Fabian Epple und Ben Laimer. Auf dem Foto fehlen: Sabaa Alibrahim und Szonja Czibula.
    An der Mittelschule Türkheim erschufen Schülerinnen und Schüler der Klasse 8b mit ihrer Klassenlehrerin Zeitdokumente für die Ewigkeit. Auf dem Foto von links: Serena Shtrezi (Klassenlehrerin 8b), Zeynep Kücük, Magdalena Miller, Fabian Epple und Ben Laimer. Auf dem Foto fehlen: Sabaa Alibrahim und Szonja Czibula. Foto: Kathrin Elsner

    Nachdenklich sitzt eine kleine Gruppe Schülerinnen und Schüler mit ihrer Klassenlehrerin Serena Shtrezi am Tisch. „Wie bringt man Schülerinnen und Schülern die Schrecken des Zweiten Weltkriegs nahe?“, ist die Einstiegsfrage ihres im Rahmen einer Schul-Projektwoche gedrehten Films, der Zeitzeugeninterviews und geschichtliche Fakten so vereint, dass er zum Zeitdokument für die Ewigkeit wird.

    Im Rahmen einer Schul-Projektwoche anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des KZ bei Türkheim hat sich die Ludwig-Aurbacher-Mittelschule bewusst mit den Themen Konzentrationslager, Nationalsozialismus und Frieden auseinandergesetzt. In ganz unterschiedlichen Aktionen, Workshops und Projekten leistete jede Schulklasse einen besonderen Beitrag.

    Die Klasse 8b hat sich mit ihrer Klassenlehrerin Serena Shtrezi des spannenden Themas der Zeitzeugeninterviews angenommen. Sechs Schülerinnen und Schüler zwischen dreizehn und fünfzehn Jahren erklärten sich bereit, mit Serena Shtrezi nach der Schule sechs berührende Interviews zu führen und investierten ihre Freizeit dafür.

    Zeitzeugen-Projekt an der Mittelschule Türkheim: „Ich wollte mal wissen, wie es in der Zeit war“

    „In 15 Jahren gibt es vielleicht die Leute nicht mehr, und dann kannst du nicht mehr fragen“, bemerkte der 14-jährige Fabian, der sich der großen sich bietenden Chance völlig bewusst war. Auch sein Klassenkamerad Ben hatte hochmotiviert am Projekt teilgenommen. „Ich wollte mal wissen, wie es in der Zeit war, aus Büchern kann man alles rauslesen, aber wenn man mit jemandem selber kommuniziert, ist es viel besser und man kann es auch verstehen“.

    In Zweierteams besuchten die Schülerinnen und Schüler sechs Türkheimer Zeitzeugen, stellten Fragen, hörten zu und entwickelten Mitgefühl. „Das war gut und hat auch Spaß gemacht“, erzählte die 15-jährige Zeynep, „sie haben diese Zeit erlebt und man konnte sich gut reinversetzen“. Es sei traurig gewesen zu hören, was die Zeitzeugen erleben mussten - die Begegnungen mit Hunger leidenden Häftlingen und auch die Armut der Bevölkerung selbst wurde immer wieder zum Thema, dennoch fanden auch positive Erlebnisse Platz.

    Um der Befreiung des Konzentrationslagers bei Türkheim und all jener, die dort ihr Leben verloren haben, zu gedenken und ein besonderes Bildungswerk zu erschaffen, wurden die Zeitzeugeninterviews in Ton und teils Bild mitgeschnitten. Serena Shtrezi konnte ihren Lebensgefährten Simone Punzo, Geschäftsführer von Winston Films Landsberg, ehrenamtlich für diese Aufgabe gewinnen. Das Paar investierte zudem in die Nachproduktion ehrenamtlich drei Wochen Arbeit, die sich mehr als gelohnt hat. „Manche Kinder verstehen es nicht so gut, mit dem Video kann man viel besser verstehen, wie es früher war“, fasst Schüler Ben das herausragende Ergebnis treffend zusammen.

    Film zeigt Interviews mit Türkheimer Zeitzeugen

    Zu sehen sind in dem rund 30-minütigen Bildungsfilm prägnante Ausschnitte aus drei Türkheimer Zeitzeugeninterviews, die immer wieder durch Einspielungen geschichtlichen Filmmaterials und Fotos ergänzt und so in den Gesamtkontext der Zeit des Nationalsozialismus eingeordnet werden. Sobald die noch ausstehenden Bildrechte vorliegen, soll der Film auf YouTube veröffentlicht werden, den Weg ins Türkheimer Archiv finden und wenn möglich auf der Internetseite der Marktgemeinde eingebettet werden. Die Interviews der drei weiteren Zeitzeugen, die ausschließlich mit Tonaufnahmen einverstanden waren, sind in zwei ausführlichen Podcasts zu hören.

    Dass Serena Shtrezi derart viel private Zeit in das einzigartige Schulprojekt steckte, hat einen besonderen Hintergrund. 1993 war sie mit ihren Eltern aus dem Kosovo geflohen, das Thema Krieg spielte auch in ihrer Biographie schon früh eine traurige Rolle. In Deutschland fand ihre Mutter eine liebevolle Ersatzoma für sie, die ihr immer wieder aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs erzählte. Bereits mit elf Jahren habe sie ein großes Interesse an der Thematik entwickelt, das bis heute bestehe. „Es war sofort klar, dass ich mich dranhängen will“.

    Türkheims dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger-Schneider unterstützte das Projekt durch die wertvolle Vermittlung von Kontakten zu Zeitzeugen. Die 14-jährige Schülerin Magdalena war froh, am Projekt teilgenommen zu haben. „Es war spannend, weil Zeitzeugen dabei waren und wir einen Einblick in deren Zeit und wie es ihnen ergangen ist bekommen haben“. Auch die Rektorin der Ludwig-Aurbacher-Mittelschule, Barbara Engel, freute sich über so viel Engagement und das Projektergebnis in Bild und Ton, „da können die Kinder stolz drauf sein“.

    Mittelschule Türkheim: Diese Beiträge erinnern an den Zweiten Weltkrieg

    Und nicht nur sie - jede einzelne Klasse der Mittelschule habe einen Beitrag geleistet. So wurde beispielsweise eine Szene der Bücherverbrennung von 1933 nachgestellt, die Geschehnisse rund um das KZ Türkheim auf anspruchsvollen Informationstafeln dargestellt, Präsentationen zum Thema gehalten und noch viel mehr.

    Als Höhepunkt der Projektwoche wanderte die gesamte Schulgemeinschaft mit selbst gestalteten Friedensplakaten zum KZ Mahnmal und nahm an einem Friedensgebet teil. Vom Pausenhof der Mittelschule aus ließen die Schülerinnen und Schüler als Abschluss der Projektwoche rund 200 rote Ballons steigen und riefen mit den angehängten Postkarten zum Frieden auf. „Ich fands so toll, dass man im Kleinen dargestellt hat, wie es sein soll, wir müssen hier bei uns anfangen“, betonte die Rektorin und ergänzte: „Je länger die Zeit ist die vergeht, desto weiter entfernen sich auch die Menschen von den grausamen Geschehnissen, weshalb es wichtig ist, sie aufzugreifen.“

    Auch am Türkheimer Gymnasium gab es eine besondere Aktion anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung.

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